26.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 188 / Tagesordnungspunkt 9

Sascha MüllerDIE GRÜNEN - Fortentwicklung des Steuerrechts, Existenzminimum

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern hat die Union in der Debatte zum Jahressteuergesetz beklagt, dass es darin zu viel Klein-Klein gäbe.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist schon groß!)

Heute können wir sagen: Ja, das war auch der Plan; denn die großen Dinge haben wir uns heute für das Steuerfortentwicklungsgesetz aufgespart.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Und ja, dieser Gesetzentwurf beinhaltet bereits Einiges aus der Wachstumsinitiative. Und ja, dabei wird vielleicht das eine oder andere sicher noch im parlamentarischen Verfahren dazukommen. Und ja, nicht alles aus der Wachstumsinitiative lässt sich in ein einziges Steuergesetz packen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Und ja!)

Denn – und das sage ich hier auch als Finanzpolitiker – es gibt ja noch andere wichtige Politikfelder.

Warum machen wir das? Wir sehen, es gibt viele strukturelle Probleme hierzulande, die wir angehen müssen. Wir können mit der Wachstumsinitiative ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von rund einem halben Prozent herbeiführen. Und ja, fünf Minuten Redezeit sind zu kurz, um alles, was das Gesetz schon beinhaltet, aufzuzählen. Ich beschränke mich daher heute auf drei Dinge:

Zum einen auf den Punkt, der für unsere Automobilindustrie so wichtig ist: Die Zukunft gehört der Elektromobilität, nicht die ferne, sondern die nahe Zukunft. Das sehen wir an den Zahlen weltweit und auch in Europa, allerdings vor allem nur um uns herum. In Deutschland hinken wir der Entwicklung hinterher. Es hilft unserer Automobilindustrie, wenn wir hier wieder Impulse hinbekommen. Wie machen wir das? Zunächst einmal können wir festhalten, dass der private Sektor bei den Neuzulassungen von Elektroautos Vorreiter ist. Der Großteil der Neuzulassungen geht aber in den dienstlichen Sektor. In diesem Sektor die Lücke zu schließen, ist also sehr wirkungsvoll, und wir sollten das entsprechend anreizen. Jetzt ließe sich zum Beispiel die Dienstwagenbesteuerung ändern. Weil die einfache Variante, nur an einigen Kommastellen bei der Besteuerung des privaten Anteils zu drehen, für die Koalition offensichtlich zu einfach war,

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

haben wir uns für einen anderen Weg entschieden, den mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten bei den Unternehmen. Ob es darüber hinaus weitere Anreize gerade für Mittelklassewagen geben kann, das werden wir noch ausloten.

Etwas anderes aus der Wachstumsinitiative stammt direkt aus dem Koalitionsvertrag: die Steuerklassenreform. Die Steuerklassen III und V werden abgeschafft und automatisch in die Steuerklasse IV mit Faktor überführt. Auf diese beiden Wörter „mit Faktor“ kommt es an. Zwar wird die Umsetzung einiges an Zeit kosten, aber die Vorteile liegen auf der Hand: eine gerechtere Besteuerung im Lohnsteuerabzugsverfahren und wenig Risiko für hohe Nachzahlungen im Zuge der Steuererklärung. Das Faktorverfahren, das bisher leider nur wenige Paare überhaupt kennen, bekommt nun Aufmerksamkeit. Viele werden feststellen, dass es große Vorteile bringt, und werden es schon anwenden.

Warum ist diese Änderung im Lohnsteuerverfahren ein Teil der Wachstumsinitiative?

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Familien haben weniger Geld danach! – Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])

Nun, weil es Fehlanreize bei der Aufnahme oder Ausweitung der Erwerbsarbeit beseitigt; denn mit den starren Annahmen in den noch geltenden Steuerklassen III und V ist es für den Partner oder die Partnerin in der Steuerklasse V unterjährig wenig attraktiv, mehr zu arbeiten. Und selbst eine Gehaltserhöhung verliert durch den höheren Steuerabzug an Attraktivität. Das soll nicht so bleiben.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist doch Schmarrn!)

Und „Leistung muss sich wieder lohnen“ stimmt also hier zumindest gefühlt nicht oder bisher nur bedingt. Eigentlich müssten also auch CDU und CSU diese Reform begrüßen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da Lohnersatzleistungen wie das Kurzarbeitergeld auf dem Nettogehalt aufbauen, werden nebenbei auch hier Ungerechtigkeiten insbesondere für Frauen, die sich deutlich häufiger in der Steuerklasse V befinden, abgebaut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist doch Wahnsinn!)

Und um auch das gleich zu sagen, weil mir das immer noch vereinzelt begegnet: Nein, es handelt sich nicht um eine Reform oder gar Abschaffung des Ehegattensplittings. Wer so etwas behauptet, erzählt schlicht die Unwahrheit. Ganz egal, wie genau sich welche Fraktion zum Ehegattensplitting positioniert – es ist bekannt, dass sich meine Fraktion hier Reformen hätte vorstellen können –: Mit der Abgabe der Steuererklärung, die ja sowohl bei Anwendung der Steuerklassenkombination III und V wie auch bei der Anwendung des Faktorverfahrens verpflichtend ist, kommt am Ende in beiden Fällen bei der Ermittlung der zu zahlenden Steuer exakt das gleiche heraus.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)

Zum Schluss noch mein Hinweis – und das schließt das zweite hier in diesem Tagesordnungspunkt behandelte Gesetz mit ein –: Wir passen auch rückwirkend für 2024 die Steuerfreibeträge an, also Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag. Ich sehe es als einen großen Erfolg, dass künftig nun die Anpassung des Kindergeldes im Gleichlauf mit der Anpassung des Kinderfreibetrages erfolgen muss. Ob wir vor der Anwendung dieser Regel noch zusätzlich zur Anhebung der Freibeträge auch die Höhe des Kindergeldes noch einmal angehen müssen, das wird sich in den weiteren Beratungen erweisen. Ich freue mich jedenfalls darauf, daran mitzuwirken, ein gutes Gesetz noch besser zu machen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und ich erteile das Wort für die Unionsfraktion Fritz Güntzler.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615570
Wahlperiode 20
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Fortentwicklung des Steuerrechts, Existenzminimum
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