Thomas RachelCDU/CSU - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine „Katastrophe“, „zutiefst unsolidarisch“ und „unverantwortlich“ – so bewerten die zivilgesellschaftlichen Organisationen entsetzt den Haushaltsentwurf der Ampel für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
(Nicolas Zippelius [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Mit Bestürzung und Entsetzen blicke auch ich auf die historisch beispiellose Kürzungswelle des Entwicklungsetats. Während die FDP erneut die Abschaffung des Entwicklungsministeriums fordert, schafft die Ampelregierung Fakten und baut das BMZ schrittweise ab. Unter den Bundesregierungen von Angela Merkel hatte die Entwicklungszusammenarbeit einen hohen Stellenwert. Der Etat wurde 15-mal erhöht und in der Summe verdreifacht.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Danke, SPD!)
Demgegenüber vollzieht die Ampelregierung eine Kehrtwende. Sie nutzt den Entwicklungsetat als Steinbruch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie von der Ampel kürzen ihn in drei Jahren in Folge insgesamt um mehr als 3 Milliarden Euro.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Eure Haushälter wollten doch noch mehr kürzen!)
Das ist Haushaltspolitik mit der Abrissbirne. Deutlicher kann die Geringschätzung für den langfristigen Kampf gegen den Hunger und die Armut nicht ausfallen. Was für ein fatales Signal. Sie schaden dadurch dem Ansehen und den Interessen Deutschlands.
Sehr geehrte Damen und Herren, jeder zehnte Mensch auf unserem Planeten hungert. Rund 120 Millionen Frauen, Kinder und Männer sind auf der Flucht. Doch wie antwortet die Bundesregierung darauf? Gerade im Kampf gegen die weltweite Armut kürzt sie massiv. Der wichtige Kernbeitrag für das UN-Welternährungsprogramm wird um mehr als die Hälfte gestrichen, von 58 Millionen Euro auf 28 Millionen Euro im nächsten Jahr.
Kollege Rachel, kleinen Moment. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Banaszak?
Gerne, Frau Präsidentin.
Vielen Dank, Herr Kollege Rachel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen; sie ist auch sehr kurz. – Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass es eine Steigerung der Geringschätzung – so haben Sie es gerade genannt – gibt? Ich meine zum Beispiel die Vorschläge Ihrer eigenen Haushälter. Immer dann, wenn es irgendwo ein Loch zu füllen gibt, wird auf die Entwicklungszusammenarbeit als einen Bereich verwiesen, in dem noch mehr gekürzt werden muss, weil es so schön opportun ist in der öffentlichen Debatte, die auch aus Ihrer Parteienfamilie geführt wurde. Der Generalsekretär der CSU war ja einer der Wortführer bei der Debatte um die Radwege in Peru, die diesen Brief erst notwendig gemacht hat. Stimmen Sie mir zu, dass es noch schlimmer geht, nämlich dann, wenn man Ihren Fraktionsspitzen folgen würde?
(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: So kurz war die Frage gar nicht!)
Ich stimme Ihnen nicht zu; denn machen wir uns doch nichts vor: Natürlich führen wir alle eine Debatte über die Prioritätensetzung. Aber das Schlimme ist, dass Sie als Ampel weder konzeptionell noch haushalterisch dem etwas entgegensetzen. Wenn eine tragende Fraktion Ihrer Koalition sogar die Abschaffung dieses Ministeriums fordert, ist das keine Grundlage, um im Parlament oder in der Bevölkerung Unterstützung für die so wichtige Entwicklungszusammenarbeit zu finden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich habe es angesprochen: Sie kürzen den Kernbeitrag des UN-Welternährungsprogramms um die Hälfte. Ich muss ehrlich sagen: Das macht mich fassungslos. Haben Sie aus den Jahren 2015, 2016 nichts gelernt, als die Kürzungen der UN-Nahrungsmittelhilfe zu den großen Flüchtlingswellen geführt haben, über die wir doch gerade in diesen Tagen und Wochen diskutieren? Das ist doch – vorsichtig formuliert – geradezu kontraproduktiv, was Sie machen. Sie kürzen die Mittel für die Polioimpfungen um 45 Prozent, obwohl wir diese Krankheit ausrotten wollen und Polio gerade in Gaza wieder ausgebrochen ist. Diese Einschnitte sind eine Kapitulation vor den Herausforderungen unserer Zeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Warum ist die Entwicklungspolitik so wichtig? Können wir damit überhaupt einen Unterschied machen? Das fragen uns die Menschen. Meine Antwort ist: Ja! So konnte die Sterberate bei Infektionskrankheiten wie HIV, Tuberkulose, Malaria drastisch reduziert werden. Die globale Kindersterblichkeit ist signifikant zurückgegangen. Die meisten Kinder besuchen mittlerweile eine Schule. Diese Beispiele müssen uns ermutigen, unsere Verantwortung in der Welt wahrzunehmen und der Entwicklungszusammenarbeit ihren hohen Stellenwert wieder zurückzugeben.
Entwicklungszusammenarbeit ist nicht nur unsere moralische Aufgabe, sondern sie ist auch im klugen Eigeninteresse. Als drittgrößte Volkswirtschaft benötigen unsere Unternehmen die wachsenden und möglichst stabilen Märkte in den Entwicklungsländern. Angesichts des sich verstärkenden Systemkonflikts zwischen Autokratien auf der einen Seite und den freiheitlichen demokratischen Ländern auf der anderen Seite hat sich auch das Umfeld für Entwicklungszusammenarbeit grundlegend verändert. Zudem steht die Entwicklungspolitik hier im eigenen Lande unter Druck, und das alarmiert und beschwert uns. Hier wäre es die Aufgabe von Ministerin Schulze, dieser heftigen Kritik entgegenzutreten, indem sie ihr strategisch mit klugen, neuen Konzeptionen etwas entgegensetzt. Aber wir erleben nur Fehlanzeige.
Sehr geehrte Frau Ministerin, das konzeptionsschwache Inseldasein der Entwicklungspolitik der Ampel muss beendet werden:
Erstens. Die Überwindung von Hunger und Armut muss das zentrale Ziel bleiben. Zweitens. Entwicklungszusammenarbeit sollte umfassend mit Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Handelspolitik und Klimapolitik verzahnt werden. Drittens. Der Privatsektor ist konsequent einzubinden, auch um eine wirtschaftliche Entwicklung in unseren Partnerländern zu unterstützen. Viertens sollten wir uns auch an den geostrategischen Bedingungen und Notwendigkeiten Deutschlands ausrichten.
So bekommt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen weiteren Begründungszusammenhang. Nehmen Sie die internationale Verantwortung wahr, und stellen Sie die Handlungsfähigkeit der deutschen Entwicklungspolitik wieder her!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Nadja Sthamer für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 185 |
Agenda Item | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |