Tim KlüssendorfSPD - Jahressteuergesetz 2024, Wohngemeinnützigkeit
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Jahressteuergesetz ist – die Staatssekretärin hat es ausgeführt – ein Gesetz, das sehr viele technische und rechtlich gebotene Anpassungen vornimmt: Anpassungen an EU-Recht, Anpassungen an EuGH-Rechtsprechung, Reaktionen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofes,
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nix Eigenes! Keine Idee! – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Kein großer Wurf!)
Regelungen von Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen, Folgeänderungen und Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen.
Aber, Kollege Fritz Güntzler, du hast natürlich komplett recht: Diesmal geht es auch um die hohe Politik. Wir haben genau die gleichen Zuschriften, Mails und Anrufe bekommen wie du und haben die gleichen Gespräche geführt.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das Ministerium! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ist aber wurscht, ne?)
Ich gehe gleich darauf ein. Denn die Frage ist natürlich: Wie gehen wir mit solchen Nachrichten um?
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ist Ihnen egal!)
Was machen wir damit? Du kannst sicher sein, dass das bei uns natürlich nicht irgendwo versandet, sondern dass wir uns ernsthaft darum bemühen, diese Missstände abzustellen und Lösungen herbeizuführen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Hätte das Ministerium doch schon mal machen können! Ich denke, da sitzt der Sachverstand!)
Erreicht haben uns viele Zuschriften von Musikschulen, Tanzschulen und Anbietern von Bildungsleistungen, die die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen in Gefahr sehen, aber auch die Nachrichten von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und kommunalen Verbänden, die die Finanzierung von Bau und Sanierung von Sportstätten – du hattest es ausgeführt – durch den Entfall des Vorsteuerabzugs gefährdet sehen.
Unsere Antwort lautet grundsätzlich: Wir haben uns das im Detail angeschaut. Wir waren schon mit dem Bundesfinanzministerium in mehreren Verhandlungsrunden und haben natürlich unsere Gespräche geführt. Wir erkennen erst mal an, dass die Maßnahmen – vor allen Dingen, was die Bildungsleistungen angeht – grundsätzlich in guter Absicht vollzogen werden sollten. Die unionsrechtlichen Vorgaben und die EuGH-Rechtsprechung sind uns allen bekannt. Aber wir erkennen auch, dass das natürlich nicht im Konflikt stehen darf mit den Interessen, die wir in der nationalen Gesetzgebung verfolgen, und mit dem, was vor Ort geübte Praxis ist. Ich will heute ein paar wichtige Signale senden – vor allen Dingen für die Betroffenen, die uns zuhören – und ganz klar sagen: Wir werden die Verunsicherung, die durch diesen Gesetzentwurf ausgelöst worden ist, eindeutig dämpfen,
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ausräumen wäre besser!)
indem wir mehrere Maßnahmen ändern bzw. sogar streichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich komme zum Punkt der Bildungsleistung. Da kann ich gleich vorwegnehmen – ich hoffe, dass meine Kolleginnen und Kollegen von FDP und Grünen mir verzeihen, dass ich das im Wissen, dass wir darüber noch in Berichterstattergesprächen miteinander reden, schon sage; aber ich hatte wahrgenommen, dass Einigkeit bei uns herrscht –: Wir werden die Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen, wie sie im Entwurf angelegt ist, so nicht beschließen. Wir nehmen die Unsicherheit über die vollumfängliche Fortführung der bisherigen Umsatzsteuerbefreiung, die momentan da ist, wahr und werden dementsprechend einen neuen Paragrafen dazu vorschlagen. Das bedeutet, dass wir nur minimalinvasiv das umsetzen, was europarechtlich geboten ist. Alle zusätzlichen Erläuterungen und Klarstellungen, die gemacht werden sollten, wird der Gesetzentwurf nicht mehr enthalten, der am Ende den Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung erreichen wird. Ganz klar und deutlich: Mit uns wird es keine Verteuerung und keine Verschlechterung geben, gerade was den Bereich der Musik- und Tanzschulen, aber auch was den gesamten Bereich der Bildungsleistungen angeht. Das ist das Signal, das heute schon in der ersten Lesung gesendet wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Denn wenn wir das Ziel der Chancengleichheit ernst nehmen, dann darf der Zugang zur Bildung – das ist ein Thema, das uns deutlich mehr beschäftigt als euch von der Union –
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das beschäftigt uns auch!)
niemals vom Geldbeutel abhängen, weder vom eigenen noch von dem der Eltern. Das werden wir auch in diesem Gesetz eindeutig verfolgen. Für uns ist ganz wichtig, dass Chancengleichheit besteht. Wir werden nicht zu einer Verteuerung der Situation beitragen,
(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
vor allen Dingen deshalb nicht, weil die Coronapandemie noch nicht so lange her ist und gerade im Bereich der Musik- und Tanzunterrichtsstunden immer noch große Herausforderungen bestehen. Deswegen werden wir hier eindeutige Signale setzen.
Beim Thema Sport werden wir ebenfalls aktiv werden bezüglich des Entwurfes, der uns unterbreitet worden ist, und die vorgeschlagene Umsatzsteuerbefreiung für die sogenannten in engem Zusammenhang mit Sport stehenden sonstigen Leistungen streichen. Das ist etwas, was in guter Absicht vorgeschlagen worden ist, was aber durch die eindeutige Rückmeldung, die wir bekommen haben, negative Auswirkungen haben könnte und Investitionen deutlich verteuern würde. Dementsprechend haben wir uns dazu entschieden, diese Maßnahme nicht durchzuführen.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Warum halte ich eine Rede? Es ändert sich ja alles!)
Auch das zeigt, dass wir das, was uns die Menschen schreiben und uns wissen lassen, sehr ernst nehmen und grundsätzlich bereit sind, unsere Gesetzentwürfe anzupassen. Auch hier werden wir also gemeinsam den Weg gehen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Weiterhin geht es um die Kommunen. Wir werden die Übergangsfrist für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand noch mal verlängern. Von den kommunalen Vertretern ist uns deutlich gespiegelt worden, dass das notwendig ist. Wir wissen natürlich, dass jetzt schon einige Jahre ins Land gegangen sind.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Und einige Kommunen es gemacht haben!)
Vielleicht für die, die sich nicht daran erinnern: Sieben der zehn Jahre, in denen die Übergangsfrist galt, standen unter Mitwirkung der Union. Es geht also nicht nur um die drei Jahre, die wir obendrauf gepackt haben; auch das ist vielleicht noch mal wichtig zu erwähnen. Wir sind einfach noch nicht an dem Punkt, an dem die Kommunen das in aller Breite stemmen können. Deswegen werden wir hier die Übergangsfrist verlängern.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Letzte, was ich ansprechen will, ist die Istbesteuerung. Hier wollen wir ein weiteres EuGH-Urteil umsetzen. Wir wissen, dass die Umsetzung dieses Urteils mittelfristig zu einer massiven Einschränkung der Istbesteuerung führen wird, die gerade für kleine Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Erhaltung ihrer Liquidität ist. Deshalb werden wir auch hier eine Änderung vornehmen. Wir haben uns unter den Koalitionspartnern schon darauf verständigt, die Umsetzungszeiträume zu erweitern und die Umsetzung erst zum 1. Januar 2028 vorzunehmen, sodass wir hier mehr Zeit gewinnen. Auch das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Signal an die Unternehmen. Sie hätten möglicherweise unter einer früheren Umsetzung zu leiden und können nun dank des erweiterten Zeitraums besser damit umgehen.
Fazit: Ich bin wirklich sehr dankbar, dass wir diese wichtigen Entscheidungen schon zu einem so frühen Zeitpunkt in den Gesetzesberatungen gemeinsam treffen konnten. Ich glaube, wir zeigen damit, dass wir handlungsfähig sind, dass wir die Dinge, die uns entgegengebracht werden, auch ernst nehmen und dass wir hier solide Regierungspolitik machen. Ich hoffe, dass Sie dann im Rahmen der zweiten und dritten Lesung vielleicht sogar unserem Gesetzentwurf zustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Na, wenn der weiter so verbessert wird! Über § 2b müssen wir noch reden!)
Das Wort hat der Abgeordnete Klaus Stöber für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615450 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 187 |
Tagesordnungspunkt | Jahressteuergesetz 2024, Wohngemeinnützigkeit |