Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich habe Ihnen gerade sehr aufmerksam zugehört. Man hatte ja so ein bisschen den Eindruck: Eigentlich läuft beim Thema Bauen in Deutschland alles wunderbar – wir investieren, Fördermittel werden verlässlich hochgefahren, und alle sind eigentlich zufrieden. Ehrlich gesagt wundere ich mich ein bisschen über diese Zustandsbeschreibung; denn ich weiß ja, dass Sie viel im Land unterwegs sind. Sie sprechen mit vielen Unternehmen. Und ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass die Unternehmen, mit denen Sie sprechen, Ihnen etwas anderes erzählen als mir. Ich komme tatsächlich zu einer ganz anderen Zustandsbeschreibung. Die Lage beim Wohnungsbau in unserem Land ist tatsächlich dramatisch.
(Zuruf der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie ist richtig dramatisch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben sich in den letzten Wochen so ein bisschen darin gesonnt, dass die Fertigstellungszahlen, die wir 2023 verzeichnen konnten, gar nicht so schlecht sind; die liegen ja nur wenig unter denen, die es 2022 gab. Sie sind eigentlich relativ stabil. Ich kann Ihnen sagen: Diese Fertigstellungszahlen sagen überhaupt gar nichts aus; denn das, was letztes Jahr fertiggestellt worden ist, geht ja alles auf Projekte zurück, die vor drei, vier Jahren geplant und begonnen worden sind. Und hinterher haben sich die Rahmenbedingungen fundamental geändert.
Worauf Sie schauen müssen, sind die Baugenehmigungen. Und da kommen wir zu einem ganz anderen Bild: Im ersten Halbjahr 2024 sind sage und schreibe 107 000 Wohnungen genehmigt worden – 107 000 Wohnungen!
(Zuruf der Abg. Verena Hubertz [SPD])
186 000 waren es 2022. Das sind also über 40 Prozent weniger als vor zwei Jahren. Das ist ein dramatischer Einbruch. Ich kann Ihnen sagen: Die fehlenden Wohnungsbaugenehmigungen von heute sind die fehlenden Wohnungen von morgen. Sie müssen endlich mal die Realität erkennen, Frau Ministerin.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Franziska Mascheck [SPD])
Ihr Ziel war ja, 400 000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Sie haben diese Zahl ja ganz bewusst in den Koalitionsvertrag geschrieben, weil Sie richtigerweise gesagt haben: Es besteht dafür Bedarf. Wir brauchen diese 400 000 Wohnungen, wahrscheinlich sogar mehr. – Dieses Ziel werden Sie krachend verfehlen. Und ich kann Sie nur warnen: Es hat eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft, wenn wir beim Thema „bezahlbarer Wohnungsbau“ nicht vorankommen, weil damit nämlich einhergeht, dass die Mieten steigen, dass Eigentumsbildung in unserem Land nicht mehr möglich ist. Das hat eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft, und dafür sind Sie, Frau Ministerin, verantwortlich.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja Unsinn!)
Im September letzten Jahres hat im Kanzleramt der Baugipfel stattgefunden, und es gab so ein zartes Pflänzchen der Hoffnung, dass nun endlich gehandelt wird. 14 Maßnahmen sind da beschlossen worden. Und ich kann Ihnen sagen, darunter waren auch einige, die wirklich gut waren; die hätten wir mitgetragen. Aber wenn man jetzt, fast ein Jahr später, mal schaut, was davon umgesetzt worden ist, was davon denn im Gesetzblatt steht, dann muss man ganz nüchtern feststellen: Nichts von Substanz ist bisher umgesetzt worden. Nichts haben Sie auf den Weg gebracht. Es gibt jetzt einzelne Entwürfe – § 246e BauGB oder den Gebäudetyp E –, aber es steht noch nichts im Gesetzblatt. Sie müssten mal schneller handeln, um Ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Beim § 246e BauGB gibt es dafür auch eine nachvollziehbare Erklärung: Sie haben ja einen Gesetzentwurf vorgelegt, Frau Ministerin, sogar relativ schnell. Nur die Kolleginnen und Kollegen der Ampel von SPD, FDP und Grünen haben sich dann wie die Kesselflicker darüber gestritten und konnten sich nicht darauf verständigen, diesen Gesetzentwurf, den Sie erarbeitet haben, ins parlamentarische Verfahren zu bringen. Wir haben das im Bauausschuss diskutiert. Da ist eine ganze Latte von Bedenken aufgeführt worden, wieso dieser Bauturbo, auf den so dringend gewartet wird, damit es jetzt endlich mal vorwärtsgeht, nicht gestartet werden kann. Herr Staatssekretär Bösinger hat gerade gestern noch in einer entwaffnenden Ehrlichkeit gesagt, naja, er wurde jetzt auf den letzten Metern noch ins Baugesetzbuch hineingenommen, damit er überhaupt mal ins parlamentarische Verfahren kommt.
Ich kann Ihnen sagen: Sie haben ganz offensichtlich bei Ihrer eigenen Fraktion keine Autorität. Der Bundeskanzler, der sich beim Baugipfel und davor im Wahlkampf als Kanzler für bezahlbares Wohnen inszeniert hat, hat auch keine Autorität. Ebendieser § 246e BauGB war ja Bestandteil dieser 14 Maßnahmen des Baugipfels, die im Kanzleramt beschlossen worden sind. Er kann sich aber nicht durchsetzen. Das ist ein Armutszeugnis, kann ich Ihnen sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Erwartungshaltung an die Novelle des Baugesetzbuches – Sie haben sie gerade erwähnt – war ja riesig: bei den Menschen, die auf bezahlbare Wohnungen warten, bei den Unternehmen, bei den Verbänden. Aber was ist am Ende rausgekommen? Das Ergebnis ist kein großer Wurf. Das sagen alle, mit denen man darüber spricht. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir hätten beim Wohnungsbau, wie in anderen Bereichen auch, angesichts der Dramatik der Lage eine wirkliche Zeitenwende benötigt: für mehr, schnelleres und kostengünstigeres Bauen. Nichts davon findet sich in diesem Entwurf. Wenn wir sagen – und ich glaube, darüber haben wir wirklich einen Konsens –, dass bezahlbares Wohnen die soziale Frage unserer Zeit ist, dann wäre es doch richtig gewesen, in dieser Baugesetzbuchnovelle einen Vorrang für den Wohnungsbau festzuschreiben, in der Abwägung der Interessen miteinander. Nichts davon findet sich in diesem Entwurf.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich stehen da auch ein paar richtige Punkte drin: Wohnraum schaffen durch Aufstocken und Nachverdichtung – alles gut. Aber der entscheidende Punkt ist, Kosten zu senken, damit Bauen günstiger wird, damit Wohnen nicht unbezahlbar wird. Sie machen das Gegenteil: Umweltschutzvorschriften sind in Umfang und Tiefe nicht reduziert; vielmehr gibt es nur eine Sollvorschrift, dass die nicht zu lang werden sollen. Und zusätzlich wird den Kommunen noch die Möglichkeit gegeben, neue Klimaschutzauflagen zu erteilen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Wir brauchen eine Entlastung für die Unternehmen und keine zusätzlichen Belastungen.
(Zuruf der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Kollege.
Deswegen sage ich: Die Novelle des Baugesetzbuches, die Sie jetzt vorgelegt haben, ist kein großer Wurf, und weil das so ist, muss im parlamentarischen Verfahren massiv nachgebessert werden. Wir brauchen nicht nur ein Belastungsmoratorium, sondern wir brauchen einen ganz klaren Vorrang für Wohnungsbau.
Denken Sie bitte an die Zeit Ihrer Kollegen.
Und das muss ins Gesetz. Sonst ist es das Papier nicht wert, auf dem es steht.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Daldrup [SPD]: Eine Rede ohne einen einzigen Vorschlag! Bemerkenswert! – Gegenruf des Abg. Roger Beckamp [AfD]: Machen wir gleich! Der kommt gleich von uns!)
Das Wort hat Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7614841 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen |