26.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 188 / Zusatzpunkt 6

Niels Annen - Aktuelle Stunde: Ergebnisse des Zukunftsgipfels der Vereinten Nationen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass dieses Haus heute über den Zukunftsgipfel diskutiert; denn dieser Gipfel hat eine Bedeutung, die aus meiner Sicht in Deutschland im Moment noch ein bisschen unterschätzt wird.

Wenn man sich mit den etwas mühsamen Formulierungen der Vereinten Nationen, die ja immer auf Konsens beruhen, auseinandersetzt und das Dokument in den Händen hält, denkt man vielleicht: Warum redet der Bundestag eigentlich darüber? Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist hier eigentlich vorgefallen? In einer Zeit größter diplomatischer, regionalpolitischer, internationaler Spannungen ist es gelungen, die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen erneut zu bekräftigen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass dieser Zukunftspakt so etwas wie ein neues Momentum für den Multilateralismus ist. Dabei war keineswegs sicher, dass die Weltgemeinschaft überhaupt an diesen Punkt kommt.

Die Kolleginnen und Kollegen, die vor mir geredet haben, haben es bereits gesagt: Deutschland und Namibia sind in mühsamer, fast zweijähriger Arbeit dem Ruf des UN-Generalsekretärs gefolgt. António Guterres war es ja, der mit seiner Common Agenda und dem Wunsch an Deutschland und Namibia, die Kofederführung zu übernehmen, den Startschuss dafür gegeben hat. In Hunderten von Stunden, nach Tausenden von Änderungsanträgen und dem Wälzen vieler Texte haben es der Bundeskanzler und der namibische Präsident Mbumba sowie, das will ich ausdrücklich sagen, die beiden beteiligen Außenministerien und unsere jeweiligen Botschafterinnen und Botschafter geschafft, diesen Konsens zu erarbeiten.

Ich hatte das Privileg, in New York dabei zu sein. Wenn man sich die Reaktionen nach der Annahme dieses Paktes angeschaut hat, hat man einen Aufbruch gespürt. Dabei war keineswegs sicher, dass diese Botschaft in die Welt geht; denn eine kleine Gruppe von Staaten hat im wahrsten Sinne des Wortes noch in der letzten Minute durch Geschäftsordnungstricks versucht, diese Beschlussfassung zu verhindern. Was in dem Augenblick passiert ist, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist bemerkenswert und erlaubt uns, wenn ich das so sagen darf, einen Blick in die Vereinten Nationen der Zukunft.

Es begann mit dem Aufruf des Generalsekretärs. Es wurde zwei Jahre gearbeitet. Ein Staat des Globalen Nordens und ein Staat des Globalen Südens haben die Vorarbeit geleistet, Deutschland und Namibia – der Kollege Ullrich hat darauf hingewiesen –, die ja eine ganz spezielle Geschichte verbindet. Diese Vorarbeit wurde dann – so war es vorgesehen – dem Präsidenten der Generalversammlung übergeben. Der Präsident der Generalversammlung kommt aus einem afrikanischen Land, aus Kamerun. Und es war die Gruppe der afrikanischen Staaten, die die Gegenrede zu dem Antrag des russischen Botschafters gehalten hat. Es war die Gruppe der afrikanischen Staaten, die gesagt hat: Natürlich sind wir nicht mit jedem Spiegelstrich einverstanden – wir übrigens auch nicht –, aber wir brauchen gerade in diesen Krisenzeiten die Vereinten Nationen. – Das ist es, was auch für die verschiedenen Arbeitsbereiche, die das Dokument aufgelistet und zur Beschlussfassung vorgelegt hat, welche am Ende ja auch erreicht wurde, so wichtig gewesen ist: dass wir uns jetzt mit der Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Völkergemeinschaft an die Arbeit machen.

Liebe Frau Präsidentin, ich habe nicht die Zeit, über alle Punkte zu reden; aber ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, aus Sicht der deutschen Entwicklungspolitik zu ein paar Punkten Stellung zu nehmen, die uns dieser Pakt quasi als Hausaufgabe mit auf den Weg gibt.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Frage der internationalen Finanzarchitektur. Dort geht es darum, dass die Weltbank und die multilateralen Entwicklungsbanken besser zusammenarbeiten müssen. Es wird die Erwartung formuliert, mehr Geld, mehr Möglichkeiten und mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, aber auch den Bereich der internationalen Kooperationen insgesamt bereitzustellen. Wir werden schon in zwei Wochen bei der ersten Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz die Gelegenheit haben, mit den Vertreterinnen und Vertretern der großen internationalen Finanzorganisationen und vielen Staaten des Globalen Nordens und Globalen Südens genau darüber zu diskutieren.

