Svenja Schulze - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wurde in den letzten Wochen ziemlich oft gefragt, ob ich denn zufrieden sei mit der Haushaltseinigung. Wir haben eine gemeinsame Lösung gefunden; das ist gut. Und: Ja, ich bin zufrieden damit, dass wir uns einigen konnten. Und: Ja, mit einem BMZ-Etat von über 10 Milliarden Euro und damit gut 2 Prozent des Bundeshaushaltes bleibt Deutschland ein wichtiger Partner in der Welt. Aber es ist viel weniger Geld, als die internationale Zusammenarbeit eigentlich bräuchte.
So werden wir uns in wichtigen Bereichen nicht mehr auf dem gewohnten Niveau engagieren können wie in den letzten Jahren. Wir werden auf neue, auf unerwartete Krisen nicht mehr so konsequent reagieren können – Krisen ausgelöst durch Dürre, durch Hochwasser, durch Konflikte oder ausbrechende Krankheiten in den eh schon besonders gebeutelten Regionen.
Hinzu kommt die, wie ich finde, wirklich problematische Art der Debatte: Falschdarstellungen, Verkürzungen und der miefige Geruch von Deutschtümelei und Isolationismus. Das ist wirklich zerstörerisch und vor allen Dingen für den Zusammenhalt der Menschen in unserem Land schlecht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Claudia Raffelhüschen [FDP] – Peter Boehringer [AfD]: In der Welt! In der Welt, meinen Sie, die Weltgemeinschaft!)
Ich will der Union ausdrücklich danken, dass Sie nach einigen Ausrutschern wieder zu einer Versachlichung bei der entwicklungspolitischen Diskussion beigetragen hat.
(Peter Boehringer [AfD]: Diese Pseudointellektualität, die Sie hier demonstrieren, das ist so peinlich!)
Mein besonderer Dank gilt da den Kollegen Hermann Gröhe und Volkmar Klein. Ich würde mir wünschen, dass wir, wenn wir einmal kurz die Debatte von gestern reflektieren, auch in anderen wichtigen Themen wie der Migration wieder zu solchen sachlichen Debatten kommen würden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Boehringer [AfD]: Unbedingt! – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Ja, Frau Kollegin, das können wir nur zurückgeben!)
Wir leben in einer Zeit der Hitzesuperlative weltweit, aber auch in Deutschland. Auch dieser Sommer war wieder der heißeste seit 1991.
(Peter Boehringer [AfD]: Nein, seit 100 000 Jahren! – Jörn König [AfD]: Seit 125 000 Jahren ist doch das Narrativ!)
– Das können Sie nicht wegdiskutieren, sehr geehrte Herren von der AfD!
(Peter Boehringer [AfD]: Sie können das! Das ist so absurd, was Sie hier behaupten! Sie glauben das selbst nicht! Sie wollen den Menschen ihre Lebenserfahrungen wegdiskutieren! – Jörn König [AfD]: Angst, Angst, Angst, Angst, Angst und schön Panik verbreiten!)
Die Landwirtschaft hat enorm gelitten. Es gab mehr Unwetter. Die Zahl der Hitzetoten ist gestiegen, und dagegen müssen wir als Weltgemeinschaft gemeinsam vorgehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Dieser Moralismus! Sie werden an Ihrem eigenen Moralismus ersticken!)
– Auch wenn Sie von der AfD das nicht wahrhaben wollen:
(Jürgen Braun [AfD]: So ist es eben, wenn man ersatzreligiös unterwegs ist! – Gegenruf des Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören, Herr Braun!)
Gegen internationale Problemlagen hilft nur internationale Zusammenarbeit. Den Klimawandel werden wir nicht in einem Land alleine bekämpfen können.
(Jörn König [AfD]: Ja, und die Radwege in Peru, die haben es gebracht!)
Und gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der die geopolitische Weltlage immer instabiler wird, in der wir gemeinsame Lösungen für Krisen, für Konflikte erst finden müssen.
Schauen wir da zum Beispiel mal nach Indien. Indien ist jetzt die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, und sie wächst wirklich rasant.
(Peter Boehringer [AfD]: Darum gab es auch 10 Milliarden Euro von Deutschland!)
Indien ist ein Land, an dem kein Weg vorbeiführt, wenn es darum geht, die globalen Probleme zu lösen, den Klimawandel abzuschwächen, der die Menschen überall auf der Welt trifft. Und wir wollen, nein, wir müssen sogar dafür sorgen, dass Indien nachhaltig wächst; denn wenn das bevölkerungsreichste Land der Welt – –
(Jörn König [AfD]: Wir müssen da gar nichts! Das muss Indien machen! Die haben eine eigene Regierung! – Gegenruf des Abg. Ottmar Wilhelm von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören! Hören Sie doch mal zu, Mensch!)
– Hören Sie doch einfach mal zu. Sie haben doch gleich auch Redezeit; dann können Sie das aus Ihrer Sicht erläutern.
Ich will Ihnen aber sagen: Wenn das bevölkerungsreichste Land der Welt sich nicht in Richtung Klimaneutralität entwickelt, dann wäre das ein Problem. Orientiert es sich an der Klimaneutralität, dann profitieren am Ende die Menschen in Indien, in Deutschland und in der gesamten Welt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Die lachen darüber nur! Faktenfrei, was Sie erzählen!)
Das ist aber noch nicht alles. Wir in Deutschland profitieren auch aus anderen Gründen von der Zusammenarbeit mit Indien.
(Jürgen Braun [AfD]: In der Wirtschaft! Aber nicht mit Steuergeldern!)
Jeder zweite Euro hierzulande wird im Export verdient. Unser Wohlstand und viele Arbeitsplätze in Deutschland beruhen auf unserem Status als Exportnation. Unser Wohlstand beruht darauf, dass andere Länder in Anlagen und in Infrastrukturen investieren und dabei eben auch Technologie „made in Germany“ nutzen.
In Indien hat mein Haus schon seit Jahrzehnten den Markt für erneuerbare Energien mit aufgebaut und für bessere Investitionsbedingungen gesorgt.
(Zuruf des Abg. Dr. Michael Espendiller [AfD])
Deutsche Unternehmen haben von diesem guten Ruf und diesen Investitionen profitiert, und sie tun es auch weiterhin. Sie kommen immer wieder bei den Ausschreibungen zum Zug, wie zum Beispiel bei der neuen Metrolinie im indischen Bundesstaat Gujarat.
(Peter Boehringer [AfD]: Das hat nichts mit Ihrer Politik zu tun! – Weiterer Zuruf von der AfD: Das wird immer weniger!)
Diese wurde durch die deutsche Entwicklungspolitik mit Krediten mitfinanziert. Es ist ein Geschäft, und zwar ein gutes Geschäft. Siemens produziert dafür die Technik und bringt damit Geld und Arbeitsplätze zu den Menschen hier in Deutschland.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das hat aber nichts mit irgendwelchen Klimadingen zu tun!)
Auch um solche Absatzmöglichkeiten wird es bei meinem Besuch in Indien in ein paar Tagen gehen, bei dem auch Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft mit dabei sein werden.
(Peter Boehringer [AfD]: Boah! Super!)
In den Beziehungen mit unseren Partnerländern haben wir in dieser Legislaturperiode die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsministerium und Wirtschaftsministerium intensiviert. Der Wirtschaftsminister und ich sorgen dafür,
(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Da sind wir ja gespannt, was jetzt kommt!)
dass die außenwirtschaftlichen Förderinstrumente und die Entwicklungszusammenarbeit besser Hand in Hand gehen, zum Beispiel eben beim Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft, von der sowohl wir als auch unsere Partnerländer profitieren werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das ist der Doppel-Wumms! Ihr könnt doch nicht mal bei uns irgendwelche Projekte hinstellen! Nicht mal das schaffen Sie! – Jörn König [AfD]: Noch so ein totgeborenes Kind!)
Frau Ministerin, ich halte mal die Uhr einen Moment an. – Wir sind in der Beratung des letzten Einzelplans für heute. Zu Debatten und zur Würze von Debatten – Haushaltsdebatten haben es verdient, dass sie auch leidenschaftlich geführt werden –
(Jürgen Braun [AfD]: Allerdings! Ja!)
gehören auch Zwischenrufe – allerdings keine Korreferate, die die Stenografen dann parallel zur Rede der Ministerin aufnehmen müssen. Ich bitte an bestimmten Stellen auch mal um Mäßigung und einfach darum, dass man sich mit Argumenten auseinandersetzt.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Das wäre ja schön!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig klar: Die Welt braucht internationale Zusammenarbeit. Die Menschen in Deutschland brauchen internationale Zusammenarbeit, und zwar mehr denn je. Es ist unsere moralische Verpflichtung, Menschen nicht einfach verhungern zu lassen und dazu beizutragen, dass sie weltweit unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Und neben diesem schlichten menschlichen Anstand gibt es eben auch wirtschaftliche und sicherheitspolitische Argumente dafür.
Schauen wir uns zum Beispiel China oder auch Russland an. Russland und insbesondere China engagieren sich in großem Maße im Globalen Süden, weil beide Staaten wissen, wie unverzichtbar wichtig andere Länder als Partner auf der geopolitischen Weltbühne sind. Und wir sind jedenfalls nicht bereit, diese Bühne diesen Ländern zu überlassen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörn König [AfD]: Da haben wir nichts zu suchen! Nichts!)
Die Beziehungen zum Beispiel zu rohstoffreichen Ländern sind für die Zukunft der Energieversorgung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland essenziell. Wenn wir künftig nicht alle Rohstoffe nur von China kaufen wollen, müssen wir unsere Partnerschaften pflegen und neue Handelsbeziehungen aufbauen – Handelsbeziehungen, die auf gerechten und gleichberechtigten Grundlagen basieren.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit macht genau das: Wir bauen Brücken, wir verbinden Regionen miteinander.
(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Nur unzureichend!)
Viele haben das übrigens verstanden. Sie setzen sich ein für mehr Zusammenarbeit: Bürgerinnen und Bürger, Engagierte in den Vereinen, in den Kirchen, in den Kommunen. Viele haben sich in der letzten Zeit mit guten Argumenten in die Diskussion mit eingebracht. Ich will auch hier im Bundestag vielen, vielen Dank sagen für diese großartige Unterstützung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Diese vielen Engagierten haben deutlich gemacht, dass internationale Entwicklungszusammenarbeit ein Gebot der Menschlichkeit ist und zugleich auch Grundlage für Wohlstand und Sicherheit in Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dieses Verständnis auch in die weiteren Beratungen tragen und Brücken bauen, jedenfalls mit denen, mit denen das geht!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Volkmar Klein das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615135 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |