10.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 183 / Einzelplan 10

Albert StegemannCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Wer kennt sie nicht, die Reden, die einen beeindrucken, die Reden, die man niemals vergisst? So denke ich zum Beispiel immer wieder gerne an die Eröffnungsrede von Hans-Peter Friedrich zur Grünen Woche 2014.

(Zuruf von der CDU/CSU: Guter Mann!)

Damals hat er davon gesprochen, dass er sich als Landwirtschaftsminister in erster Linie als Wirtschaftsminister des ländlichen Raums sieht. Das spricht für ihn, weil das einfach auch sein Betriebssystem offenbart.

Herr Minister, ich will Sie ganz offen ansprechen. Sie haben im Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz und auch mit dem Agrardiesel immer wieder betont – Sie haben es damals gut gemeint –, dass die Landwirte nur 1 Prozent der Bevölkerung und – das haben Sie hinterhergeschoben – 1,2 Prozent der Volkswirtschaft ausmachen,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Deswegen habt ihr sie über Jahre vernachlässigt! Das ist für eine Volkspartei wie euch zu wenig!)

aber mit Blick auf das Wachstumschancengesetzes einen großen Teil ausmachen. Das hat mit dem eben erwähnten Amtsverständnis eines Bundeslandwirtschaftsministers nichts zu tun. Ein Wirtschaftsminister des ländlichen Raums weiß einfach, worum es hier geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will hier mit einigen Zahlen aufwarten. Ich komme aus der Grafschaft Bentheim, einem kleinen Landkreis an der niederländischen Grenze. Ich war bei meiner Volksbank, habe dort mit dem Vorstand gesprochen. Von den 2 Milliarden Euro in deren Kreditbuch gehen alleine 500 Millionen Euro auf das Konto der Landwirtschaft. Sprich: Ein Viertel der Kredite der Volksbank in meinem Landkreis – selbstverständlich ist es bei der Sparkasse nicht ganz anders, und im Landkreis Emsland ist es auch nicht anders – entfällt auf Investitionen der Landwirtschaft. Die Landwirte investieren das Geld, kaufen sich davon Immobilien, kaufen davon Viehvermögen, kaufen davon Landtechnik.

Was wäre unsere Region im Nordwesten Deutschlands ohne Krone, ohne Grimme, ohne Amazone, ohne Claas, ohne Lemken?

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Es geht wohl um Spenden für den nächsten Bundestagswahlkampf, oder was?)

Das soll jetzt keine Werbung sein; das gilt selbstverständlich auch für Fendt und John Deere. Nein, dahinter stehen Zigtausende Familien, die dort ihre Arbeit haben. Und die Menschen haben ihre Arbeit nur, weil durch landwirtschaftliche Betriebe Nachfrage generiert wird. Und nur so versteht man am Ende auch, dass man als Landwirtschaftsminister der Wirtschaftsminister des ländlichen Raums ist. Und das sind Sie, Herr Minister, nun mal leider überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Bevor ich ganz konkret auf den Haushalt eingehe, will ich noch einmal an den Agrardiesel erinnern. Bis heute haben wir keine vernünftige Antwort bekommen. Sie haben immer gesagt, Sie wollen hier zu einer Kompensation beitragen. Außer Spesen nichts gewesen!

Jetzt gucken wir uns mal den Agrarhaushalt an, vielleicht erst mal ganz grundsätzlich. Der Agrarhaushalt wird kleiner, den haben Sie zusammengestrichen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Und das seit Jahren!)

