11.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 184 / Einzelplan 14

Kristian KlinckSPD - Verteidigung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Im Juli 1998 habe ich meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr angetreten. Wir hatten damals noch die Wehrpflicht, die, liebe CDU/CSU, die Grundlage unserer Landesverteidigung war, und ich habe viele großartige Kameradinnen und Kameraden kennengelernt. Wenn ich mich jetzt fragen würde, was meine Kameraden von damals heute von mir erwarten, dann wäre die Antwort, glaube ich, „Ehrlichkeit“; vor allem würden sie von mir Ehrlichkeit erwarten. Und zur Ehrlichkeit gehört es, zu sagen, dass dieser Haushaltsentwurf zwar politisch das Bestmögliche ist, was in der jetzigen politischen Situation, unter den jetzigen Umständen erreicht werden konnte, dass die Mittel aber angesichts der Bedrohung, der wir gegenüberstehen, bei Weitem nicht ausreichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sicherheit ist die Grundlage jedes Staates und jeder Gesellschaft. Niemand investiert dort, wo die Sicherheit gefährdet ist. Niemand kann dort unbeschwert leben. Dabei ist Sicherheit auch ein Kernanliegen der Sozialdemokratie. Gerade die Menschen, die auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen sind, die beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel für den Arbeitsweg nutzen, die sich nicht durch ein großes Vermögen Sicherheit kaufen können, gerade diese Menschen brauchen Sicherheit. Deswegen ist es die besondere Verantwortung jeder sozialdemokratisch geführten Regierung, alles Erdenkliche zu tun, um die Sicherheit zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Bedrohungen unserer Sicherheit sind immens. Wir stehen hybriden Angriffen, Spionage und einer Aufrüstung durch Russland gegenüber. Auch vor der Unterstützung unseriöser Politiker in Deutschland schreckt Putin nicht zurück. Putin hat – es wurde schon erwähnt – auf Kriegswirtschaft umgestellt. Die russische Produktion an Panzern, Artillerie und Raketen steigt. Putin baut Reserven auf, und er schaut auf NATO-Gebiet.

Ja, die Ampelkoalition hat viel erreicht. Sie hat Gesetze geändert, Prozesse beschleunigt und mit der Unterstützung der Union das Sondervermögen geschaffen. Der erste schwere Waffenträger, Boxer, kommt 2025, die erste F-35 2026, der erste schwere Transporthubschrauber 2027. Das sind Erfolge.

Doch wir dürfen jetzt nicht in der Mitte der Zeitenwende stehen bleiben.

(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen unsere Verteidigung weiter stärken. Wir brauchen eine Vollausstattung unserer Kampfbataillone und müssen durchhaltefähig werden. Die Industrie braucht Planungssicherheit durch langfristige Verträge. Es müssen kontinuierlich Rüstungsgüter zulaufen. Ebenso brauchen wir eine starke Personalreserve. Es müssen mehr Menschen eine militärische Ausbildung erhalten. Das von Minister Boris Pistorius vorgeschlagene Wehrdienstmodell wird ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Ich hoffe, dass wir das Modell schon bald mit einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag verabschieden werden, und ich freue mich, dass es von den Grünen und der FDP dazu positive Signale gibt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich persönlich halte es für überlegenswert, das Modell anschließend in Richtung einer Dienstpflicht weiterzuentwickeln. Die Gesellschaft ist heterogener geworden. Das Gemeinsame in der Gesellschaft ist ein Stück weit verloren gegangen. Es gibt gute Gründe, zu sagen, das Gemeinsame sollte durch einen gemeinsamen Dienst wiederhergestellt werden. Wir sollten darüber sprechen, im Deutschen Bundestag und mit den Jugendverbänden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Ziel unserer Politik ist der Frieden. Wir müssen kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen. Kämpfen zu können, schließt Diplomatie und Völkerverständigung nicht aus – im Gegenteil, es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Gegenseite gesprächsbereit wird. Doch dazu müssen sich Sicherheit und Verteidigung im Haushalt niederschlagen und dürfen nicht an buchhalterischen Überlegungen scheitern. Und in diesem Zusammenhang sind manche Wortbeiträge aus der liberalen und der christdemokratischen Partei angesichts der aktuellen geopolitischen Situation unangemessen. Wenn die Schuldenbremse thematisiert wird, werden Erklärungen gegeben, warum bestimmte Dinge nicht gehen. Wenn Roosevelt oder Churchill so gedacht hätten, würde Europa heute anders aussehen.

(Karsten Klein [FDP]: Wir sind aber nicht im Zweiten Weltkrieg!)

Hatten die Vereinigten Staaten nach Pearl Harbour einen ausgeglichenen Haushalt? Hatte Großbritannien nach Dünkirchen einen ausgeglichenen Haushalt?

(Karsten Klein [FDP]: Das war im Zweiten Weltkrieg! In dem sind wir nicht!)

Wenn wir angegriffen werden, wird es viel teurer, und da spreche ich noch gar nicht von menschlichem Leid. Es darf keinen Verteidigungshaushalt nach Kassenlage geben. Hier muss sich der Deutsche Bundestag auf seine Verantwortung besinnen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwarte, dass die Koalition hier eine Lösung findet. Dabei möchte ich jedoch sagen, dass der Staat sich nicht ohne jede Grenze verschulden kann. Bereits eine konsequentere Nutzung der vorhandenen Instrumente des Grundgesetzes würde uns bei der Stärkung der Bundeswehr helfen. Darüber hinaus bindet die Verpflichtung, Lösungen zu finden, selbstverständlich alle Koalitionspartner, und sie erstreckt sich auf alle Politikfelder. Auch Fortschritte bei Digitalisierung und Bürokratieabbau können unsere Sicherheit voranbringen, indem sie unsere wirtschaftliche Grundlage stärken.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Es lässt sich ein Konzept für die Stärkung unseres Gemeinwesens und unserer Sicherheit formulieren, hinter das sich eine breite Mehrheit im Bundestag stellen kann. Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag haben eine Verantwortung für unsere Bundeswehr und für unsere Soldatinnen und Soldaten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen diese Verantwortung sehr ernst, und ich glaube fest daran, dass eine sehr, sehr große Mehrheit hier im Hause das auch so sieht. Verantwortung für Deutschland, das heißt, für die Menschen in Deutschland Sicherheit zu schaffen, im Innern und nach außen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klinck. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch aus der Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7614936
Wahlperiode 20
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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