12.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 185 / Einzelplan 23

Georg KippelsCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Schulze! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein schwarzer Tag für die deutsche Entwicklungspolitik. Lassen Sie uns zu Beginn meiner Ausführungen noch mal ganz kurz auf die harten Fakten schauen. Als ich im Jahre 2013 im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Arbeit aufnahm, lag das Budget bei 6,119 Milliarden Euro. 2021, am Ende der Periode von Minister Gerd Müller, lagen wir bei 12,425 Milliarden Euro.

Wo sind wir heute? Wir sind bei einem Minus von 25 Prozent; Volkmar Klein hat es eben gesagt.

(Zuruf des Abg. Ottmar Wilhelm von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber was besonders bemerkenswert ist – und das sollte zum Nachdenken Veranlassung geben –: Die Minderungsrate liegt bei 8,7 Prozent, während der Gesamthaushalt im Schnitt um 1,8 Prozent vermindert wurde. Dass das nicht nur der Opposition Veranlassung zum Nachdenken gegeben hat, sondern auch bei Mitgliedern der Ampel verstörend gewirkt hat, haben wir gestern an dieser Stelle in der Rede des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich gehört.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Gute Rede! Ja!)

Er selbst hat dieses Thema mit einem Seitenhieb auf den Finanzminister angesprochen, nämlich mit einem Hinweis auf die ja offensichtlich noch immer nicht ganz beerdigten Fusionsfantasien der FDP aus dem Jahre 2009, als es schon den ersten Versuch gab, das BMZ abzuschaffen.

Und zu den Grünen in dieser Diskussion, verehrter Herr Kollege Banaszak: Es nützt nichts, heute hier Krokodilstränen zu vergießen. Sie sind zwar wunderbar geschlossen, aber vollkommen wirkungslos. Insofern ist das mit Sicherheit kein Ansatzpunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Wo bleibt der Aufschrei der Ministerin? Nicht zu vernehmen!

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ihre Haushälter wollen ja noch mehr kürzen!)

Es ist nicht nur so, dass 2 Milliarden Euro in der absoluten Größenordnung vielleicht in Ansehung des Gesamthaushaltes von annähernd 500 Milliarden Euro überschaubar sind. Nein, die Signale und Symbole, die von diesen Kürzungen ausgehen, sind das bedeutende Problem. Ich will einige Löcher benennen, die gerissen worden sind und die sich aufgrund der Vorbildfunktion von Deutschland in dieser Konstellation immer weiter verstärken.

Beim GFATM waren ursprünglich für die nächste Auffüllkonferenz 1,3 Milliarden Euro vorgesehen. Jetzt sind es 1 Milliarde Euro. Bei GAVI sollten 750 Millionen Euro für den Auffüllzeitraum zur Verfügung gestellt werden.

(Peter Boehringer [AfD]: Es sollte minus 500 Millionen Euro geben! Ganz dringende Vollstreichung!)

Insider sehen nur noch eine Größenordnung von 400 Millionen Euro, also minus 30 Prozent. Bei der Global Polio Eradication Initiative, die momentan hervorragende Arbeit im Gaza leisten muss, auch unbedingt wichtige Arbeit leisten muss, eine Reduzierung von 46 Prozent. Der Höhepunkt der Unverständlichkeit liegt bei UNFPA: minus 18 Prozent. Wo bleibt denn da der Blick auf die feministische Entwicklungspolitik?

Es ist in Summe also im Grunde genommen eine Beerdigung erster Klasse der Arbeit des Ministeriums. Verehrte Frau Ministerin, Sie haben es eben angesprochen: Dieses Ministerium trägt ja zwei Namen: für Entwicklungspolitik bzw. Entwicklungshilfe sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie diesen Tätigkeitsbereich sehr stark betont und vor allen Dingen auch in Verbindung mit der globalen Gesundheit gebracht. Ausgeführt wurde bis zum heutigen Tage nichts. Die Lehren aus der Coronapandemie, dass insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent die Gesundheitssysteme unter Mitwirkung unserer Gesundheitswirtschaft stabilisiert und ausgebaut werden könnten und sollten, sind verhallt. Es ist zu keiner wirklich durchgreifenden Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gekommen.

Erinnern Sie sich bitte alle, wenn Sie in den nächsten Tagen und Wochen in die Beratungen gehen, an Seite 119 Ihres Koalitionsvertrages. Dort steht, dass die „ODA-Quote … mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens“ betragen soll. Selbst wenn wir die landesinternen Flüchtlingskosten, die ODA-fähig sind, hinzurechnen, kommen wir maximal auf 0,66 Prozent. Und ohne diese Kosten, also bei den echten ODA-Mitteln, sind wir bei 0,52 Prozent. Auch die Mittel für die Stärkung des Gesundheitssystems, die bei 0,1 Prozent angesetzt worden sind, werden nicht erreicht. Sie verletzen damit Ihre eigenen maßgeblichen Vorgaben. Und Sie enttäuschen damit nicht nur unmittelbar die Länder, in denen die Arbeit fortgesetzt werden müsste, die aber von den NGOs in Ermangelung der Mittel nicht fortgesetzt werden kann – so auch das Beschwerdeschreiben von VENRO –, sondern Sie unterbinden auf diese Art und Weise vor allen Dingen den Vorbildeffekt, der bei allen Auffüllkonferenzen immer dadurch zum Tragen kommt, dass mit den Geboten, die von Deutschland abgegeben werden, immer ein Wettbewerb der Zurverfügungstellung von Mitteln ausgelöst wird und auf diese Art und Weise ein Hebeleffekt entsteht, der den Projekten über die Jahre hinweg immer ganz erhebliche Spielräume und entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten verschafft hat.

Erinnern wir uns, dass es in der Entwicklungspolitik keinerlei Denkverbote geben darf. Es muss auch ständig eine Effizienzprüfung stattfinden. Aber, ich glaube, es ist auch an der Zeit, dass wir von einer angebotsorientierten auf eine nachfrageorientierte Entwicklungspolitik umsteigen müssen.

(Peter Boehringer [AfD]: Nachfrage gibt es bei der Definition unendlich!)

Die Entwicklungsländer haben klare Vorstellungen, an welcher Stelle und mit welchen Projekten sie ihre Entwicklung vorantreiben können. Fördern Sie den Austausch unter Einbindung der Politik! Dann könnte tatsächlich noch eine Verbesserung eintreten.

An dieser Stelle wünsche ich mir die leidenschaftlichen Entwicklungspolitiker der Sozialdemokraten zurück. Ein Sascha Raabe hätte sich an dieser Stelle mit diesem Ansatz mit Sicherheit nicht zufriedengegeben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Abdi für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615140
Wahlperiode 20
Sitzung 185
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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