Wenn ich mir den Haushalt der Bundesumweltministerin anschaue, dann sehe ich: Der ist um 10 Prozent gewachsen. – Das alleine zeigt ja schon, welche Prioritäten Sie setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir waren beim Stichwort „Unterstützung im ländlichen Raum“. Was machen Sie ganz konkret im Bundeshaushalt 2025? Das Investitions- und Zukunftsprogramm haben Sie zusammengestrichen. 123 Millionen Euro werden nicht mehr für sachgerechte Düngung, für guten Pflanzenschutz verwendet. Die Innovationsförderung – 23 Millionen Euro – haben Sie zusammengestrichen. Bei der Digitalisierung im 21. Jahrhundert jetzt 16 Millionen Euro zu streichen, ist sicherlich auch keine gute Idee. – Das sind nur einige Beispiele. Sie haben an der Stelle den Bundeshaushalt zusammengestrichen, und das sind einfach ganz falsche Prioritäten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Heute Morgen lese ich nicht nur in der Agrarpresse, die sich natürlich tierisch aufregt, weil es wirklich ganz massiv ans Eingemachte geht, sondern auch anderswo, dass Ihr Kollege Hubertus Heil jetzt einen Mindestlohn von 15 Euro vorgeschlagen hat. Jetzt müssen wir auch da mal die Verhältnismäßigkeit wahren. Wer sich mit Bilanzen einigermaßen auskennt, weiß, dass in einem Maschinenbauunternehmen die Arbeitskosten 10, 15, vielleicht auch mal 20 Prozent an den Gesamtkosten ausmachen. Im Obst- und Gemüsebereich sind es teilweise 70 Prozent Arbeitskosten. Das heißt, die Landwirtschaft ist überproportional stark betroffen von einem solchen Vorschlag. Die Landwirte wissen jetzt schon nicht, wie sie Arbeitskräfte generieren sollen. Sie sprechen einerseits immer davon, wir sollten uns pflanzlicher ernähren. Auf der anderen Seite arbeiten Sie nicht dagegen an, dass Ihr Arbeitsminister vorschlägt, den Mindestlohn zu erhöhen. Das ist einfach inkonsequent. Auch an der Stelle sind Sie kein ordentlicher Landwirtschaftsminister.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir brauchen, sind wirkliche Investitionserleichterungen.

Lieber Kollege Stegemann, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Klar, gerne.

Lieber Kollege Stegemann, ich schätze Ihre engagierte Art des Vortrags, muss aber zurückkommen auf Ihren Beitrag zum angewachsenen Etat des Bundesumweltministeriums. Sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Aufwuchs des Etats des Bundesumweltministeriums um 250 Millionen Euro einzig und allein durch die Kosten der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls, eines komplett ungelösten Problems der Art und Weise, wie Sie unsere Energiefrage angegangen sind, verursacht ist?

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Quatsch!)

Sind Sie bereit, das anzuerkennen? Und haben Sie dazu einen guten Beitrag zu leisten?

(Beifall der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir reden über 247 Millionen Euro; darüber sind wir uns einig. Aber selbstverständlich ist ein Etat immer sehr komplex.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ha, ha!)

Sie können in jedem Etat Einzelposten heraussuchen und sagen: Daran hat es jetzt gelegen. – Ich glaube, in der Gesamtbewertung wird jedem Kleinkind klar: Wenn Sie im Agrarbereich Mittel streichen und die Mittel für den Umweltbereich um 10 Prozent erhöhen – 247 Millionen Euro –, dann zeigt das noch einmal, welche Prioritäten hier gesetzt werden. Und diese Prioritäten werden nicht im ländlichen Raum gesetzt; das ist das, was ich gesagt habe. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich es nicht anders gesagt habe!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielleicht noch zum Ausstieg. Herr Minister, auch wenn es Ihnen vielleicht schwerfällt, jetzt als Wirtschaftsminister des ländlichen Raums aufzutreten, so darf ich Sie daran erinnern, dass Sie immer wieder gesagt haben, Sie wollen der Anwalt der Landwirte sein. Ich appelliere an Ihr Berufsethos. Versuchen Sie doch, über das Maß des Pflichtverteidigers hinauszukommen!

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie von der CDU waren nicht einmal Pflichtverteidiger, nicht einmal das!)

Das wäre doch mal was. Dann wäre dem ländlichen Raum geholfen.

In diesem Sinne: Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Esther Dilcher für die SPD-Fraktion ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614818
Wahlperiode 20
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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