Andreas AudretschDIE GRÜNEN - Innere Sicherheit, Migrationspolitik
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen hier heute aus Anlass eines schrecklichen Terroraktes eines islamistischen Attentäters, und das Erste, was man an dieser Stelle machen muss, ist, einen Gedanken an die zu richten, die Opfer dieses Terroranschlags waren und an die Verbliebenen, an die Familien, denen so großes Leid zugefügt wurde.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Zweite, was man machen muss, ist, darüber zu sprechen, was mehr Sicherheit in dieses Land bringt. Da ist eines auffällig, wenn man sich die Debatte hier anschaut, die ich mir jetzt in den verschiedenen Facetten zu Gemüte geführt habe: Irene Mihalic hat über Sicherheit geredet; Konstantin von Notz hat über Sicherheit geredet; die Innenministerin hat über Sicherheit geredet; auch der Justizminister hat über Sicherheit geredet. Es gibt eine Fraktion
(Gereon Bollmann [AfD]: AfD!)
unter den demokratischen Fraktionen hier im Deutschen Bundestag, die nicht über Sicherheit geredet hat, und das ist die Union.
Es gab keine Forderungen in der Frage von Sicherheit in diesem Land von Ihrer Seite.
(Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Natürlich!)
Das Einzige, worüber Sie geredet haben, ist Migration.
(Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Hören Sie auch mal zu bei Reden? – Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Und dabei haben Sie ignoriert, dass in den letzten Jahren ein Krieg in der Ukraine tobt, losgetreten von Wladimir Putin, und dass aus diesem Grund mehr Geflüchtete zu uns nach Deutschland gekommen sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Genau das spiegelt sich auch in Ihrem Antrag wider. Ich habe mir den, der uns gestern erreicht hat, angeguckt: Nicht eine einzige Forderung zum Thema Sicherheit. Sie haben sich noch nicht mal die Mühe gemacht, irgendetwas zum Thema Sicherheit aufzuschreiben. Da steht nichts drin. Ich kann nur jedem raten, sich diesen Antrag mal anzugucken:
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Gesetzentwurf! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dann schauen Sie sich mal den Gesetzentwurf an! – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)
nicht eine einzige Forderung dazu. Sie sagen hier viel, das, was Sie übrigens schon seit langer Zeit gefordert haben, aber Sie machen es nie konkret. Sie schreiben es nie auf. Sie sagen nie, wie es gehen soll, auch nicht in Ihrem Antrag.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Throm [CDU/CSU]: Was haben Sie die letzten drei Jahre gemacht? – Dr. Yannick Bury [CDU/CSU]: Falsch! Schlicht falsch!)
Ein zweiter Punkt. In Ihrem Antrag schaffen Sie nicht ansatzweise eine Differenzierung zwischen den Opfern des IS-Terrors auf der einen Seite und den IS-Terroristen auf der anderen Seite selber – nicht ansatzweise!
Einige Tage nach dem schrecklichen Anschlag von Solingen war ein Kamerateam der ARD in der Unterkunft, in der auch der Attentäter gelebt hat. Das Kamerateam hat dort einen Jesiden interviewt, einen Jesiden, der vor dem IS-Terror geflohen war und in der gleichen Unterkunft lebte. Dieser Jeside hat gesagt: Er kann nicht glauben, dass er Tür an Tür mit einem Terroristen in der Unterkunft war. Und er hat eingefordert, an dieser Stelle mehr Schutz zu kriegen. Der Unterschied liegt darin, ob man zwischen den Terroristen und denen, die von Terror betroffen sind, differenziert oder nicht. Und offensichtlich sind Sie nicht dazu in der Lage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nadine Heselhaus [SPD])
Sie haben am 18. Januar 2023 hier mit uns zusammen einen Antrag verabschiedet, der den Völkermord an den Jesiden anerkennt. Ich frage Sie: Was sind Ihre Unterschriften wert, Herr Dobrindt, Herr Merz, wenn Sie jetzt nicht mehr in der Lage sind, diese Unterscheidung zu machen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein dritter Punkt. Das, was Sie in Ihrem Antrag tatsächlich schreiben, das, was man dort lesen kann – das ist der einzige Punkt –, ist, dass Sie die Grenzen innerhalb Europas komplett dichtmachen wollen. Das ist das, was dort steht: dass Sie in Kauf nehmen, dass wir Staaten wieder gegeneinander aufbringen, dass Sie Schlagbäume und Grenzkontrollen mitten in Europa in Kauf nehmen. Das ist die Gefährdung des großen Friedens- und Wohlstandsprojektes, das einst auch von Ihrer Partei einmal vorangetrieben wurde, das, was Konrad Adenauer vorangetrieben hat, das, was Helmut Kohl vorangetrieben hat. Das, was Sie machen, ist, das einzureißen, was eigentlich mal große Tradition auch der CDU/CSU war.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])
Ich möchte mich auf diesen dritten Punkt konzentrieren. Die Freizügigkeit von Menschen, Waren, Dienstleistungen ist eine Errungenschaft in Europa, die uns Wohlstand gebracht hat.
(Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Den Sie zerstören!)
Dieses offene Europa werden wir Grüne nie infrage stellen. Es ist die Lebensversicherung vor dem Hintergrund eines Diktators mit dem Namen Wladimir Putin. Es ist die Lebensversicherung bei der Sicherheitsfrage, und es ist die Sicherung dafür, dass wir hier auch in Zukunft in Wohlstand leben können. All das bringen Sie in Gefahr. All das stellen Sie aus populistischen Gründen infrage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])
Das bedeutet auch, dass man innerhalb Europas zu Absprachen kommt, dass wir alles, was wir tun, in Europa gemeinsam besprechen können und dass wir kein Gegeneinander haben. Das gilt auch bei der Frage des Existenzminimums. Das Existenzminimum in einem Land zu streichen und Leute in Richtung anderer Länder loszuschicken, wird doch nicht dazu führen, dass diese Menschen nicht mehr da sind, sondern es wird dazu führen, dass Menschen im Grenzgebiet unterwegs sind, zwischen Staaten, und nicht aufgenommen werden. Der österreichische Innenminister, der aus Ihrer eigenen Parteienfamilie kommt, hat angekündigt, diese Menschen, die nicht wissen, wovon sie leben sollen, die nicht wissen, wo sie am Abend schlafen sollen, nicht aufzunehmen. Das führt nicht zu mehr Sicherheit. Stellen Sie sich das mal plastisch vor! Das führt zu mehr Unsicherheit genau in diesen Regionen. Das ist deswegen nicht möglich.
Wir werden in der Umsetzung des Gesetzes genau prüfen, wie wir an dieser Stelle vorgehen, dass wir es kooperativ machen und dass wir Europa auch an dieser Stelle nicht in Gefahr bringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [Die Linke])
Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Das, was es braucht, um Lösungen in so schwierigen Fragen zu finden, ist Besonnenheit und Kooperation. Und offensichtlich ist Friedrich Merz charakterlich nicht in der Lage, in einem komplexen Umfeld wie Europa zu agieren.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit ist das! – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Das können Sie jetzt mal anschauen, Frau Präsidentin! Unglaublich! Unfassbar!)
Das können Sie in der Opposition. Offensichtlich sind Sie nicht der Charakter dafür, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also, so wird das nicht funktionieren! – Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU] – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie mal Ihren eigenen Rednern zu, was die hier ablassen!)
Als Nächste hat das Wort für die Gruppe Die Linke Janine Wissler.
(Beifall bei der Linken)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 20 |
Session | 185 |
Agenda Item | Innere Sicherheit, Migrationspolitik |