10.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 183 / Einzelplan 10

Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Albert Stegemann, bei deiner Rede ist wieder einmal sehr deutlich geworden, dass die Union ein völlig anderes Staatsverständnis in der Landwirtschaftspolitik besitzt als meine Fraktion und ich. Genau dieses Staatsverständnis – ich komme gleich darauf zu sprechen – ist auch ursächlich für die teilweise sehr prekäre Situation von Tausenden Betrieben in Deutschland. Die Union fordert regelmäßig für die Landwirtschaft finanzielle Unterstützungsmaßnahmen, die quasi harmlos daherkommen und sich Tierwohl-Cent nennen oder vielleicht auch manchmal etwas dramatischer anmuten wie beispielsweise im Ackerbau bei Sonderkulturen. Aber Sie vergessen dabei vollständig, dass all die Umverteilungsfantasien, die Sie haben und denen Sie seit Jahrzehnten folgen, nicht bedingungslos Wirklichkeit werden, nur weil der Staat quasi Geld hineinwirft. Zudem ist Ihre Unterstützung jedes Mal unmittelbar damit verbunden, dass Landwirtschaft so produzieren soll, wie es eine vermeintlich populäre Meinung vorgibt, die Sie transportieren. Das ist fachlich und sachlich häufig genug falsch. Deswegen sage ich Ihnen: Eine zentrale Ursache dafür, warum es Landwirtschaft in Deutschland gegenwärtig so besonders schwer hat,

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: … ist die FDP!)

ist der Umstand, dass Sie über Jahrzehnte mit falschen Anreizen gearbeitet und Produktionsweisen gefördert haben, die fachlich nicht gerechtfertigt waren und so zu der Misere beigetragen haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ihre drei Jahre in der Regierung!)

Ich will Ihnen gerne noch einmal, verehrte Kollegen der Union, ins Gedächtnis rufen, was das letzte Jahr geprägt hat. Anders als von Julia Klöckner vorgesehen, ist es uns gelungen, die Anwendungsdauer des Totalherbizids Glyphosat, das extrem wertvoll ist im Bereich der Humusbildung und beim Ackerbau in Hanglagen, in Deutschland über den 31. Dezember 2023 hinaus zu verlängern. Wie gut, dass Ihre Pläne verhindert wurden!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Abg. Max Straubinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Da ist eine Zwischenfrage des Kollegen Straubinger.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der redet doch gleich noch! – Frank Schäffler [FDP]: Der redet doch noch nach mir!)

Vielen Dank, dass Sie das gleich bejaht haben. – Lieber Kollege Straubinger, Sie dürfen.

Herr Kollege Hocker, danke schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. -Erkennen Sie an, dass der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt die Grundlage dafür gelegt hat, dass Glyphosat weiterhin als Pflanzenschutzmittel zur Verfügung steht und dass nicht Sie das geschafft haben?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Verehrter Herr Kollege Straubinger, herzlichen Dank für diese Frage; denn es entzieht sich ganz offenbar Ihrer Kenntnis, dass es die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gewesen ist, die die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung so gestaltet hat, dass die Anwendung dieses Totalherbizids zum 31. Dezember 2023 ausgelaufen wäre.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Nein, das stimmt nicht!)

Und es ist zurückzuführen auf das Engagement dieser Bundesregierung, dass die Anwendung auch zukünftig möglich ist, was gerade für Ackerbaubetriebe – übrigens gerade in Ihrer Heimatregion in Bayern, wo es viele Hanglagen gibt und wo häufig Starkregenereignisse auftreten – ein Segen ist. Deswegen sage ich Ihnen: Ein absolutes Eigentor, Herr Kollege!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich lade Sie ganz ausdrücklich dazu ein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weitere Zwischenfragen zu stellen.

Frau von der Leyen hätte gerne trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine an ihren Flächenstilllegungsplänen von 4 Prozent per annum festgehalten. Wie gut, dass wir das, meine Damen und Herren, verhindert haben!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und zuletzt: Seit Jahrzehnten regt man sich zu Recht über die bürokratische Handhabung bei fehlenden Ohrmarken auf. Immer wieder hat sich das unionsgeführte BMEL in vielen Jahren außerstande gesehen, diese irrsinnige Praxis endlich zu überwinden. Man kann bei Bürokratieabbau immer nach mehr rufen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Aber Sie haben doch mehr ins Schaufenster gestellt!)

Aber lustigerweise rufen gerade diejenigen nach mehr Bürokratieabbau, die selber jahrzehntelang bei diesem politischen Themenbereich die Hände komplett in den Schoss gelegt haben, sich nie daran herangewagt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist jetzt echt schäbig!)

Und wenn das dann andere angehen, sind es dieselben Protagonisten, die sagen: Das müsste doch noch viel mehr sein. – Wie gut, dass damit endlich Schluss ist, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Oijoijoijoijoi! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist ja albern!)

Wir haben die Deckelung bei der Einspeisevergütung von Biogasanlagen verhindert. Wir führen die Gewinnglättung wieder ein. Wir haben die Flächenstilllegung verhindert.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Flächenstilllegung war die EVP!)

Wir ermöglichen die zusätzliche und künftige Anwendung von Glyphosat. Hätte vor drei Jahren, meine Damen und Herren, jemand behauptet, dass die Ampel solche Würfe, solche Entscheidungen in der Landwirtschaftspolitik hinbekommt, hätte dies wohl niemand geglaubt.

Niemand reizt vor allem mit finanziellen Verlockungen fragwürdige Produktionsweisen an, sondern es wird die unternehmerische Landwirtschaft gefördert. Landwirtschaft braucht vor allem Verlässlichkeit, verlässliche politische Rahmenbedingungen

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Ja, gerade liefern Sie hier den besten Beitrag!)

und ein Bekenntnis zu Technologieoffenheit. Was da geschehen ist, ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel in der Landwirtschaftspolitik nach vielen Jahren unionsgeführtem Haus.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Ungerne, aber ja.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Och nö, Gero! – Stephan Brandner [AfD]: Immerhin! Vielen Dank!)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Hocker, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade von Verlässlichkeit. Wie verlässlich ist es denn, dass Sie als Mitglied einer Regierungspartei jetzt, kurz vor Ende der Legislatur, Ihre Position des agrarpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion aufgeben und ins Verkehrsministerium wechseln?

(Frank Schäffler [FDP]: Der kann halt vieles!)

Wie können Sie von Verlässlichkeit reden? Also, ich bitte Sie!

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä?)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Also, ich würde mich selber ja niemals so sehr überschätzen, dass ich behaupten würde, dass Verlässlichkeit in der Agrarpolitik alleine an meine Person geknüpft ist. Deswegen finde ich das eine komplette Fehleinschätzung. Ich freue mich auf die Aufgaben, die in Zukunft auf mich warten. Ich bin froh und dankbar

(Frank Rinck [AfD]: Ich kenne auch Ihren Wahlkampf!)

– wollen Sie eine Antwort hören? dann kriegen Sie sie –, dass ich sieben Jahre lang in diesem Bereich habe tätig sein dürfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir einen letzten Satz in eigener Sache. Ich habe jetzt gerade mit sehr großer Wahrscheinlichkeit meine letzte Rede zur Landwirtschaft in diesem Hohen Hause hier halten dürfen.

(Bernd Schattner [AfD]: Das war das Beste!)

Während der sieben Jahre, während derer ich dieses Thema begleiten durfte, habe ich viel und gerne gestritten, in der letzten Wahlperiode mit der Bundesregierung, in dieser Wahlperiode

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Auch mit der Bundesregierung!)

mit der Opposition und auch manchmal mit der Bundesregierung; das gehört zur Wahrheit dazu. Streit war für mich aber nie Selbstzweck, sondern er ist für mich das Wesen einer parlamentarischen Demokratie. Wir haben heute Morgen sehr viel Richtiges und Wichtiges darüber gehört. In der Sache wird eben hart gerungen und gestritten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn nicht hier, wo denn sonst in dieser Gesellschaft? Es ist unsere Aufgabe, die Konflikte, die sonst draußen ausgetragen werden, in diesem Hohen Hause zu regeln.

Wenn ich in diesem emotionalen Fachbereich wie der Landwirtschaftspolitik jemals zu weit gegangen bin, jemanden vielleicht sogar beleidigt haben sollte,

(Frank Schäffler [FDP]: Nee! War okay!)

dann tut mir das aufrichtig leid. Ich freue mich auf viele Begegnungen mit neuen und mit bekannten Kollegen in den kommenden Monaten.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist für die Unionsfraktion der Kollege Josef Rief.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614822
Wahlperiode 20
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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