Fritz GüntzlerCDU/CSU - Jahressteuergesetz 2024, Wohngemeinnützigkeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir erleben heute das Erwachen der Ampel, das Aufwachen aus dem steuerpolitischen Tiefschlaf.
(Heiterkeit des Abg. Jörn König [AfD] – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst verhindern und dann gescheit daherreden!)
Denn seit dem Wachstumschancengesetz ist hier steuerpolitisch nichts mehr geschehen.
(Tim Klüssendorf [SPD]: So lange ist das noch gar nicht her!)
Wir erleben jetzt, dass es ganz viele Gesetze gibt. Und wir würden erwarten, dass mit den vielen Gesetzen irgendwie ein großer Wurf gelingen müsste. Aber wir sehen hier eigentlich nur – und das ist durch die Rede der Staatssekretärin auch deutlich geworden – ein großes Klein-Klein.
Dieses Jahressteuergesetz umfasst 45 Artikel und 248 Seiten, wenn ich die Begründung mitzähle. Der Bundesrat musste über 90 Änderungsanträge stellen, weil vieles in die falsche Richtung ging.
(Tim Klüssendorf [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)
Auch wenn es nach der Staatssekretärin im Wesentlichen um technische Fragen geht, die sie in den Mittelpunkt ihrer Rede gestellt hat, finde ich interessant, dass sie die Dinge, die politisch diskutiert werden, völlig außer Acht gelassen hat. Das sind nämlich Fragen zur Umsatzsteuer.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)
Im Mittelpunkt der politischen Debatte dieses Gesetzes steht die Umsatzsteuer. Und da gucken wir uns die einzelnen Punkte doch gerne mal an.
Es geht um die Frage, wie Bildungsleistungen im Umsatzsteuerrecht behandelt werden sollen. Da ist man der Auffassung, dass man alles ändern muss, während man gleichzeitig aber in jedem Brief den Steuerpflichtigen, die sich an das Bundesfinanzministerium wenden, schreibt: Es ändert sich gar nichts. – Aber die Unruhe ist gewaltig. Auch Sie werden entsprechende Briefe bekommen haben. Es geht unter anderem um die Musikschulen und die Frage: Wenn ein Musikschullehrer privat Klavierunterricht gibt, ist das in Zukunft steuerpflichtig?
(Tim Klüssendorf [SPD]: Wartet doch mal unsere Änderungsanträge ab!)
Wie wir sehen, ist das nach dem Gesetzentwurf steuerpflichtig. Die Ampel verteuert dadurch Bildung, und das völlig unnötigerweise. Da machen wir nicht mit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie schaffen eine gewaltige Verunsicherung – Sie haben das ja schon mit dem Heizungsgesetz geschafft, aber jetzt schaffen Sie das sogar noch mit dem Umsatzsteuergesetz –, sodass keiner mehr weiß, was eigentlich gilt. Sie schaffen neue Begrifflichkeiten wie „Ausbildung“, „Fortbildung“ und „Freizeitgestaltung“ und definieren sie nicht vernünftig. Sie übernehmen zudem die Vorgabe aus einer Richtlinie, wonach derjenige steuerpflichtig ist, der eine systematische Gewinnerzielungsabsicht hat – ein Begriff, den wir im Umsatzsteuerrecht bis jetzt noch gar nicht kannten und den Sie gar nicht einführen müssten. Von daher ändern Sie die Rechtslage schon. Aber die Menschen sind klüger, als Sie glauben, und haben das gemerkt. Ich hoffe, Sie erkennen das, streichen das und kehren wieder zum Normalmaß zurück, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der zweite Punkt ist, dass Sie die Nutzung von Sportanlagen auf einmal steuerfrei stellen wollen. Das klingt erst einmal gut und hat Sie wahrscheinlich dazu bewogen, das so festzuschreiben. Aber wenn man sich dann näher mit den Problemen beschäftigt und sich mit Verantwortlichen in Sportvereinen oder Kommunen unterhält, die Investitionen getätigt haben, stellt man schnell fest, dass sie ein Interesse daran haben, dass die Nutzungsentgelte mit Umsatzsteuer belegt werden, weil sie dann einen Anspruch auf Vorsteuerabzug haben. Ein Teil der Investitionen wird daraus finanziert. Das wird nach Ihrem Gesetzentwurf nicht mehr möglich sein, und das halten wir für falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen mal, warum Sie diese ganzen Fehler im Gesetz haben: Sie haben dieses Gesetz als Referentenentwurf am 17. Mai in die Anhörung gegeben. Für diejenigen, die nicht wissen, welcher Tag das war: Das war der Freitag vor Pfingsten.
(Markus Herbrand [FDP]: Welches Jahr?)
An diesem Tag ist es den Verbänden zur Anhörung um 21.05 Uhr geschickt worden mit dem Hinweis, man möge doch innerhalb von sieben Tagen Stellung nehmen. Da Pfingstmontag ein Feiertag ist, hatten die Verbände vier Werktage Zeit, um seriös zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Eine Farce ist das! Eine Farce!)
Wenn man denen mehr Zeit gäbe und Sie sich auch mehr Zeit für die Gesetze nähmen, dann würden Sie so einen Blödsinn, wie ich Ihnen beispielhaft aufgezeigt habe, nicht mehr machen, sondern gleich erkennen, dass das in die falsche Richtung geht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörn König [AfD])
Aus dem Bereich der Umsatzsteuer will ich nur noch die Vorsteuerpauschalierung für die Landwirte nennen. Da können wir jetzt diskutieren, ob die Beträge richtig oder falsch sind. Wir sind der Auffassung: Sie berechnen sie falsch. Aber besonders schön finde ich an diesem Gesetz, dass Sie den Pauschalsatz für 2024 – für das laufende Jahr – mit Verkündung dieses Gesetzes auf 8,4 Prozent ändern wollen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird nach Ihrem Plan – mal sehen, ob das klappt – am 22. November im Bundesrat erfolgen. Das heißt, das Ganze wird für vier Wochen gelten. Wollen Sie wirklich einen Umsatzsteuersatz bei den Landwirten für vier Wochen ändern und dann noch davon sprechen, dass Sie Bürokratie verhindern wollen? Ich glaube, das geht in die falsche Richtung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist der berühmte § 2b. Da geht es um Wettbewerbsverzerrungen und die Frage, wie die öffentliche Hand mit Unternehmen in den Wettbewerb treten kann. Das Gesetz ist 2015 beschlossen worden und sollte am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Die Anwendung wurde immer wieder verschoben; auch wir waren nicht ganz unbeteiligt. Jetzt soll sie noch mal verschoben werden. Damit ist es über zehn Jahre im Gesetzblatt, aber wird seit zehn Jahren durch die öffentliche Hand nicht angewendet. Ich glaube, so sollten wir mit Recht nicht umgehen. Da sollte gerade die öffentliche Hand Vorbild sein. Von daher: Lassen Sie die Finger davon!
Ich könnte noch mehrere Punkte ansprechen.
Das geht allerdings auf Kosten der Redezeit Ihres Kollegen Brehm.
(Heiterkeit des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])
Das will ich nicht riskieren, Frau Präsidentin, weil auch er noch Wichtiges zu sagen hat, zum Beispiel zum angepassten Biersteuergesetz.
Von daher: Wir freuen uns auf die Beratungen. Ich bin mal gespannt, ob die Koalition dann das eine oder andere aufnimmt und doch noch zur Vernunft kommt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat Tim Klüssendorf das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615449 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Jahressteuergesetz 2024, Wohngemeinnützigkeit |