10.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 2, 3, Epl 08,20,32,6

Sebastian SchäferDIE GRÜNEN - Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mario Draghi hat gestern seinen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit in Europa vorgestellt; Minister Lindner hat es angesprochen. Draghi spricht von zusätzlichen Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit voranzubringen. Ich darf zitieren:

„Europa hat die durch das Internet ausgelöste digitale Revolution und die damit verbundenen Produktivitätsgewinne weitgehend verpasst.“

Wir sehen in unseren nationalen Wirtschaftsdaten eine Spiegelung dieser Analyse. Unser Potenzialwachstum ist mit nur 0,5 Prozent seit Jahren viel zu gering. Erst letzte Woche haben führende Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr deutlich gesenkt.

Ich will daran erinnern, was in den vielen Debatten, die wir politisch gerade zur Migration führen, leider verloren geht: In den nächsten fünf Jahren werden wir in Deutschland Jahr für Jahr netto 1 Prozent unserer Erwerbsbevölkerung verlieren. Wir brauchen bis zu 400 000 Personen Nettozuwanderung pro Jahr. Wenn es uns nicht gelingt, unser Arbeitskräfteangebot zu steigern, dann wird auch das Wirtschaftswachstum nicht steigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!)

Wir sehen uns in Deutschland einer strukturellen Krise gegenüber, nicht nur einer konjunkturellen, und eine strukturelle Krise entsteht weder in einer Legislaturperiode, noch lässt sie sich in nur einer Legislaturperiode lösen.

(Stephan Brandner [AfD]: Länger werden Sie nicht Zeit haben!)

Wir brauchen gezielte und langfristige Lösungen wie Bürokratieabbau, Steigerung des Arbeitskräfteangebots, Stärkung des Finanzstandorts, Anschub von Investitionen, um gezielte strukturelle Veränderungen zu erreichen, um die Standort-, Lebens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu erhalten und zu stärken. An all diesen Punkten setzen das Wachstumspaket und der Haushaltsentwurf der Bundesregierung an. Es ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Wir stärken Kinder, Klima und Konjunktur.

Aber leider müssen wir uns immer noch damit beschäftigen, einen Substanzverlust zu verhindern. Zu viele Investitionen sind in der Vergangenheit einfach unterblieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unser deutsches exportgetriebenes Wirtschafts- und Geschäftsmodell steht unter großem Druck. Die gute alte Zeit, sie kommt schlicht nicht mehr wieder. Ökonomen sprechen vom zweiten Chinaschock, der jetzt genau die Branchen trifft, in denen unser Land so erfolgreich war und ist: Autos, Maschinen und Chemie.

(Peter Boehringer [AfD]: Weil die Grünen alles abgewickelt haben! – Stephan Brandner [AfD]: Weil Sie alles vernichtet haben!)

Und das hat brutale Folgen. Unsere Produktivität leidet, weil die Industrie, die abwandert, produktiver ist als der Dienstleistungssektor. Ich verstehe, dass es für einen quartalszahlengetriebenen angestellten CEO verführerisch ist, noch einmal das letzte Chinageschäft mitzunehmen – nächstes Jahr ist der Auftrag dann weg; denn dann wird in China produziert.

Die ökonomischen Bedingungen und Ableitungen sind 2024 gänzlich andere als noch 2014 oder 1954, in Ihrer Tanzkartenwelt, Herr Haase. Wir sind mitten in einem globalen Standortwettbewerb um Zukunftstechnologien und Industrieproduktion. Wir sind mitten im größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier. Wir sehen Krieg in Europa, die Rückkehr des Imperialismus.

Wir müssen uns entschlossen den Fragen der Zukunft stellen und eine breite Debatte über die Rolle des Staates bei der industriellen und sozialökologischen Transformation sowie deren Finanzierung und Ausgestaltung führen. Gehen wir es endlich an! Finden wir die Lösungen, die unser Land nach vorn bringen! Das muss der Rahmen der jetzt anstehenden parlamentarischen Haushaltsberatungen sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer. – Ich erteile das Wort der Kollegin Amira Mohamed Ali von der Gruppe BSW.

(Beifall beim BSW)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614786
Wahlperiode 20
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte, Haushaltsbegleitgesetz 2025, Nachtragshaushaltsgesetz 2024
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