Wir haben uns bereits vor dem „Pakt für die Zukunft“ auf den Weg gemacht. Ministerin Svenja Schulze hat mit ihrer amerikanischen Kollegin Janet Yellen eine Weltbankreform auf den Weg gebracht. Ist sie perfekt? Mit Sicherheit nicht. Sie ist auch noch nicht abgeschlossen; wir arbeiten daran.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich trage das hier vor, weil der Ruf nach einer Reform der internationalen Finanzarchitektur nicht neu ist, aber von den Vereinten Nationen jetzt noch mal unterstrichen wurde. Deutschland hat nicht nur die Kofederführung für diese Verhandlungen übernommen; sondern sich in diese Debatte eingebracht. Wir haben als erstes Land Geld zur Verfügung gestellt. Der Bundeskanzler hat über 300 Millionen Euro für ein sogenanntes Hybridkapital angekündigt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wir haben’s ja!)

Da kann man sagen: Na gut, das klingt jetzt etwas technisch. – Das hat aber dazu geführt, dass viele andere Länder sich beteiligt haben. Wir hebeln diese Mittel mit einem sehr innovativen Instrument und können so mehr für Entwicklung ausgeben. Das ist der Weg der Zukunft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Natürlich müssen wir auch darüber reden, wie es in Zukunft auch in der Frage der internationalen Finanzarchitektur eine gerechtere Repräsentation gibt.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen – auch den hat der Kollege Ullrich schon erwähnt –: Im Grunde gibt es jetzt zum ersten Mal ein Dokument der Vereinten Nationen, das sich mit den Kernfragen der Digitalisierung auseinandersetzt, bis hin zu auch für unser Wohlstands- und Zukunftsmodell so zentralen Themen wie der Frage, wie wir mit Technologien wie KI umgehen. Wir wissen doch alle, auch aus den Gesprächen in unseren Wahlkreisen, dass es Sorgen hinsichtlich des Missbrauchs dieser Technologien gibt. Wir brauchen gemeinsame Standards, und diese Standards reflektieren die Werte der Vereinten Nationen. Damit haben wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht.

Aber ich sage aus entwicklungspolitischer Sicht auch: Die Frage der Digitalisierung ist nicht nur eine technische Frage. Der Zugang zu und die Offenheit von Technologien ist auch eine entwicklungspolitische Aufgabe, der wir uns stellen. Deswegen glaube ich, dass der „Pakt für die Zukunft“ auch innovativ ist, weil er ein solches Thema mit aufgegriffen hat.

Und dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich auch etwas zu der Frage „Wie geht es überhaupt weiter mit den Vereinten Nationen selbst?“ sagen. Denn das hätte auch schiefgehen können in New York. Es ist der großen Anstrengung vieler Staaten, auch vieler Diplomaten, Staats- und Regierungschefs und am Ende auch der Führung von António Guterres zu verdanken, dass das so gelingen konnte. Aber machen wir uns nichts vor: Was wir in New York erlebt haben, ist, dass wir gerade auch von den afrikanischen Staaten einen Vertrauensvorschuss erhalten haben – und das gerade uns gegenüber, den großen, wohlhabenden Ländern, die eine besondere, zum Teil auch historische Verantwortung tragen.

Deswegen müssen wir jetzt aus dieser Verantwortung etwas machen, und deshalb ist es so wichtig, dass Deutschland die Gelegenheit genutzt hat, auf der einen Seite die Kandidatur für eine erneute Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat zu präsentieren und auf der anderen Seite aber auch deutlich zu machen – auch in den Verhandlungen –, dass der Sicherheitsrat so, wie er heute aussieht, nicht bestehen kann. Die heutige Welt muss in ihrer ganzen Vielzahl, mit den neuen Machtzentren, mit legitimen Forderungen nach Mitsprache – auch von Ländern wie Namibia, Südafrika, Indien, Indonesien und vielen anderen Ländern, die man hier nennen könnte –, ausreichend repräsentiert sein.

Ich glaube, es ist eine gute Nachricht und spricht für die These, dass diese Debatte und die Verabschiedung des „Pakts für die Zukunft“ ein neues Momentum ausgelöst haben, dass sowohl die amerikanische Seite als auch andere, die über einen permanenten Sitz verfügen, wie die französische Regierung, ihre Position zur Reform des UN-Sicherheitsrats verändert haben. Vor wenigen Stunden erst hat der französische Präsident in der Generalversammlung die Bereitschaft bekundet, daran mitzuarbeiten. Das ist ein gutes Zeichen.

Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Beatrix von Storch, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615640
Wahlperiode 20
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Ergebnisse des Zukunftsgipfels der Vereinten Nationen
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