Andreas MattfeldtCDU/CSU - Wirtschaft und Klimaschutz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist schon eine interessante Debatte; die muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wenn man hier so sitzt, dann hat man ein Stück weit den Eindruck: Ist das jetzt hier Realsatire, oder, Herr Minister Habeck, ist das sogar Realitätsverweigerung?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn, Herr Habeck, wenn Sie gegenüber den Menschen, aber vielleicht sogar gegenüber sich selbst, ein Stück weit ehrlich wären, dann würden Sie doch erkennen, dass Sie sich die Beratungen zu diesem Haushalt nun wirklich schlichtweg hätten sparen können. Ich habe mal als Bürgermeister und Hauptverwaltungsbeamter gelernt, dass Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit als oberstes Gebot die Aufstellung eines Haushaltes zu bestimmen haben. Der uns von Ihnen vorgelegte Entwurf – ich habe es gleich gesagt, als ich ihn das erste Mal gesehen habe – lässt sich nur unter einem Obertitel zusammenfassen: tricksen, täuschen und vor allen Dingen taktieren. Nichts, Herr Habeck, aber auch gar nichts hat dieser Haushalt mit realen Zahlen zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Zum Abschluss der Beratungen des letzten Haushalts habe ich Ihnen eine Zugschlussleuchte gezeigt,
(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir erinnern uns alle!)
die dokumentieren sollte, dass sich unser Land wirtschaftlich von allen anderen Industrienationen abgekoppelt hat. Ich habe das ein Stück weit mit dem Wunsch verbunden, dass Sie endlich registrieren, dass Ihre ideologischen Träume hier einfach einmal beendet werden müssen. Aber wir merken das auch jetzt wieder: Sie sind schlichtweg – Sie daddeln da am Handy rum – beratungsresistent. Und unter Ihrer Verantwortung rauschen die Wirtschaftsdaten
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie dem BDI zugehört?)
– Sie brauchen gar nicht zu brüllen – weiter in den Keller, ebenso übrigens, so darf ich sagen, wie Ihr haushalterisches Engagement zur Bekämpfung der mittlerweile historischen Rezession.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Manche reden bereits von einer Depression, Herr Minister Habeck.
(Abg. Dr. Anna Christmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Mit Ihrem ideologischen Handeln – wir haben es eben besprochen – beispielsweise bei der Abschaltung der Kernkraft sind Sie persönlich auch die Triebfeder für den wirtschaftlichen Niedergang unseres Landes. Wir haben es gehört: minus 0,3 Prozent im letzten Jahr.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Kollege Mattfeldt, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen des Bündnisses 90/Die Grünen?
Leidenschaftlich gerne. Ich habe immer zu knappe Redezeit.
Lieber Kollege Mattfeldt, vielen Dank, dass ich die Zwischenfrage stellen darf. – Weil Sie das Stichwort „beratungsresistent“ erwähnt haben, wollte ich Sie fragen, ob Sie den diese Woche veröffentlichten Draghi-Report zur Kenntnis genommen haben, in dem sehr deutlich gemacht wird, was die Herausforderungen für ganz Europa sind bei der Transformation, bei den Investitionen in Zukunftstechnologien, bei der Entbürokratisierung und dass bei den großen Aufgaben, die vor uns liegen, Handeln auf europäischer Ebene dringend notwendig ist.
Haben Sie auch zur Kenntnis genommen, dass Ihr Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz darauf hier im Haus reagiert hat mit der Aussage, er werde auf jeden Fall dafür kämpfen, dass es auf gar keinen Fall gemeinsame europäische Schulden gebe?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Beifall bei der CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: So war es!)
Wenn das die einzige Reaktion ist auf einen solchen Bericht, der zeigt, dass Investitionen notwendig sind, dass wir hier die Rahmenbedingungen für Zukunftstechnologien schaffen müssen, weil das die letzten zehn Jahre nicht passiert ist,
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Frage!)
dann frage ich mich, was eigentlich die Antwort der Union darauf ist, was in den letzten 16 Jahren in puncto Investitionen, Förderung von Zukunftstechnologien und Setzung von Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen in Europa erfolgreich sein können, alles nicht passiert ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Jetzt bekommst du sechs Minuten Antwortzeit!)
Frau Kollegin Dr. Christmann, danke für Ihre Frage. Es ist schön, dass Sie sie stellen. – Als Erstes darf ich sagen: Natürlich habe ich den Draghi-Bericht zur Kenntnis genommen, wie viele hier. Die Bewertung aus dem Draghi-Bericht sieht aber etwas anders aus, als Sie es sich selbst, so möchte ich mal sagen, vorbeten, vielleicht sogar selbst vorlügen.
Das Erste ist, dass wir eine Vergemeinschaftung der Schulden – da spreche ich für jeden in der Unionsfraktion – definitiv ablehnen. Das wird es mit uns nicht geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Zweite ist – das mögen Sie ungern hören –: Das ist nicht die erste Wirtschaftskrise, die dieses Land erlebt. Ich bin schon etwas länger hier dabei. Wir haben 2008, 2009 und 2010 die Lehman- bzw. die Eurokrise gehabt. Das ging richtig ins Mark. Die damalige Regierung, bestehend aus CDU/CSU-Fraktion und ihrem Partner, der Sozialdemokratie – ihr wart damals noch besser aufgestellt –, haben andere Rezepte gehabt. Wir haben innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, dass die Wirtschaft in diesem Land wieder Fuß fasst, dass sie Tritt hat und dass sie Mut hat. Es ist eine Initialzündung erfolgt. Da haben mir Unternehmer aus der Region gesagt: Andreas, ihr habt vieles gut gemacht. Ich glaube wieder an die Politik. Wenn das Krise ist, will ich immer Krise haben.
(Heiterkeit des Abg. Karsten Klein [FDP])
Zu diesem Zeitpunkt war aber etwas anders als heute. Ganz Europa, die Welt steckte in der Krise. Nur wir in Deutschland haben es nicht gemerkt. Jetzt verhält es sich unterschiedlich. Jetzt steckt die Welt zwar auch in einer Krise, aber der Welt geht es besser und bei uns sieht es schlecht aus.
(Zurufe der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und wenn ich eines auch noch sagen darf: Was macht man denn in einer solchen Zeit? Da schafft man doch keine Verunsicherung wie der Herr Minister mit seiner Wärmepumpenstrategie, wobei er sagt: Wir dürfen uns jetzt jedes Jahr das Geschlecht neu aussuchen, dürfen aber nicht entscheiden, wie wir heizen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und dann noch zu sagen: Diese Wärmepumpendebatte war nur ein Test. – Mit Verlaub, Frau Dr. Christmann, die Menschen draußen waren verzweifelt, die haben geheult, sie wussten nicht mehr, wie sie ihre Existenz weiter sichern sollten. Und Sie sagen: „Das war ein Test“?
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das unterscheidet Sie von der seriösen Politik, die wir hier auf dieser Seite bei der Unionsfraktion und – ich habe den Kollegen Klein heute gehört – vielleicht sogar ein Stück weit noch bei einigen Kollegen der FDP erleben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Roloff [SPD]: Sie haben ja noch nicht einmal Vorschläge! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antworten! Nicht nur Floskeln!)
Sie haben die wirtschaftlichen Daten zur Kenntnis genommen: Wir schrumpfen. Wir schrumpfen infolge grüner Politik. Laut aktueller IWF-Prognose wird Deutschland übrigens in diesem Jahr die schlechteste Wachstumsrate aller führenden Industriestaaten haben. Das bedeutet – ich sage es noch einmal –: Wenn alle anderen es besser machen, ist doch die Rezession in unserem Land hausgemacht.
Herr Habeck, Sie sehen die verschmähte Zugschlusslaterne nicht einmal mehr aus nächster Nähe. Der Zug ist Ihnen längst davongefahren. Mit Verlaub, im Hinblick auf Unternehmen und Arbeitsplätze in unserem Land gleicht Ihr Haushaltsentwurf doch einer rauchenden Ruine. Diese rauchende Ruine sieht wie folgt aus: Kürzungen über alle Bereiche hinweg, auch über Bereiche, die Sie eigentlich jetzt stärken müssten. Aber nein, das tun Sie nicht. Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand: minus 116 Millionen Euro. Digitale Technologien: minus 74 Millionen Euro. Investitionsförderung kleiner und mittelständischer Unternehmen: minus 63 Millionen Euro. Luft- und Raumfahrt: minus 75 Millionen Euro. Und sogar die Deutsche Zentrale für Tourismus, die im Ausland für Urlaub in Deutschland wirbt, kriegt 8 Millionen Euro weniger. Das sind in dem Fall sogar 20 Prozent des Haushaltstitels.
Lieber Kollege Mattfeldt, es gibt noch eine weitere Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar von Sebastian Schäfer.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Mein Flieger geht noch nicht! Du kannst noch ein bisschen!)
Aber gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 angesprochen. Ende 2008 hatten wir eine Staatsschuldenquote von etwas unter 65 Prozent. Ende 2010 hatten wir dann eine Quote, die bei etwa 80 Prozent des BIP lag. Halten Sie also grundsätzlich in einer wirtschaftlichen Krisensituation
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das war eigentlich eine Nachfrage!)
eine Finanzierung über Staatsschulden, wie sie zum Beispiel auch der Draghi-Report vorschlägt, für geeignet, oder lehnen Sie das in Bausch und Bogen ab, wie Ihr Fraktionsvorsitzender das diese Woche dargelegt hat?
Ich hätte jetzt fast gesagt, was eine Kollegin gestern gesagt hat: Wenn Sie über Schulden sprechen, dann muss das für Sie etwas Mystisches, ja fast etwas Erotisches sein.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antworten!)
Das ist schon sehr bemerkenswert, was ich von dieser Seite hier immer erlebe.
Ich darf Ihnen noch einmal sagen: Was wir 2008, 2009, 2010 gemacht haben – übrigens mit zwei Partnern, die jetzt vor mir sitzen; und das war nicht immer eine einfache Zeit – –
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schulden gemacht!)
– Die Staatsschuldenquote ist in den auf diese Krise folgenden Jahren massiv gesunken. Das wissen Sie, vielleicht sogar noch besser als ich. Sie ist gesunken.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war eben so: Investitionen und solide Haushaltspolitik haben sich in diesen Jahren nicht ausgeschlossen. Was wir gemacht haben und was Sie nicht können, nennt sich Priorisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme dazu gleich noch im Zusammenhang mit einem anderen Thema. Priorisieren können Sie oder wollen Sie einfach nicht.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen es aber machen. Wir, auf dieser Seite, sind uns dieser Verantwortung bewusst – im Gegensatz zu Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – [Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Noch eine Zwischenfrage! Läuft gut!)
Ihre Streichliste ist ein vernichtender Schlag in die Magengrube der fleißigen Menschen unseres Landes. Dabei haben Sie, Herr Habeck, ja Geld für andere Dinge. Sie wollen für die Biodiversität im Ausland noch 635 Millionen Euro bereitstellen plus – lassen wir uns das auf der Zunge zergehen – 1 Milliarde Euro an Verpflichtungsermächtigungen, obwohl Sie wissen, dass der Bundesrechnungshof hier kritische Anmerkungen gemacht hat. Ich sage Ihnen: Diese Gelder brauchen wir doch jetzt zuallererst hier in Deutschland. Wir müssen doch erst einmal sehen, dass wir unseren eigenen Karren wieder flottkriegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die gute Nachricht für die Menschen ist: Die rauchende Ruine der Ampel kann mit kluger Politik saniert werden. Das enorme Steueraufkommen – ein Rekordsteueraufkommen! –, das wir in diesem Land haben, ermöglicht dies. Man muss es nur ideologiefrei wollen. Das bringt mich zum Klima- und Transformationsfonds, der vielleicht sogar uns allen wichtig ist. Aber ich muss feststellen, dass Sie diesen genauso beenden, wie Sie ihn zum Regierungsantritt begonnen haben: Damals, Herr Habeck, tricksten Sie 60 Milliarden Euro in den Fonds. Diesen Spuk musste das Verfassungsgericht beenden. Nun legen Sie uns einen Wirtschaftsplan vor, der vor Täuschungen und Tricksereien schlichtweg nur so trotzt.
Als Spitze des Eisberges haben Sie 34,5 Milliarden Euro an Ausgaben eingeplant, Sie haben aber nur 25,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wie also löst man als grüner Minister dieses Problem? Man bringt einfach eine 9 Milliarden Euro schwere globale Minderausgabe ein und hübscht das Budget darüber hinaus durch eine Fantasiemehreinnahme von 3 Milliarden Euro auf. Ich darf Ihnen sagen: Jeder Bilanzfälscher hätte hier mehr Skrupel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damit sind 12 Milliarden Euro – über ein Drittel der Ausgaben des KTF – wieder nicht gedeckt. Wir haben es eben angesprochen: Sie laufen damit mit Ansage wieder in einen massiven Förderstopp hinein. Das ist dann schon Ihr zweiter innerhalb von zwei Jahren. Unsere Bürger, unsere Unternehmen, aber auch die Kommunen vertrauen darauf, dass Sie die eingestellten Förderungen, nachdem sie beantragt wurden, auch durchziehen, sodass sie mit ihnen planen können. Wenn das wieder abgebrochen wird, Herr Habeck, zerstören Sie erneut Vertrauen.
Deshalb ein Rat: Beginnen Sie – vielleicht darf ich sagen: in den letzten Tagen Ihrer Amtszeit –
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
endlich mit einer seriösen Haushaltspolitik. Den Menschen im Lande wäre das zu wünschen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dr. Nina Scheer für die SPD-Fraktion ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615204 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 186 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Klimaschutz |