Sanae AbdiSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kollegen von der CDU/CSU, es ist schon beeindruckend, wie märchenhaft Sie das heute vorgetragen haben. Ich wünschte, es wäre auch in Ihrer realpolitischen Äußerung ein bisschen mehr von diesem Enthusiasmus zu sehen, den Sie heute an den Tag gelegt haben.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Den Rest Ihrer Fraktion – vielleicht müssen Sie da noch ein paar Briefe mehr schreiben – haben Sie anscheinend noch nicht überzeugt. Aber vielleicht darf ich mir erlauben, an dieser Stelle noch zu sagen: Ich freue mich sehr, Herrn Dr. Stefinger wieder in Ihren Reihen zu sehen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben uns hier im Parlament in diversen Debatten immer wieder dessen versichert: Deutschland muss in diesen herausfordernden Zeiten als eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, als langjähriger verlässlicher Partner und als Stabilitätsanker in der EU seiner internationalen Verantwortung gerecht werden. Nun müssen wir mit Blick auf diesen Etat aber leider feststellen: Dieser Verantwortung werden wir so nicht gerecht.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Statt mit einem Mehr an internationaler Zusammenarbeit und einem Mehr an Verantwortung reagieren wir mit einem Weniger an weltweitem Engagement. Denn der Etat für Entwicklungspolitik verzeichnet mit einem Minus von – wir haben es heute gehört – knapp 937 Millionen Euro den stärksten Rückgang in absoluten Mitteln.
Lassen Sie mich die Auswirkungen dieser Kürzung im Etat des Entwicklungsministeriums an einem Beispiel deutlich machen, das gerade sehr gut in die aktuelle Migrationsdebatte passt. Es ist aus meiner Sicht absolut verantwortungslos, beim Thema Migration den Blick nur nach innen zu richten. Weltweit sind knapp 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Auch wenn einige hier gerade so tun, als ob Deutschland und Europa die größte Zahl an geflüchteten Menschen aufnähmen, ist die Realität eine ganz andere. Während wir als reiche Länder in Europa es nicht hinbekommen, Migration als eine notwendige Chance zu begreifen und entsprechend zu gestalten, und gleichzeitig über Fachkräftemangel klagen, schultern Entwicklungsländer wie Jordanien oder der Libanon den größten Teil der weltweiten Flüchtlingsaufnahme. Das ist die Realität.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ein wichtiger Teil unserer Entwicklungszusammenarbeit ist es, ebendiese Aufnahmeländer dabei zu unterstützen, damit die Menschen gar nicht erst gezwungen werden, sich auf lebensgefährliche Routen bis an unsere Grenzen zu begeben. Wenn wir Migration fair, gerecht und menschenwürdig regeln wollen, müssen wir die Fluchtursachen erfolgreich bekämpfen.
(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])
Und was sind diese Fluchtursachen? Warum machen sich denn Menschen auf den Weg aus ihrer Heimat? Warum verlassen sie ihre Familien, ihre Freunde, ihren Beruf?
(Jörn König [AfD]: Weil es hier so viele Pull-Faktoren gibt!)
Warum lassen sie das alles zurück, um sich auf diesen Weg zu begeben?
(Jörn König [AfD]: Weil es hier Bürgergeld gibt!)
Es sind die Folgen des Klimawandels, es sind Krisen, es sind Konflikte, es sind Kriege, die mit Leid und Perspektivlosigkeit einhergehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Knut Gerschau [FDP])
Es ist mal wieder bezeichnend, dass Sie von der AfD dabei den Kopf schütteln, weil Sie jeden Tag genau diese Engstirnigkeit an den Tag legen, weil Sie nicht weiter schauen. Sie leben vielleicht in einer Blase, wir tun das nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Knut Gerschau [FDP] – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Die Bekämpfung von Gewalt, von Konflikten, vom Klimawandel, von Ernährungskrisen, die Unterstützung der Aufnahme- und Herkunftsländer, die Bekämpfung weltweiter Pandemien – all das gelingt eben nur mit mehr Entwicklungszusammenarbeit und nicht mit weniger.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Die Coronamaßnahmen haben Menschenleben gekostet!)
Und wir sehen doch: Viele Belastungen im aktuellen Haushalt sind nicht in zu viel internationaler Zusammenarbeit begründet, sondern vielmehr darin, dass wir in der Vergangenheit unser Engagement so weit zurückgeschraubt haben, dass wir aktuell nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die Konsequenzen dessen bewältigen müssen.
Im Gegensatz zu den Oppositionsparteien, die Angst und Ressentiments innerhalb der Gesellschaft schüren, arbeiten wir an konkreten Antworten.
(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Sie schüren doch Ängste in der Gesellschaft, nicht wir! – Peter Boehringer [AfD]: Die „Antworten“ heißen Steuergeld!)
Aus meiner Sicht müssen diese Antworten langfristig mit genügend Haushaltsmitteln untermauert werden und dürfen nicht durch selbst auferlegte Sparzwänge auf wackeligen Beinen stehen. Perspektivisch müssen wir daher in Zeiten sinkender Mittel über innovative und alternative Finanzierungsinstrumente nachdenken. Denn Geld ist da, es ist aber sehr ungleich verteilt.
(Jörn König [AfD]: Deshalb die Superreichen enteignen, oder wie? Um Gottes willen!)
Es ist doch ein globales Phänomen, dass die Reichen immer reicher werden, während die Armen immer weniger haben. Hier müssen wir ansetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Den habe ich in den 70er-Jahren mal gehört, den Spruch!)
Ich unterstütze deshalb ausdrücklich die Initiative von Ministerin Svenja Schulze für eine globale Steuer für Hochvermögende, um die Einnahmen zum Beispiel in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherungssysteme zu investieren und die globalen Auswirkungen der Klimakrise sozial gerecht zu bewältigen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber ich sage auch ganz deutlich: Wenn wir unseren internationalen Verpflichtungen gerecht werden wollen und den globalen Herausforderungen angemessen begegnen wollen, werden wir außerdem um eine Reform der Schuldenbremse nicht herumkommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Statt die Ärmsten gegen die Ärmsten auszuspielen, müssen wir dafür sorgen, dass breite Schultern mehr tragen. Dafür setzen wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein, hier in Deutschland genauso wie im Rahmen unserer internationalen Zusammenarbeit. Verantwortung zu übernehmen, heißt, mutig zu sein. Und diesen Mut wünsche ich uns bei den Haushaltsverhandlungen.
Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615141 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 185 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |