11.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 184 / Einzelplan 04

Bijan Djir-SaraiFDP - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Welt, die sich derzeit dramatisch verändert: außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen, globale Veränderungen, wirtschaftliche Krisen, Kriege und Konflikte. Wenn wir in dieser komplizierten Welt in der Lage sein wollen, unsere Interessen zu vertreten und unsere Werte zu bewahren, dann müssen wir vor allem die wirtschaftliche Kraft unseres Landes wiederherstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir können heute schlecht einschätzen, wie die zahlreichen geopolitischen Herausforderungen sich in den nächsten Monaten entwickeln werden. Wir wissen nicht, wie der Krieg in der Ukraine sich entwickeln wird, weitergehen wird. Wir wissen nicht, wie sich die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten entwickeln werden. Und wir wissen nicht, was Ende des Jahres oder Anfang kommenden Jahres im Weißen Haus in den USA passieren wird. Aber eines wird völlig klar sein: Wir werden vermutlich eine Administration haben – unabhängig von der Frage, ob Demokraten oder Republikaner –, die eins uns ganz klar sagen wird: Der amerikanische Steuerzahler wird künftig nicht mehr die Bereitschaft haben, die Sicherheit oder die Sicherheitsarchitektur in Europa zu finanzieren. – Das wird, meine Damen und Herren, eine andere Welt werden, und auf diese Herausforderung müssen wir vorbereitet sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen die ökonomische Basis unseres Landes stärken. Dazu braucht Deutschland dringend eine Wirtschaftswende. Nur so sichern wir Wohlstand und können uns auch geopolitisch behaupten. Jetzt geht es darum, meine Damen und Herren, die Menschen, die Betriebe, die Unternehmen in unserem Land zu entlasten und nicht zu belasten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt geht es darum, Bürokratie abzubauen. Jetzt geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Jetzt geht es darum, private Investitionen in Deutschland zu ermöglichen.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Richtig!)

Und jetzt geht es auch darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen für das Erwirtschaften, weil viele in diesem Land vergessen haben, dass erst erwirtschaftet werden muss, bevor überhaupt verteilt werden kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wohlstand – auch wenn manche in Deutschland das leider glauben – ist kein Naturgesetz. Wohlstand müssen wir uns erarbeiten und erwirtschaften, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen brauchen wir Wachstum, deswegen brauchen wir Produktivität für den Wohlstand und nicht staatlichen Konsum und erst recht nicht steigende Sozialausgaben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Wir können nicht den Staatshaushalt mit immer mehr Sozialausgaben belasten und Handlungsspielräume weiter einschränken. Eine solche Politik würde das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland vernichten und die Zukunftsperspektiven unserer jungen Generation eintrüben, meine Damen und Herren.

(Stephan Brandner [AfD]: Warum machen Sie das denn dann? Genau das tun Sie doch!)

Die Wirtschaftswende muss sich auch in der Haushaltspolitik des Staates widerspiegeln. Heute ist es notwendiger denn je, eine solide Finanzpolitik zu betreiben.

(Zurufe von der Linken)

Eine solide Finanzpolitik und eine kluge Wirtschaftspolitik sind zwei Seiten derselben Medaille. Nur mit soliden Finanzen schaffen wir einen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland, nur so können wir den Wohlstand erhalten und effektiv die Inflation in unserem Land bzw. die Inflation in Europa bekämpfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kommen wir zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor einem Jahr, im letzten Jahr im November. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass der eine oder andere in diesem Haus dieses Urteil bis zum heutigen Tag nicht gelesen hat – gelegentlich. Aber ich will es Ihnen noch einmal ganz klar sagen, auch für die haushaltspolitischen Diskussionen, die wir haben: Spätestens dieses Urteil hat uns deutlich gemacht, dass wir die Schuldenbremse in Deutschland nicht umgehen können. Wir können auch die Schuldenbremse nicht schleifen, sondern es ist die Aufgabe der Politik, es ist die Aufgabe der Regierung, die Schuldenbremse an der Stelle einzuhalten, meine Damen und Herren. Die Schuldenbremse ist ein Segen für die Politik

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja! – Zurufe von der Linken)

und zugleich Schutz vor denen, die glauben, dass das Geld des Staates eine beliebige Verteilungsmasse ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Steuereinnahmen des Staates sind das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, der Menschen und Betriebe in unserem Land, das nicht mit der Gießkanne vergossen werden darf. Die Schuldenbremse schafft ein Fundament für Investitionen und Zukunft und ist vor allem eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Ohne sie drohen künftige Generationen an den Schuldenbergen und rasant steigenden Kreditrückzahlungen zu ersticken, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der SPD)

