Johannes WagnerDIE GRÜNEN - Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Karl Lauterbach hat es heute Morgen im Ausschuss gesagt: Wir haben das teuerste Gesundheitssystem Europas. Kein anderes Land in Europa gibt so viel Geld für Gesundheit aus wie Deutschland – kein anderes Land! –: über 5 000 Euro pro Kopf und Jahr.
Trotzdem leben wir ungesünder und im Durchschnitt sogar kürzer als der europäische Durchschnitt. Hinzu kommt, dass die Gesundheitschancen und -risiken auch innerhalb Deutschlands sehr ungleich – man könnte auch sagen: sehr ungerecht – verteilt sind. In manchen Städten liegen die Lebenserwartungen von einer S-Bahn-Station zur nächsten ganze neun Jahre auseinander. Man könnte quasi sagen: Sag mir, wo du wohnst, und ich sage dir, wie lange du lebst. – Das ist ungerecht und vollkommen inakzeptabel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber das Gute ist: Auf dieses Problem gibt es eine Antwort, und die lautet Prävention.
In der Prävention liegt ein großes Potenzial, das wir in Deutschland noch lange nicht genug ausschöpfen. Mit Prävention lässt sich die Lebenserwartung steigern und Geld sparen. Bisher fließen aber nur rund 2 Prozent der Krankenversicherungsgelder in Vorsorge. Bei diesen Maßnahmen ist meistens nicht mal klar, wer genau damit erreicht werden soll. Man landet schnell dabei, Sportkurse für diejenigen zu finanzieren, die sowieso schon Sport machen, oder Blutwerte von Menschen zu messen, die gar keine Gesundheitsprobleme haben.
Jetzt schaffen wir ein Institut, das dafür sorgen wird, dass Prävention zukünftig dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kristine Lütke [FDP])
ein Institut, das die in Deutschland bereits vorhandene Expertise bündelt und daraus unabhängige Handlungsempfehlungen auch an die Politik ableitet; ein Institut, das entsprechend zielgerichtet kommunizieren kann. Wenn es gut gemacht ist, könnte unsere Public-Health-Landschaft von einem solchen Institut nachhaltig profitieren und noch mal einen ordentlichen Sprung nach vorne machen.
(Zuruf von der Linken: Wenn es gut gemacht wäre!)
Zum Glück haben wir in unserem Land zwei Institutionen, die bereits in der Vergangenheit für die öffentliche Gesundheit Herausragendes geleistet haben. Da ist das RKI, das vielen von Ihnen wahrscheinlich vor allem durch die Arbeit während der Pandemie bekannt ist, und da ist die BZgA, die wegen ihrer HIV-Kampagnen sicher vielen ein Begriff ist. Die Mitarbeitenden verdienen unser aller Respekt und Dank für ihren großen Einsatz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber auch wenn sie nachweislich gute Arbeit leisten, sind sie strukturell darin begrenzt, was sie leisten können. Denn öffentliche Gesundheit basiert in Deutschland zum großen Teil nicht auf Strukturen der Bundesebene, sondern auf Strukturen vor Ort. Zuständig sind vor allem die kommunalen Gesundheitsämter. Wenn wir also mehr Prävention wollen, brauchen wir einen starken Öffentlichen Gesundheitsdienst vor Ort. Der Bund kann und muss hierfür die geeigneten Rahmenbedingungen setzen.
Genau das gehen wir jetzt mit dem neuen Bundesinstitut an. Denn in Bezug auf die öffentliche Gesundheit hat uns die Pandemie drei konkrete Dinge gelehrt:
Erstens. Gesundheitsämter müssen besser zusammenarbeiten. Das neue Institut soll eine Netzwerkstelle beinhalten, die den Gesundheitsämtern die Möglichkeit zur Vernetzung gibt – untereinander, aber auch mit anderen Akteuren der öffentlichen Gesundheit.
Zweitens. Wir brauchen bessere Gesundheitskommunikation und mehr Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Das neue Institut wird zukünftig so über Gesundheit informieren, dass die Nachrichten bei den Menschen auch ankommen – zielgruppengerecht und auf Fakten basierend.
Drittens. Für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik brauchen wir eine bessere Datengrundlage. Die Daten sind teilweise schon da, sie werden aber bisher nicht entsprechend genutzt. Sie müssen verknüpft, analysiert und aufbereitet werden. All das sind Dinge, die das neue Bundesinstitut übernehmen kann und soll.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Wir schaffen so ein neues Institut, das in der öffentlichen Gesundheit Standards setzt und sicherstellt, dass präventive Maßnahmen nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sind. Es fördert ganzheitliche Ansätze und sorgt dafür, dass auch die Folgen der Klimakrise als Gesundheitsgefahr ernst genommen und angegangen werden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Eins ist klar: Wenn wir die Gesundheit der Bevölkerung nachhaltig verbessern wollen, dürfen wir nicht nur auf die Medizin schauen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Prävention ist so viel mehr. Prävention ist das ausgewogene Mittagessen in der Kita, das Kinder gesund aufwachsen lässt. Prävention ist der Ausbau von Radwegen, auf denen man sicher und gesund zur Arbeit oder zur Schule fahren kann. Und zur Prävention gehört natürlich auch, die mentale Gesundheit ernst zu nehmen
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und auf eine Stufe mit der körperlichen Gesundheit zu stellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kristine Lütke [FDP])
Sehr verehrte Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Deutschland nicht das Land mit den höchsten Gesundheitsausgaben ist, sondern das Land mit den gesündesten Menschen. Das sind wir der Bevölkerung schuldig, aber auch den Mitarbeitenden von RKI und BZgA, die jetzt so schnell wie möglich Klarheit haben wollen, wie es für sie weitergeht. Das finde ich absolut berechtigt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Ich bin den drei Koalitionsfraktionen deshalb sehr dankbar, dass wir dieses Gesetz jetzt so schnell auf die Tagesordnung bringen konnten, und freue mich auf die anstehenden Verhandlungen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Martin Sichert für die AfD-Fraktion hat das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615437 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit |