25.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 187 / Zusatzpunkt 1

Sascha MüllerDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde: Verkauf der Commerzbank-Anteile des Bundes

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundestag beschäftigt sich heute ganz geballt mit diesem wichtigen Thema, das natürlich viele Menschen umtreibt. Ich bin dem Parlamentarischen Staatssekretär Florian Toncar für seinen Bericht heute im Ausschuss sehr dankbar, und wir haben den Finanzminister in der Befragung gehört. Ja, natürlich hätte das besser laufen müssen. Denn das Ziel, die veräußerten Anteile des Bundes in den Streubesitz zu überführen, ist gescheitert.

Ich denke aber auch, wir müssen ein bisschen auf die Tonalität in dieser Debatte achten. Denn unabhängig von dem konkreten Fall, unabhängig von UniCredit und Commerzbank, dürfen wir bei der Frage, wie wir hier über diese Angelegenheit reden, eines nicht aus dem Blick verlieren, nämlich: Meinen wir es wirklich ernst mit der Banken- und Kapitalmarktunion? Ich denke, dass das hier weitgehend Konsens war. Ich will jedenfalls unabhängig von diesem Fall im Folgenden kurz darauf eingehen.

Vor mehr als zehn Jahren haben wir uns als Lehre aus der Finanzkrise das Ziel gesetzt, einen einheitlichen Banken- und Kapitalmarkt zu schaffen. Mit der Entflechtung von Nationalstaaten und Banken wollten wir für mehr Resilienz und finanzielle Stabilität sorgen. Seitdem ist viel passiert. Wir haben eine europäische Aufsicht und ein europäisches Abwicklungsregime. Doch der bestehende Rahmen – gemeinsame Aufsicht und Abwicklung – bildet selbst noch keine Bankenunion. Dazu gehört dann auch, dass wir es ermöglichen, dass Banken sich grenzüberschreitend zusammenschließen können; denn grenzüberschreitende Fusionen sind ein Element, um die Integration des europäischen Bankenmarktes voranzutreiben. In vielen anderen Sektoren wollen wir europäische Champions, wie es der Draghi-Bericht vor einer Woche deutlich gemacht hat. Das sollte doch auch für den Bankensektor gelten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Ökonomen sehen in einer stärkeren europäischen Bankenlandschaft mehr Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Merz, ich habe gestern zufällig in der Nähe gestanden, als Sie Ihr Pressestatement abgegeben haben. Sie haben richtigerweise betont, dass an der Beteiligung einer italienischen Bank an der Commerzbank – oder natürlich auch umgekehrt an einer hypothetischen Beteiligung der Commerzbank an einer anderen europäischen Bank – grundsätzlich nichts einzuwenden sei. Sie haben aber ein Szenario zumindest angedeutet: Der deutsche Mittelstand müsse sich Sorgen um eine Finanzierungsquelle machen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Berechtigte!)

Da frage ich mich, warum Sie diese Sorge haben. Glauben Sie nicht an die Stärke und Solvenz des deutschen Mittelstandes? Ich tue das.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Aha!)

Auch eine – Stand heute; hypothetisch – fusionierte Bank hätte doch kein Interesse daran, sich vom Mittelstand abzuwenden. Es ist davon auszugehen, dass sie auch weiterhin ein starker Partner für unseren Mittelstand sein will.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn ihr so weitermacht, haben wir keinen Mittelstand mehr!)

Und nebenbei – das hat mich gerade schon ein bisschen gestört –: Auch die HypoVereinsbank, eine aus meinem Bundesland Bayern stammende und in ihm verwurzelte Bank, blieb nach ihrer Übernahme als eigenständige Rechtseinheit in Deutschland bestehen, mit Sitz in München. Es ärgert mich schon sehr, wie einige sie hier kleingeredet haben.

Diese Sorgen müssen wir also – da bin ich sicher – nicht haben.

(Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Für uns sollten andere Fragen eine Rolle spielen, beispielsweise mögliche soziale Konsequenzen, auf die zu Recht meine Gewerkschaft Verdi hingewiesen hat. Aber auch da müssen wir uns ehrlich machen: Weniger Filialen waren auch ohne eine eventuelle Fusion Teil der Strategie der Commerzbank; auch die Filiale in meinem Stadtviertel ist heute nicht mehr da. Unser Augenmerk sollte also in jedem Fall darauf liegen, dass hier alles sozialverträglich abläuft und die vielen gut ausgebildeten Beschäftigten ihren Arbeitsplatz behalten können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zudem darf – und das ist aus der Wettbewerbsperspektive betrachtet entscheidend – kein „Too big to fail“-Institut entstehen, dessen Rettung im Krisenfall die Steuerzahler belasten könnte. Das sind die relevanten Fragen, die wir uns stellen müssen.

Was wir brauchen, sind stärkere europäische Institutionen, damit es wirklich egal ist, wo in Europa eine Bank sitzt, und es nur auf ihre Leistungsfähigkeit ankommt. Auch das bedeuten Banken- und Kapitalmarktunion. Die jüngsten Berichte bezüglich der enormen Investitionsbedarfe zeigen, wie wichtig tief integrierte Kapitalmärkte in der Zukunft sein werden. Deshalb ist es nicht nur relevant, dass wir über diese Angelegenheit reden, sondern ebenso, wie wir das tun. Wenn wir am Ende eine Kultur des generellen Misstrauens bei grenzüberschreitenden Fusionen auch im Bankensektor haben, erscheinen andere, komplexere Vorhaben der Kapitalmarktunion, wie etwa das geeinte Insolvenzrecht, umso ambitionierter.

Die sich stellenden Fragen über das bisherige und vor allem künftige Vorgehen bezüglich der Bundesanteile der Commerzbank werden selbstverständlich weiter in den entsprechenden parlamentarischen Gremien sachlich erörtert werden; darauf legen wir Wert.

Für heute danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Markus Herbrand, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615409
Wahlperiode 20
Sitzung 187
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Verkauf der Commerzbank-Anteile des Bundes
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