13.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 186 / Einzelplan 07

Günter KringsCDU/CSU - Justiz und Bundesverfassungsgericht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Meine Damen und Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir freuen uns über 75 Jahre Grundgesetz. Wir würden uns als Unionsfraktion aber noch mehr darüber freuen, wenn die Bundesregierung das Grundgesetz gerade in diesem Jubiläumsjahr noch konsequenter einhalten würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Am letzten Tag der Haushaltsdebatte ist klar: Dieser Haushaltsentwurf offenbart auch in der Rechtspolitik die ganze Rat- und Lustlosigkeit dieser Regierung. Dieses Dokument schafft ja nicht mal, was normalerweise erste Voraussetzung wäre, nämlich einen Koalitionsstreit ums Geld zu beenden. Er markiert eher die Pause zwischen zwei Runden im letzten Boxkampf dieser Übergangsregierung.

Das Elend Ihrer Rechtspolitik ist: Sie erfinden Probleme, wo keine sind, und Sie ignorieren Handlungsfelder, wenn sie nicht zu Ihrem vorgefertigten Weltbild passen. Auch in der Rechtspolitik regieren Sie über die Köpfe der Menschen hinweg und an ihren Bedürfnissen vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie bauen Bürokratie auf und die Sicherheit ab, und Sie wollen die Gesellschaft umbauen.

Beginnen wir mit „Bürokratie und Regulierung“. Ob der Justizminister, wie er ja selbst jüngst beschrieben hat, die Zuständigkeit für sein Ressort bei einer Art Schrottwichteln des Kabinetts ergattert hat,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

interessiert die Bürger vielleicht nicht so sehr. Aber sie leiden am Ergebnis Ihrer Arbeit.

(Esther Dilcher [SPD]: Unverschämtheit!)

Das wirkt sich nicht im Bundeshaushalt aus, aber umso schlimmer in den Bilanzen der deutschen Wirtschaft.

Diese Regierung verabschiedet sich mit einem dreifachen Negativrekord. Unter Ihrer Regierung wurde erstens die Rekordzahl von 96 000 Einzelnormen erreicht. Sie haben zweitens die einmaligen Kosten für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung durch neue Regeln innerhalb eines Jahres auf das Achtfache gesteigert. Und drittens sind die laufenden Kosten durch neue Regelungen auf 27 Milliarden Euro gestiegen.

Ja, Sie haben es nach zweieinhalb Jahren Amtszeit geschafft, Ihr erstes mageres Bürokratieentlastungsgesetz vorzulegen, aber nicht mal das haben Sie bisher durch den Bundestag gebracht. Bürger und Unternehmer verzweifeln am Bürokratie- und Regulierungseifer dieser Ampel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch eifriger sind Sie beim gesellschaftspolitischen Umbau unseres Landes. Höchste rechtspolitische Priorität hatte für den Justizminister – wir erinnern uns –, Werbung für Abtreibungen zu ermöglichen.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch selbst, dass das nicht stimmt!)

Beim Abbruch des Lebensschutzes für ungeborene Kinder wollen Teile der Ampel mit der Abschaffung des § 218 – offenbar auch Sie – jetzt noch weiter gehen.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut Ihnen doch selber weh, so zu sprechen! Mensch!)

Der Schutz des Lebens an seinem Anfang ist für diese Ampel offenbar nur noch ein Störfaktor.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie den Bericht der Kommission, Herr Krings?)

Für uns bleibt er Ausdruck des Menschenbildes unseres Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

In Ihrem sogenannten Selbstbestimmungsgesetz hängen Sie der absurden Vorstellung einer Rechtsordnung an, in der an das Geschlecht zwar nach wie vor rechtliche Folgen geknüpft sind, es aber als reine Privatangelegenheit nahezu voraussetzungslos und im Jahresrhythmus gewechselt werden kann.

(Zuruf der Abg. Sonja Eichwede [SPD])

Mit den von Ihnen dadurch geschaffenen Problemen lassen Sie die Menschen im Sport und an vielen anderen Stellen einfach allein.

Kommen wir zur Sicherheit. Nur weil die Ampel sich unbedingt ihren Hippietraum von der Cannabisfreigabe erfüllen wollte, müssen weite Teile unserer Justiz in diesen Wochen ihre eigentliche Arbeit für unsere Sicherheit liegen lassen

(Zuruf der Abg. Carmen Wegge [SPD])

und stattdessen 280 000 alte Cannabisstrafverfahren wieder neu aufrollen. Aber die Wahrheit ist: All diese Menschen wurden seinerzeit nach Recht und Gesetz verurteilt.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mann, Mann, Mann!)

Unsere Richter und Staatsanwälte haben es nicht verdient, dass die Ampel heute so tut, als hätten sie seinerzeit an Unrechtsurteilen mitgewirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Damit beschädigen Sie das Vertrauen in den Rechtsstaat, und dieses Vertrauen war noch nie so kostbar wie heute.

Im Übrigen ist die Cannabisfreigabe eine einzige Katastrophe. Die Regeln sind praktisch unkontrollierbar. Statt der versprochenen Entlastung gibt es eine Mehrbelastung der Polizei. Freuen können sich Schwarzmarkt und Organisierte Kriminalität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])

Sie wollen den Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen erschweren und damit auch hier Sicherheit abbauen. Diese V-Leute und Ermittler sind aber oftmals das einzig wirksame Instrument, gegen internationale Täterstrukturen vorzugehen. Die deutschen Generalstaatsanwälte haben exakt drei Worte für Ihren Gesetzesvorschlag: überflüssig, praxisfern, ermittlungshindernd. Deshalb: Hören Sie auf die Justiz! Enttäuschen Sie lieber die Schwerkriminellen und Extremisten! Stampfen Sie diesen Gesetzentwurf endlich ein!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass Sie sich seit Jahren weigern, den europäischen Handlungsraum zur Speicherung von IP-Adressen zu nutzen, um Kinder in Deutschland vor sexuellem Missbrauch und uns alle vor Terroranschlägen zu schützen, markiert nun wirklich den makabren Tiefpunkt Ihrer Politik. Die IP-Adresse des Computers ist in Tausenden von Fällen der einzige Ermittlungsansatz, um solche Taten zu verhindern oder zumindest schnell aufzuklären. Das geht aber nur, wenn diese Adresse auch ein paar Monate gespeichert wird, und eben nicht, wenn sie erst bestellt wird, wenn sie längst nicht mehr vorhanden ist.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange genau?)

Die „FAZ“ hat es schon im Juli auf den Punkt gebracht:

„Wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt geht,“

– so das Zitat –

„lässt sich die Ampelkoalition von niemandem übertreffen – beim Nichtstun.“

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange genau? – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 14 Tage? Drei Monate? Wie lange denn?)

Sie sind eine Koalition des Nichtstuns, wenn es um die Sicherheit geht. Die „FAZ“ fasst zusammen: Bei Ihnen geht Täterschutz vor Opferschutz. – Damit müssen Sie leben. Das ist der Befund.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie, wie lange!)

So versündigt sich die Ampel an unseren Kindern und an der Sicherheit von uns allen.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unverschämt, Herr Krings! Hallo? Geht’s noch?)

– Es ist klar, dass es Ihnen schwerfällt, diese Tatsachen zu hören. Aber es ist die reine Wahrheit über Ihre Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Unionsfraktion haben wir nicht nur zur IP-Speicherung mehrere eigene Anträge vorgelegt, sondern vor wenigen Wochen bereits einen abstimmungsreifen Gesetzentwurf zur strengen Bestrafung von häuslicher Gewalt und Messerattacken eingebracht. Die Ignoranz, mit der Sie unsere Vorschläge behandeln, kennen wir ja schon. Es bleibt aber eine Schande, dass Sie trotz der dramatischen Verbrechensentwicklung allenfalls symbolische, aber eben keine wirklich wirksamen Maßnahmen ergreifen wollen. Ihnen fallen vor allem Verschärfungen beim Waffenrecht ein, die alle Bürger betreffen. Wir wollen gezielt gegen die Messertäter vorgehen und sie härter bestrafen. Was soll Ihr diffuses Mitgefühl mit dieser Tätergruppe, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU/CSU – Carmen Wegge [SPD]: Es soll erst gar nicht dazu kommen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für Ihre noch verbliebenen Projekte zum Abbau der öffentlichen Sicherheit oder zum gesellschaftlichen Umbau mögen Sie hier im Parlament noch die notwendige Mehrheit besitzen. Aber wenn die Ampelparteien zusammen bei zwei Landtagswahlen jüngst nur noch jedes zehnte Abgeordnetenmandat erringen, dann haben Sie in Wahrheit jegliche Legitimation für Ihre Politik auch in Berlin verloren.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber richtig!)

Genauso sieht das übrigens auch Ihr Bundestagsvizepräsident Kubicki, und er ergänzt – ich zitiere –: „Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land.“

Ich sage Ihnen: Die Menschen wollen Ihre Politik nicht, weil sie einfach falsch ist. Bringen Sie Ihr gescheitertes Koalitionsprojekt also bitte zu Ende, ohne dass Sie den Schaden, den Sie diesem Land bei der inneren Sicherheit, bei der Rechtsordnung insgesamt und auch beim gesellschaftlichen Zusammenhalt angetan haben, noch weiter vertiefen! Stoppen Sie die falschen Projekte! Tun Sie endlich das Notwendige!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Esther Dilcher.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Stephan Thomae [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615162
Wahlperiode 20
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Justiz und Bundesverfassungsgericht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta