Thomas HackerFDP - Filmförderungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident, sind Sie Kinogänger? Liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Sie Kinogängerin oder Kinogänger?
(Anikó Glogowski-Merten [FDP]: Ja!)
Brauchen Sie das Erlebnis, die Vorfreude, den Duft von Popcorn, einen spannenden Kurzfilm im Vorprogramm, die Eiswerbung und dann den lang ersehnten Blockbuster, die Marvel-Comic-Verfilmung – Superhelden gehen immer – oder einen deutschen Film, Drama, Komödie oder Arthouse, Siegerfilme der Berlinale, aus Venedig oder Cannes? Für Frau von Storch hätte ich auch einen Filmtipp: Charlie Chaplins „Der große Diktator“, am besten in Dauerschleife.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Oder mögen Sie lieber doch die bequeme Variante, daheim auf dem Sofa, Netflix und Co, Film oder Serie, jederzeit verfügbar, abrufbar? Popcorn gibt es vielleicht auch, schmeckt bloß nicht so gut wie im Kino – egal.
Die Produktion von Serien und Kinofilmen boomt, weltweit. Der größte Markt für audiovisuelle Medien innerhalb Europas ist Deutschland. Die beste Voraussetzung für den Filmstandort, für die Kreativen, für die Produzenten, für die Studios hierzulande, müsste man meinen. Aber nein: Die weltweite Filmindustrie hat in den letzten Jahren einen Bogen um Deutschland gemacht, manchmal einen großen Bogen, manchmal einen nicht so großen.
Schlimmer noch: Deutsche und deutschsprachige Produktionen wurden ins Ausland verlagert. Aber warum? Zu niedrige Fördervolumina, lange Entscheidungswege, bürokratische Abwicklung, mangelnde Planbarkeit und vor allem eins: attraktivere Förderbedingungen im Ausland. So darf es nicht weitergehen.
(Beifall des Abg. Torsten Herbst [FDP])
In Großbritannien haben sich die Filmstudiokapazitäten in den letzten drei Jahren verdoppelt. Seit 2019 wurden durch Produktionen mit Auslandsinvestitionen 18 780 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die könnten wir auch gebrauchen.
33 europäische Länder gehen andere Wege. Polen, Tschechien, Frankreich machen es vor. In Wien werden neue Studios gebaut. Babelsberg steht leer und produziert Verluste.
Bereits die zweite Legislaturperiode doktert die Kulturpolitik des Bundes an einer großen Reform der Filmförderung herum. Monika Grütters: scheitert und vertagt. Und Claudia Roth? Claudia Roth vertagt auch. Ob es zum Scheitern kommt, entscheiden die nächsten Tage. Eine Filmförderung, die altes Geschäft nach Deutschland zurückholt und neue Produktionen nach Deutschland lockt, lässt weiter auf sich warten. Die Zeit drängt.
Was brauchen wir genau? Was braucht der Filmstandort Deutschland? Eine Anreizförderung auf europäischem Niveau, automatisiert, mit einer Verzahnung von Bund und Ländern, wenig Bürokratie, hohe Attraktivität. Darin ist sich die gesamte Filmbranche einig.
Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie sind im Grundsatz auch Teil der Maßnahmen der Bundesregierung zur Belebung der Wirtschaft. Wann kommen die konkreten Vorschläge?
Also ändern wir erst mal das FFG, das Filmförderungsgesetz. Auch diese Reform ist überfällig, seit Jahren:
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist eine Oppositionsrede, Herr Hacker!)
mehr Autonomie für die Branche, mehr Flexibilität, auch was Auswertungszeiten angeht.
Es gibt noch viel zu diskutieren. Wir wollen Kunstfreiheit schützen, indem Eingriffe in künstlerische Belange durch Beiräte – wie auch immer sie heißen mögen – unterbunden werden.
Wir wollen die Vielfalt im Kino aufrechterhalten,
(Stephan Brandner [AfD]: Frau Roth sieht das anders! Haben Sie mit der gesprochen?)
und zwar auf der Leinwand wie auch drumherum. Unterstützung für kleine und mittlere Kinos besonders im ländlichen Raum ist wichtig.
Die Vielfalt auf der Leinwand schafft auch der Erhalt der Abspielförderung von Kurzfilmen. Ins Kino geht nur, wer von den guten Filmen auch weiß. Deshalb ist es unverständlich, dass die Medialeistung der Sender und Streamer nicht mehr angerechnet werden soll. Mehr Werbung fürs Kino schafft mehr Sichtbarkeit, mehr Sichtbarkeit schafft mehr Kinobesucher, und mehr Kinobesucher bringen höhere Einnahmen fürs Kino und die FFA.
Es gibt noch mehr Fragen: Gibt es ausreichend Unterstützung für Kinos und Verleiher? Wer wird wie belastet? Sind alle relevanten Teilbereiche berücksichtigt? Der Jugendfilm, der Kurzfilm, der Animationsfilm.
(Martin Rabanus [SPD]: Der Dokumentarfilm!)
– Auch der Dokumentarfilm. All das werden wir bei der Anhörung im Kulturausschuss und auch hier diskutieren.
Mit der Überarbeitung des FFG ist es für die Filmindustrie allerdings noch nicht getan. Was der deutsche Filmmarkt nicht braucht, ist weitere Regulierung und die Schaffung neuer Bürokratie. Eine sogenannte Investitionsverpflichtung würde Streamer und Fernsehsender dazu zwingen, nach Quoten und Subquoten Programminhalte zu kaufen – europarechtlich schwierig. Im Zweifel ließen sich solche Quoten auch durch Käufe in Österreich oder Tschechien erfüllen. Die Wirkung für die deutschen Produzenten wäre gleich null. Über das Programm entscheiden dann nicht mehr die Zuschauer, sondern Quoten und Subquoten.
Also: Nutzen wir die wenigen Tage! Fassen Sie sich ein Herz, Frau Roth, konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche, entfesseln Sie den Filmstandort Deutschland!
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist eine Oppositionsrede! – Stephan Brandner [AfD]: Gibt es die Ampel eigentlich noch?)
Dann hat der deutsche Film eine Zukunft, dann haben Filmproduktionen in Deutschland eine Zukunft, und wir alle können die Ergebnisse genießen, im Kino oder auf dem Sofa, aber immer mit Popcorn, Herr Präsident.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])
Um Ihre Frage, Kollege Hacker, zu beantworten: Ich bin Kinogänger, auch ohne Popcorn; das macht dick.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Petra Sitte, Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615672 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 188 |
Tagesordnungspunkt | Filmförderungsgesetz |