12.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 185 / Einzelplan 23

Nadja SthamerSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem schönen Haus mit einem tollen Garten, in dem Ihre Kinder spielen. Alles ist ganz ruhig und friedlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Michael Espendiller [AfD])

Plötzlich bemerken Sie: Verdammt, das Nachbarhaus fängt an zu brennen! Was machen wir jetzt? – Schließen Sie die Augen und hoffen, dass das Feuer von allein erlischt? Oder sagen Sie: „Ach, das ist nicht unser Problem; es brennt ja nebenan“? Nein, natürlich nicht. Wir wissen alle ganz genau: Wenn das Feuer weiter wütet, wird es irgendwann auf unser eigenes Haus übergreifen. Deshalb greifen wir ein und helfen, das Feuer zu löschen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ich rufe die Feuerwehr! Die kann das besser!)

Das tun wir nicht nur, um unsere Nachbarn zu retten, sondern auch, um unser eigenes Zuhause zu schützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau so funktioniert Entwicklungszusammenarbeit. Wir helfen anderen Ländern, Krisen, Konflikte und Armut zu bekämpfen, weil wir wissen, dass sich diese Probleme sonst bis zu uns ausbreiten – durch Instabilität, Migration oder wirtschaftliche Unsicherheit. Es geht also nicht nur um Solidarität, sondern auch darum, unsere eigene Zukunft sicherer und stabiler zu machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute sprechen wir nicht nur über Zahlen oder Haushaltspositionen, sondern auch über Verantwortung. Wir sprechen über Verantwortung für eine kluge internationale Politik, über die Verantwortung für eine nachhaltige Sicherheit, die das Äußere und das Innere einbezieht und die unser eigenes, aber auch das Nachbarhaus schützt.

Was viele vergessen: Die Probleme, mit denen viele Länder heute zu kämpfen haben, sind kein Zufall. Sie sind das Erbe von jahrhundertelanger Ausbeutung und Unterdrückung. Insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent haben koloniale Strukturen wirtschaftliche Abhängigkeiten und schwache Institutionen hinterlassen. Diese kolonialen Kontinuitäten wirken bis heute nach.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: In Asien komischerweise nicht!)

Auch wir tragen die Verantwortung dafür, diese Ungerechtigkeiten endlich zu durchbrechen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht nur eine moralische Pflicht, sondern es liegt auch in unserem ureigenen Interesse. Warum? Drei Beispiele dafür:

Erstens: Bildung und Chancen für junge Menschen schaffen. Viele afrikanische Länder befinden sich bis heute in wirtschaftlichen Abhängigkeiten, die tief in der Kolonialzeit verwurzelt sind. Junge Menschen in Ländern wie Kenia oder Nigeria haben oft keinen Zugang zu einer hochwertigen Bildung oder zu Arbeitsplätzen. Durch Projekte wie „Make-IT in Africa“ der GIZ können sie IT-Kenntnisse erwerben und in einer globalisierten und digitalisierten Welt konkurrenzfähig werden. Sie können Innovationen starten. Start-ups werden so gezielt gefördert. Das schafft Perspektiven vor Ort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: die Stärkung von Gesundheitssystemen; dieser Punkt wurde heute schon ein paarmal thematisiert. Pandemien machen nicht halt an der Grenze; das wissen wir doch spätestens seit Corona. Es liegt daher in unser aller Interesse, uns für die globale Gesundheit einzusetzen. Dazu gehört der Zugang zu hochwertiger, grundlegender Gesundheitsversorgung, zu bezahlbaren Medikamenten und natürlich zu Impfstoffen für alle.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Prävention ist weit effektiver und auch weit kostengünstiger, als hinterher auf die Katastrophen reagieren zu müssen.

Drittens: die Förderung von Frauen in Äthiopien. Äthiopien ist ein Land, das immer wieder von Kriegen und Konflikten erschüttert wurde. Im letzten Jahr blieben aufgrund sehr langer Dürren die Ernten aus. Ohne Regen ist an Landwirtschaft kaum noch zu denken. Das ist tragische Realität in Äthiopien, wo etwa 80 Prozent der Menschen darauf angewiesen sind, täglich etwas ernten zu können, um zu überleben. Deshalb unterstützt das BMZ landwirtschaftliche Frauenförderprogramme, die besonders Frauen in ländlichen Regionen dabei unterstützen, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. So wird Frieden und Stabilität langfristig geschaffen, und die Stärkung von Frauen bedeutet hier ganz konkret die Stärkung einer ganzen Region.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU])

Aber lassen Sie uns auch den geopolitischen Nutzen einer klugen und nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit klar benennen. Sie ist ein zentrales Instrument, um unsere Interessen global wirksam zu vertreten. Instabile Länder bieten den Nährboden für Terrorismus, Organisierte Kriminalität und Migrationsbewegungen. Entwicklungszusammenarbeit hilft dabei, solche Gefahren und Probleme an der Wurzel zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Lassen Sie mich noch einmal auf das brennende Haus vom Anfang zurückkommen. Um ein Feuer erfolgreich zu bekämpfen, reicht es nicht, nur einen einzigen Eimer Wasser hinzustellen. Wir brauchen eine gut organisierte Feuerwehr. Wir brauchen stabile Leitungen. Wir brauchen ausreichend Löschmittel, und alle Kräfte müssen gut abgestimmt zusammenarbeiten. Genau so funktioniert der Kampf für Frieden und Sicherheit, sowohl im Innern als auch im Äußeren. Dazu brauchen wir eine nachhaltige und umfassende Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit. Nur dann haben wir die Mittel, um langfristig zu investieren, um Brände komplett zu verhindern und nicht nur kurzfristig zu löschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615146
Wahlperiode 20
Sitzung 185
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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