13.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 186 / Einzelplan 07

Sonja EichwedeSPD - Justiz und Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Buschmann! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Abg. Stephan Brandner [AfD]: Deutschen demokratischen Altfraktionen!)

Durch Haushaltsdebatten zeigen wir politische Prioritäten auf, durch Finanzierung wird aus politischen Ideen Wirklichkeit. Lassen Sie mich nur ganz kurz am Rande anmerken: Da auch gerade von den Oppositionsparteien hier gesagt wird, sie haben ganz, ganz viele Ideen: Dann bringen Sie sich doch mit Änderungsvorschlägen in die Haushaltsdebatte ein! Das ist jetzt nicht geschehen,

(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Das ist die erste Lesung, nicht die letzte!)

das ist in den vergangenen Jahren nicht geschehen. Von daher werden hier große Reden geschwungen, aber es wird nicht tatsächlich gehandelt. Ich würde sagen: So ist ein falsches Demokratieverständnis.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: So ist das Haushaltsverfahren!)

Für uns in der Rechtspolitik bedeutet diese Verantwortung aber auch, dass wir bei unseren Entscheidungen immer den Wert und die Bedeutung des Rechtsstaates hochhalten. Gerade in den Debatten dieser Tage ist es umso wichtiger, eine verhältnismäßige, eine rechtsstaatliche Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit vorzunehmen. Weder gibt es Sicherheit ohne Freiheit, noch gibt es Freiheit ohne Sicherheit.

Das ist stets ein Balanceakt, der die demokratischen Parteien von extremen Parteien unterscheidet und unterscheiden muss; denn gerade extreme Parteien wollen um ihrer selbst willen beides beschneiden: Sie wollen Freiheit und Sicherheit beschneiden, und sie missachten den Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Genau das haben wir hier auch bei einigen Reden von rechts gehört. Das ist die Despektierlichmachung des Bundesverfassungsgerichts, des Hüters unserer Verfassung. Das ist beschämend.

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Ich möchte hier auch noch mal festhalten: Wenn wir auf so etwas verweisen, wenn auch der Kollege Till Steffen und andere Kollegen aus diesem Hause darauf verweisen, zeigen wir nicht auf Menschen; wir zeigen auf Inhalte von verfassungsfeindlichen Parteien. Wir zeigen auf Inhalte, die die Partei, die hier ganz rechts sitzt, vertritt. Das sind verfassungsfeindliche Inhalte, und das muss auch hier im Parlament gesagt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Es kann keine gesellschaftliche Sicherheit geben ohne einen funktionierenden, gut ausgestatteten Rechtsstaat, der auf der Höhe der Zeit ist. Das bedeutet: Wir brauchen gut ausgestattete, moderne Gerichte. Wir brauchen einen einfachen Zugang zum Recht. Wir brauchen einfache und bürgernahe Kommunikation und schnelle Verfahren, bei denen es aber genauso genügend Zeit gibt, um den Sachverhalt bis zum Urteilsspruch ordentlich zu ermitteln. Die Justiz ist schließlich keine Subsumtionsmaschine, wie manchmal politische Forderungen nach ganz, ganz schnellen Urteilssprüchen oder beschleunigten Verfahren vermuten lassen.

(Beifall der Abg. Esther Dilcher [SPD])

Die Justiz steht an vorderster Front unseres Rechtsstaates. Unser Rechtsstaat wird täglich von Richterinnen, von Staatsanwältinnen, von Rechtspflegern und Amtsanwälten, von Mitarbeitern der Geschäftsstellen und von Vollzugsbeamten am Laufen gehalten. Sie arbeiten für unsere Demokratie. Sie sorgen für das friedliche, sichere, regelbasierte Zusammenleben und somit auch für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, und ihnen gebührt unser aufrichtiger Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ihr Einsatz ist zugleich unsere Verpflichtung. Damit die Tätigkeiten gut ausgeübt werden, müssen wir gemeinsam mit den Bundesländern unseren Rechtsstaat finanziell, personell und technisch bestmöglich ausstatten. Mit der Digitalisierungsinitiative wurde hier in dieser Legislaturperiode ein notwendiger Schwerpunkt in Angriff genommen, sodass größere Digitalisierungsprojekte in der Justiz der Bundesländer gefördert werden und zudem auch bundesweite Projekte wie die Justizcloud finanziert werden können.

Auch wenn das selbstverständlich – das denkt hier auch keiner – nicht der einzige Bereich in der Justiz ist, der finanziell unterstützt werden muss, ist es in der heutigen Zeit ein wichtiger Bereich, um den Zugang zum Recht, um die Akzeptanz des Rechtsstaates, um die Arbeit mit der und für die Justiz aufrechtzuerhalten und den Dienst dort attraktiv zu halten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zudem in der heutigen Zeit auch noch auf die Förderung von zwei wichtigen Projekten eingehen, nämlich HateAid und das Anne-Frank-Zentrum. In dieser Zeit, in der Falschinformationen, Hass und Hetze dauernd verbreitet werden, ist es wichtig, dass wir auch im Justizhaushalt Bildungs- und Beratungsangebote fördern und die Erinnerung an die historische Verantwortung unseres Landes hochhalten. Das heißt gegen Vergessen, für Demokratie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Demokratie und Rechtsstaat auf der Höhe der Zeit zu halten, bedeutet aber auch, dass wir eben die Gesetzgebung auf der Höhe der Zeit halten, um weiterhin gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leben und auch in der Rechtsordnung abzubilden. Hier haben wir als Ampelkoalition schon sehr viel durchgesetzt. Lassen Sie mich ein paar wichtige Punkte herausgreifen.

Wir haben durch die Einführung der Verbandsklage einen effektiveren Verbraucherschutz eingeführt. Wir werden auf die Massenverfahren in der Justiz eingehen und arbeiten zurzeit an einem Leitentscheidungsverfahren.

Im Bereich des Strafrechts haben wir ein gerechteres Justizsystem durch die Reform des Sanktionenrechts eingeführt. Und nach den Maskenskandalen, in die vor allem viele Unionsabgeordnete verwickelt waren, haben wir die Regelungen zur Abgeordnetenbestechung verschärft.

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Wir haben das Völkerstrafgesetzbuch reformiert. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, im 21. Jahrhundert Strafanträge auch per E-Mail oder Onlineportal zu stellen. Das sind sehr wichtige Errungenschaften.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zudem haben wir, was viele Menschen sehr persönlich betrifft, das Namensrecht endlich reformiert, was vielen Familien den langen Wunsch nach einer gleichberechtigteren Namensgebung erleichtert. Und ja, wir haben das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen und damit staatliche Diskriminierung abgebaut. Herr Dr. Krings, das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, auf den wir stolz sind; denn wir sind dafür, dass staatliche Diskriminierung entsprechend abgebaut wird.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Da gab es keine Diskriminierung! Wo keine Diskriminierung ist, kann auch keine abgebaut werden!)

Ich glaube, die Union sollte ihre Einstellung dazu noch einmal überdenken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])

Außerdem haben wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt, was auch sehr wichtig ist. Denn wir wissen alle: Unser Land muss schneller werden. Entsprechende Schritte dahin wurden in den letzten Jahrzehnten versäumt. Wir haben sie umgesetzt, und das kommt jetzt ins Laufen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP])

Weil uns das als Ampelkoalition und auch als SPD aber nicht genügt, werden wir noch mehr machen und machen müssen. Ich möchte ein paar Punkte ansprechen.

(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Wir brauchen ein besseres Mietrecht, das dem starken Anstieg der Wohnkosten etwas entgegengesetzt, ihm Einhalt gebietet und die Menschen vor Verdrängung aus ihrem Zuhause schützt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen als SPD-Fraktion auch die notwendige Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anstoßen, damit noch mehr Diskriminierung bei uns im Land abgebaut wird. Schutzlücken bei menschenverachtender Hetze darf es nicht geben; dagegen werden wir vorgehen. Unzulässige politische Einflussnahme auf Staatsanwaltschaften wollen wir durch klare Regeln und Transparenz besser ausschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Boehringer [AfD]: Das ist ja ein lächerlicher Wunsch!)

Gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses

(Stephan Brandner [AfD]: „Deutschen demokratischen Altfraktionen“ heißt das!)

haben wir uns zudem – es wurde schon angesprochen – darauf verständigt, das Bundesverfassungsgericht resilienter zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie hören teilweise die Zurufe von rechts nicht. Sie beweisen aber, dass genau diese Resilienz des Bundesverfassungsgerichts,

(Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig!)

in das ein ganz, ganz großes Vertrauen in Deutschland herrscht, sehr wichtig ist. Denn wir brauchen das Verfassungsgericht als Hüter unserer Verfassung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Den Haushalt und all die weiteren wichtigen Projekte werden wir nun im kommenden arbeitsreichen Jahr bis zur Bundestagswahl angehen, immer mit dem Auftrag, den Rechtsstaat hochzuhalten und auf der Höhe der Zeit zu halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD – Esra Limbacher [SPD]: Da kommt die Gefahr des Rechtsstaats!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615174
Wahlperiode 20
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Justiz und Bundesverfassungsgericht
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