Zur Wahrheit gehört auch: Wir reden heute über Reformen, die man vor 10 oder 15 Jahren hätte anpacken müssen. Das hilft nun nicht. Die Probleme haben wir jetzt. Deutschland ist nach wie vor ein Hochsteuerland. Wenn wir uns mit anderen Industrienationen und vor allem erfolgreichen Industrienationen vergleichen, werden wir feststellen, wie groß dieses Problem ist, und vor allem, was das für einen Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutet. Der deutsche Staat wird in diesem Jahr nahezu 1 Billion Euro an Steuereinnahmen haben – ein neuer Rekord. Gleichzeitig sind die Ausgaben in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. In einer solchen Situation auf eine Schuldenpolitik zu setzen, wäre toxisch für die Wirtschaft und die Gesellschaft in unserem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen ist es längst an der Zeit, auch gemeinsam über die Zukunft des Sozialstaates zu reden. Daran geht kein Weg vorbei. Der deutsche Sozialstaat ist eine große Errungenschaft, und darauf sind wir auch stolz. Niemand will den deutschen Sozialstaat kürzen. Dieses Ziel verfolgt zum Glück niemand in diesem Haus. Aber eins muss doch völlig klar sein: Eine moderne Sozialpolitik bedeutet, dass man nicht nur an diejenigen denkt, die die Hilfe benötigen, sondern auch gelegentlich an diejenigen denkt, die diese Hilfe finanzieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch das bedeutet soziale Gerechtigkeit, und ich hoffe, darüber sind sich alle in diesem Haus klar.

Meine Damen und Herren, eine haushaltspolitische Debatte besteht nicht nur aus Zahlen und Daten, sondern sie zeigt, wohin die Politik in Zukunft gehen will oder gehen soll. Hier geht es um das Vertrauen gegenüber dem Staat. Hier geht es auch darum, Vertrauen in dieser Situation aufzubauen, in einer Situation, in der das Land massiv verunsichert ist. Das sage ich auch mit Blick auf das gestrige Treffen: Es ist notwendig, dass gerade beim Thema Migration die Politik Handlungsfähigkeit zeigt. Wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung der Migrationspolitik. Das ist eine Kernfrage der Stabilität unserer Demokratie. Es darf keine Denkverbote geben in der Migrationspolitik. Ändert sich die Migrationspolitik nicht, wird unsere Demokratie einen enormen Schaden davontragen, meine Damen und Herren.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Menschen sind es leid und verlieren das Vertrauen in unseren Staat. Sie erwarten völlig zu Recht, dass Migration nach rechtsstaatlichen Kriterien erfolgt und begrenzt und kontrolliert wird. Hier geht es übrigens auch um mehr als nur das Thema Migration. Hier geht es um das Vertrauen gegenüber dem Staat. Hier geht es um das Vertrauen gegenüber den Institutionen des Staates. Deswegen gehört es auch dazu, dass Menschen, die kein Bleiberecht haben, konsequent abgeschoben werden. Ebenso müssen Menschen, die unsere Rechtsordnung mit Füßen treten und Straftaten begehen, Konsequenzen spüren und ausgewiesen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die derzeitige Migrationspolitik, meine Damen und Herren, überfordert das Land. Die derzeitige Migrationspolitik überfordert das Land sowohl qualitativ als auch quantitativ. Niemand darf jetzt einer Wende in der Migrationspolitik im Wege stehen und sie blockieren. Jeder muss jetzt seinen Beitrag leisten. Alles andere wäre nicht politikfähig.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich glaube – Herr Merz, ich sage es ganz offen –, dieses Thema ist weitaus größer als die Ampel. Und es gibt keine Ampel in der Migrationspolitik. Wir als FDP stehen Ihnen weitaus näher als unsere geschätzten Kollegen von der Koalition.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha! Auf einmal! – Zurufe von der Linken)

Deswegen müssen wir an der Stelle gemeinsam denken, Herr Merz. Es war ein Fehler, die Gespräche gestern zu verlassen. Aber ich will jetzt nicht zurückschauen. Mein Parteivorsitzender Christian Lindner hat Ihnen ein Angebot gemacht. Ich finde, dieses Angebot sollten Sie annehmen. Genau das, was mein Kollege Buschmann gestern gesagt hat, nämlich dass wir bereit sind, eins zu eins das umzusetzen, was die Union sagt,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

möchte ich an dieser Stelle wiederholen: Wir als FDP sind bereit, eins zu eins diese Dinge mit Ihnen umzusetzen. Als Generalsekretär der FDP gebe ich Ihnen mein Wort.

(Zuruf von der SPD: Toll! Super!)

Dieses Thema müssen wir anpacken.

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Ja, letzter Gedanke. – Herr Mützenich stellt sich bei jeder Gelegenheit hierhin und macht Ihnen Angebote, wie Sie gemeinsam die Schuldenbremse umgehen sollen. Darüber können Sie natürlich nachdenken; das ist Ihre Sache.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Wir machen Ihnen ein Angebot, mit Ihnen die Migrationskrise in Deutschland zu beenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir können uns ja vor Angeboten kaum noch retten!)

Thorsten Frei für die Unionsfraktion ist unser nächster Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614879
Wahlperiode 20
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
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