Tino SorgeCDU/CSU - Gesundheit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesgesundheitsminister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrer Redezeit hier mal konkret über den Haushalt geredet hätten.
(Martin Reichardt [AfD]: Nein, nein!)
Aber dass Sie sich wirklich hierhinstellen und die Chuzpe haben, nachdem Sie in den letzten beiden Legislaturen mit uns zusammen regiert haben, hier so zu tun, als würde es jetzt mit der Digitalisierung vorangehen,
(Heike Baehrens [SPD]: Ganz genau!)
weil Sie endlich den gordischen Knoten zerschlagen, ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Sichert [AfD] – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist halt der Fall!)
Ich kann Ihnen nur sagen: Wir saßen in der letzten Legislaturperiode zusammen, als es genau um die Frage ging, ob wir im Gesundheitssystem Daten besser nutzen können. Sie saßen in der finalen Besprechung zum Forschungsdatengesetz am Verhandlungstisch und haben gesagt, Sie wollen das nicht. Damals standen Sie vor Ihrer Bundesvorstandswahl, wollten Bundesvorsitzender werden und hatten Angst, dass die Diskussion aufkommt, die bösen Unternehmen würden Daten nutzen. Sie haben es blockiert. Sich jetzt hierhinzustellen und zu sagen: „Jetzt geht es endlich los“, das ist an Doppelzüngigkeit wirklich nicht zu überbieten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich hätte mir gewünscht – das will ich ganz klar sagen –, dass Sie hier mal sagen, wo diese konkreten Strukturreformen sind. Wo sind sie denn? Wir reden über eine Krankenhausstrukturreform. Wir waren am Montag zusammen beim Krankenhausgipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können wir mal über das Thema sprechen?)
Da haben Ihnen alle Akteure unisono gesagt: Diese Reform wird so, wie Sie sie machen wollen, mit dem Kopf durch die Wand, nicht funktionieren. – Und Sie stellen sich hierhin und sagen: Die Reform ist auf einem guten Weg. Wir kriegen das hin. Alles in Butter. – Mehr Realitätsverweigerung geht wirklich nicht mehr in dieser Ampel.
(Beifall bei der CDU/CSU – Simone Borchardt [CDU/CSU]: Das sieht man ja an den Wahlergebnissen! – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lieber Tino Sorge, du redest jetzt aber auch nicht exakt zum Haushalt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen mal ganz konkret sagen, wie Sie in der Ampel agieren.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hatten Sie nicht gerade „Haushalt!“ angemahnt?)
Ihr Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – da drüben sitzt er – hat am 27. Mai auf eine Frage zur Pflegereform gesagt:
„Eine umfassende Finanzreform in der Pflege wird in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nicht mehr zu leisten sein.“
(Heike Baehrens [SPD]: Aber Sie haben eben was anderes gehört!)
„Dafür liegen die Ansichten zu weit auseinander. Im Übrigen würde dafür auch die verbleibende Zeit nicht reichen.“
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch kein Haushaltstitel!)
Und wissen Sie, was drei Tage später passiert ist? Da hat Ihr Bundeskanzler Olaf Scholz sich erinnert und gesagt, doch, man müsse diese Aufgabe angehen und man solle sich dieser Debatte stellen. Dann hat es noch mal einen Monat gedauert, bis die 180-Grad-Wende Ihres Ministers kam und er gesagt hat: So, jetzt machen wir doch eine Reform.
(Heike Baehrens [SPD]: Was ist denn das für ein Klein-Klein, das Sie hier inszenieren?)
Und wissen Sie, wie lange wir im Parlament auf diese Vorschläge schon warten? Fast zwei Jahre. Das sind Strukturreformen, die Sie machen wollen, aber nicht angehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber eigentlich ist es gut, dass wir das machen, oder nicht?)
Wenn Ihre Haushaltspolitik sich darauf beschränkt, hier Ankündigungen zu machen, dann sollten Sie, wenn Sie schon nicht der Opposition glauben, doch wenigstens dem Bundesrechnungshof glauben. Egal was Sie in haushalts- oder finanzpolitischen Dingen ankündigen: Entweder wird es vom Bundesverfassungsgericht gestoppt – ich darf nur daran erinnern: der Haushalt 2024 war verfassungswidrig, beim Haushalt 2025 gab es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken –, oder der Bundesrechnungshof sagt Ihnen, alle Vorschläge, die Sie machen, sind höchst bedenklich. Das ist im Grunde symptomatisch für Ihre Politik. Das ist eine Bankrotterklärung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Eijeijei!)
Weil Sie immer fragen, was wir als Union anders machen würden – ich kann es Ihnen sagen –: Wir würden dem Gesundheitswesen den Druck nehmen. Machen Sie doch endlich mal, was Sie im Koalitionsvertrag festgelegt haben!
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haushalt!)
– Ja, „Haushalt“, Frau Piechotta. 10 Milliarden Euro für Bürgergeldbezieher, direkt ins System,
(Beifall bei der CDU/CSU)
10 Milliarden Euro Entlastung! Lassen Sie uns darüber sprechen, ob man eine Senkung der Arzneimittelumsatzsteuer vornimmt! Das wären noch mal 5 bis 6 Milliarden Euro.
(Heike Baehrens [SPD]: Wenn die CDU etwas fordert, was sie definitiv selbst nicht macht!)
Das heißt, wir könnten 15 Milliarden Euro an Entlastungen heute hier sofort beschließen. Aber Sie wollen es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie versprechen seit Jahren Strukturreformen, ob in der GKV oder in der Pflege. Ich frage mich auch, Herr Minister: Wie viele Brandbriefe von wie vielen Akteuren brauchen Sie denn noch? Wie oft müssen Ihnen denn die Leute noch sagen: „Das geht so nicht“? Wie oft wollen Sie denn noch die Beiträge erhöhen? Und vor allen Dingen: Wie hoch sollen die Eigenanteile in der Pflege noch steigen, bis Sie endlich eine Reform hier vorlegen, über die wir ernsthaft diskutieren können?
Ich sage Ihnen auch ganz klar: Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland – in Thüringen, in Sachsen – haben wir gesehen, dass für viele Menschen Gesundheitsversorgung auch ein wahlentscheidendes Thema ist. Deshalb kann ich nur an Sie appellieren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel: Dieses Nichtstun, dieses Verschieben, dieses Hin und Her wird zum Risiko für Glaubwürdigkeit, für Akzeptanz der Politik. Deshalb: Nutzen Sie diese Haushaltsberatungen, um endlich gegenzusteuern!
(Marianne Schieder [SPD]: Eine schlechte Rede ist nicht förderlich!)
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Tun Sie das, um Vertrauen und Verlässlichkeit zurückzugewinnen! Wenn Sie es nicht können, dann sagen Sie es und hören endlich auf zu regieren.
Tschüs!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Sorge. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Paula Piechotta, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615030 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |