Nancy Faeser - Innere Sicherheit, Migrationspolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Vor knapp zwei Wochen erreichten uns die furchtbaren Nachrichten aus Solingen über die islamistische Tat, bei der drei Menschen brutal ermordet und acht Menschen schwerst verletzt wurden. Ich möchte zu Beginn dieser Debatte der Opfer gedenken und den Angehörigen der Opfer mein tief empfundenes Beileid aussprechen. Ich denke auch an die Verletzten. Herzliche Genesungswünsche von dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und dem BSW sowie bei Abgeordneten der AfD)
Meine Damen und Herren, diese furchtbaren und brutalen Morde durch einen Islamisten haben uns zutiefst erschüttert. Wir dürfen nach dieser Tat nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen und als Bundesregierung, als Parlament für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger das tun, was wir können, und das auch umsetzen. Das tun wir mit dem heutigen Gesetzespaket. Ich bin den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Grünen und der FDP sehr dankbar, dass sie diesen Punkt heute aufgesetzt haben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dieses Sicherheitspaket erfüllt das fundamentale Versprechen unseres freiheitlichen demokratischen Staates, für die Freiheit und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Und ich sage gleich dazu – das gehört auch zur Ehrlichkeit in einer solchen Debatte –: Hundertprozentige Sicherheit kann es in einem freien und offenen Staat nie geben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: In einer Diktatur auch nicht!)
– Das stimmt, Herr Merz; da bin ich ganz bei Ihnen. Das gibt es auch in autokratischen Staaten nicht. – Wir dürfen und wir werden nicht zulassen, dass dieses Versprechen infrage gestellt wird durch extremistische Gewalttäter, durch brutale Angriffe auf unschuldige Menschen, die sich auf den Schutz des Staates verlassen.
Mörderische Attacken, wie wir sie in Solingen und Mannheim erlebt haben, verlangen klare Antworten. Und diese Antworten geben wir.
(Beatrix von Storch [AfD]: Kampf gegen rechts!)
Dazu zählen Grenzkontrollen, die ich vor drei Tagen an allen deutschen Landesgrenzen angeordnet habe.
(Beatrix von Storch [AfD]: Existieren gar nicht!)
Ich will dazu sagen: Die Auswirkungen auf den Pendlerverkehr und den Warenverkehr durch diesen Eingriff werden wir so gering wie möglich halten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Man weiß ja, wen man kontrollieren muss!)
Bei den Kontrollen an diesen Landesgrenzen werden wir verstärkt Zurückweisungen machen, so wie wir das bei den bisherigen Grenzkontrollen schon tun. Wir haben bereits 30 000 Zurückweisungen seit letztem Oktober. Sie sehen also: Unsere Maßnahmen wirken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Bundesregierung tun wir das, was praktisch nötig und rechtlich möglich ist, um für die Sicherheit der Menschen in Deutschland zu sorgen. Wir erweitern die Instrumente unserer wehrhaften Demokratie, um Straftaten zu verhindern, aufzuklären, aber auch stark zu sanktionieren. Unsere Maßnahmen umfassen:
Erstens: Änderungen im Waffenrecht. Waffen haben in den Händen von Extremisten, Terroristen und Kriminellen nichts zu suchen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Die morden mit Messern!)
Deshalb müssen wir Extremisten davon fernhalten, wir müssen sie ihnen wegnehmen, und zwar schnellstmöglich. Das machen wir den Behörden leichter, nicht zuletzt, indem wir den Informationsaustausch zwischen den Behörden verbessern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dem besonderen Risiko, das von Messerangriffen ausgeht, wirken wir entgegen, indem wir an Orten wie beispielsweise Volksfesten oder Stadtfesten ein absolutes Messerverbot einführen, unabhängig von der Klingenlänge.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ein Mordverbot sollten Sie einführen! Ein Mordverbot!)
Die Länder werden ermächtigt, solche Verbote auch an besonders kriminalitätsbelasteten Orten einzuführen, beispielsweise an Bahnhöfen. Die Einhaltung soll auch stichprobenartig kontrolliert werden, und dort, wo sie zuständig ist, natürlich auch durch die Bundespolizei.
(Beatrix von Storch [AfD]: Stichproben!)
Und ich will gleich dazusagen: Selbstverständlich gibt es Ausnahmen für diejenigen, die Messer beruflich benötigen, oder aus anderen wichtigen Gründen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens versetzen wir unsere Sicherheitsbehörden noch besser in die Lage, Islamismus zu bekämpfen. Lieber Herr Frei, lieber Herr Merz, ich hätte über diese Maßnahmen gerne auch mit Ihnen diskutiert. Ich will Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen: Unsere Hand ist ausgestreckt, als Koalition über erweiterte Maßnahmen bei der Sicherheit mit Ihnen zu diskutieren.
Wir wollen alle Formen von Terrorismus, Extremismus und Kriminalität bekämpfen. Dazu geben wir dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei die Möglichkeit, biometrische Daten von Gesichtern und Stimmen computergestützt mit dem Internet abzugleichen, beispielsweise mit sozialen Netzwerken. Das ist eine unschätzbare Hilfe, um festzustellen, wo sich mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige aufhalten, um ihre Pläne zu durchkreuzen oder um sie dingfest zu machen. Auch schaffen wir die Rechtsgrundlage, damit die Sicherheitsbehörden große Datenmengen automatisiert auswerten können, und machen ihre Arbeit damit besser, schneller und effizienter.
Wir verbessern darüber hinaus die Möglichkeiten unserer Behörden, Finanzermittlungen durchzuführen, und erweitern die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Um Terrorfinanzierung effektiver bekämpfen zu können, stellen wir auch sicher, dass Bankanfragen durch das BKA den Betroffenen nicht vorzeitig mitgeteilt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine gute Idee! – Tino Chrupalla [AfD]: Großartige Maßnahmen!)
Drittens sorgen wir dafür, dass insbesondere ausländische Straftäter und Gefährder unser Land auch wieder verlassen. Wie ernst wir das meinen, haben wir vor knapp zwei Wochen gezeigt, als wir erstmals wieder Straftäter nach Afghanistan abgeschoben haben, die hier in Deutschland auf schlimmste Art und Weise straffällig geworden sind.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Beatrix von Storch [AfD]: Ja, das war ganz toll! Zwei Tage vor den Wahlen!)
Wer unseren Schutz bekommt, meine Damen und Herren, darf ihn – das sage ich in aller Deutlichkeit – nicht missbrauchen, ansonsten muss er unser Land wieder verlassen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Wir erleichtern es mit den Maßnahmen aus unserem heutigen Paket, Personen auszuweisen, die Straftaten mithilfe von Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen begehen. Auch wer aus menschenverachtenden Motiven wie Antisemitismus, Rassismus, Homophobie oder Frauenhass zum Straftäter wird, muss damit rechnen, dass ihm der Schutz in Deutschland verweigert oder aberkannt wird. Wer als Schutzberechtigter in sein Heimatland zurückreist, verliert künftig seinen Schutzstatus.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei den sogenannten Dublin-Fällen, in denen ein anderer EU-Staat für ein laufendes Asylverfahren zuständig ist, erhalten die Ausreisepflichtigen keine weiteren Sozialleistungen mehr. Auch das ist eine wichtige Maßnahme.
(Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])
Wir handeln, um die Sicherheit Deutschlands weiter zu stärken. Dafür haben wir schon seit Beginn der Wahlperiode zahlreiche Maßnahmen umgesetzt,
(Beatrix von Storch [AfD]: Dafür haben Sie 5 Prozent in Sachsen gekriegt!)
und die Maßnahmen zeigen auch Wirkung, meine Damen und Herren. Unser umfassendes Paket für mehr und schnellere Rückführungen ist bereits seit Anfang des Jahres in Kraft. Die Rückführungszahlen sind seither um ein Fünftel gestiegen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Wow!)
Im Zuge unserer Grenzkontrollen weist die Bundespolizei im Rahmen des gesetzlich Möglichen bereits jetzt an Grenzen zurück. Ich sagte es eingangs: Wir haben 30 000 Zurückweisungen seit letztem Oktober. Ich bitte, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und nicht alles durcheinanderzuwerfen in diesen Debatten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wollen hier weiter vorankommen und sind für alle praktikablen Vorschläge jederzeit offen. Ich glaube, das haben wir auch gezeigt, Herr Frei. Aber schon jetzt sieht man: Die Zahlen im Asylbereich gehen zurück. Es gab ein Drittel weniger Asylanträge im August 2024 im Vergleich zum August vor einem Jahr.
Das ist aber längst nicht alles. Wir beschleunigen und digitalisieren die Asylverfahren. Wir setzen das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem schnell um,
(Zuruf von der AfD: Das bringt überhaupt nichts!)
um die Kontrollen der EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung in Europa zu erreichen. Wir steuern, wir regeln und bringen Humanität und Ordnung zusammen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Sie müssen begrenzen und beenden und nicht steuern und regeln!)
All das zeigt: Die Bundesregierung handelt mit Augenmaß, aber auch mit der notwendigen Härte. Warum tun wir das dieser Tage?
(Beatrix von Storch [AfD]: Weil Wahlen in Ostdeutschland sind! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denken Sie an Ihr Herz, Frau von Storch! – Gegenruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD]: Sie haben ja gar keins!)
– Nein, nicht weil Wahlen sind. Das zeigt aber auch, wie Sie diese Debatte führen: Sie reden von Wahlen, während wir davon reden, wie wir die Menschen in unserem Land schützen, meine Damen und Herren;
(Beatrix von Storch [AfD]: Ja, natürlich!)
das muss man, glaube ich, einmal sagen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Zwei Tage vor den Wahlen! Drei Tage danach haben Sie es wieder vergessen!)
Wir tun das mit aller Sachlichkeit. Wir tun es, ohne Ressentiments zu schüren. Aber ja, wir kümmern uns darum, weil der Täter nicht nur ein Islamist war, sondern ein vollziehbar ausreisepflichtiger Asylbewerber. Deswegen haben wir ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt.
Ich darf mich noch einmal bedanken, Herr Frei, bei Ihnen und auch bei Frau Lindholz; noch einmal gute Besserung an sie. Wir hatten sehr gute Gespräche. Ich würde gern, Herr Throm, Herr Hoffmann, daran anknüpfen. Die Tür ist jederzeit offen. Aber offensichtlich hat die gute Atmosphäre bei uns in den Gesprächen nicht das widergespiegelt, was bei Herrn Merz im Drehbuch stand.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Die Tür ist weiterhin offen, meine Damen und Herren. Wir sind bereit, mit Ihnen darüber zu reden: jederzeit, bei allem – das betone ich noch mal; ich bitte, mir zuzuhören –, was rechtlich möglich ist und auch tatsächlich umsetzbar. Wenn wir – das erlaube ich mir, in Richtung der Union zu sagen – nicht die Möglichkeit haben, das durchzusetzen, sowohl im Tatsächlichen wie im Rechtlichen, dann machen wir den Menschen etwas vor,
(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Unglaublich!)
geben ein Versprechen, das nicht erfüllt werden kann. Deswegen treffen wir Maßnahmen, die tatsächlich funktionieren und Erfolge bringen werden.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Thorsten Frei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7614977 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Innere Sicherheit, Migrationspolitik |