26.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 188 / Tagesordnungspunkt 11

Helge LindhSPD - Filmförderungsgesetz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben auf der Bank Bullshit-Bingo gespielt und uns gefragt, warum Frau von Storch zu dem Thema spricht, und jedes Los war ein Treffer. Der Witz ist aber: Die Aufzeichnung Ihrer Rede werde ich allen, die ich vom Diversitätsbeirat überzeugen muss, vorspielen. Sie haben also bestmögliche Werbung für den Diversitätsbeirat gemacht.

(Stephan Brandner [AfD]: Verbreiten Sie das mal fleißig!)

Übrigens haben Sie – das muss man hier sagen, auch vor dem Publikum – in Ihrer Rede schwarze Deutsche beleidigt, Sie haben Menschen mit Beeinträchtigung beleidigt, Sie haben non binäre Personen beleidigt, Sie haben Frauen beleidigt.

(Stephan Brandner [AfD]: Wo denn? – Beatrix von Storch [AfD]: Sagen Sie doch mal, wie! – Weiterer Zuruf von der AfD: So ein Unsinn!)

Das muss man erst mal hinbekommen. Herzlichen Glückwunsch!

Wenn ich mir vorstellte, ich würde einen Film drehen, in dem diese Rede vorkäme, dann wäre die Rede in dem Film das Ergebnis aus exzessivem Drogenkonsum wie in „Fear and Loathing in Las Vegas“, kombiniert mit exzessiver Lektüre rechtsextrem-rassistischer völkischer Literatur.

(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Rede würde unter „Psycho“ laufen! „Psycho III“!)

Also: Sie haben invers Werbung für Film gemacht. Zum Glück ist im Film anderes möglich.

Wir sprechen über die Notwendigkeit von Wirtschaftsförderung am Standort; aber es geht eben auch um Kulturpolitik. Das Besondere und Wichtige an dem Vorhaben ist,

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

dass wir hier über Kunst und Kultur sprechen und gerne auch selbstbewusster darüber sprechen sollten. Frankreich ist ein gutes Beispiel: Dort ist man selbstverständlich filmpatriotisch, aber eben nicht im völkischen Sinne,

(Lachen bei der AfD)

sondern in dem Sinne, dass man stolz ist auf das, was die Bevölkerung im eigenen Land, egal wie man aussieht, denkt, liebt und weltanschaulich orientiert ist, ausmacht, und dass man stolz darauf ist, was man künstlerisch hervorbringt. Gerade das macht dieser Entwurf auch möglich. Wir sehen, es geht hier um einen Markt, aber es geht auch um Kunst und Kultur.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Es geht um eine Kunst- und Kulturform, bei der etwa wie in den Filmen von Tarantino eine zutiefst ungerechte Realität – die bittere Realität, manchmal auch die allzu AfD-artige Realität –

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

umgekehrt wird durch eine höhere Gerechtigkeit. Das ist das Wunder, das der Film hervorzaubern kann. Man lernt, in dieser Welt, in der wir zugeballert werden mit Bildern und letztlich nicht mehr sehen können, wieder zu sehen.

Wir sprechen in unseren kulturpolitischen Debatten oft über alles Mögliche; aber wir sprechen nicht über Kunst und Kultur. Aber darüber muss man sprechen, über das, was der Film vermag. Auch deswegen gehen wir diese Reform an, und wir gehen sie groß an, mutig und risikoreich. Aber dieses Land leidet nicht unbedingt darunter, dass wir zu viele Risiken eingehen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Nee, mit der Energiewende ist das gar kein Risiko!)

Deshalb freue ich mich, dass wir dieses Risiko bei allen noch zu klärenden Prozessen und mit allem Mut eingehen. Es ist eine wirklich umfassende Reform. Ich finde, man kann auch mal selbstbewusst und stolz auf den Versuch einer Reform sein.

(Stephan Brandner [AfD]: Aber nicht so ein Murks!)

Deshalb werden wir die Umsetzung verfolgen. Und dass Sie sich so darüber aufregen, spricht für die Qualität dieser Reform.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Die Reform muss natürlich auch praktisch umgesetzt werden. Ich will nicht die genannten Punkte wiederholen; aber wir werden genau gucken müssen, wie es mit Verleihen und Kinos ist, und hier entsprechend flankieren oder auch im gesetzgeberischen Prozess arbeiten. Wir werden auch gucken müssen – das ist alles leider sehr technisch formuliert und eine Zumutung für Zuschauende –, wie die Umstellung auf die automatisierte Referenzförderung für jene funktioniert, die keine Punkte haben, die also nicht diese Referenzförderung in Anspruch nehmen können. Für sie müssen wir eine entsprechende Übergangslösung finden. Das werden wir höchstwahrscheinlich auch machen müssen, weil wir dieses Gesamtkunstwerk – wenn es denn so kommen wird – aus Filmförderungsgesetz, Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtungen auf den Weg bringen wollen. Hier müssen wir eine Übergangszeit mit einplanen.

Da ist es völlig richtig und auch konsequent, dass aus ästhetischen Gründen und nicht als woke Verschwörung, sondern begleitend auch Fragen von Nachhaltigkeit und Diversität mitgedacht werden. Ja, selbstverständlich.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Film in diesem Land, der nicht zeitgemäß ist und die Bevölkerung dieses Landes nicht abbildet, hat auch ästhetisch-künstlerisch ein Problem. Das ist keine Verschwörung, es ist keine links-grüne böse Absicht, sondern es ist einfach nur stinknormale Realität.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Es beschreibt den Umstand, dass deutsche Filme die Realität deutscher Klassenzimmer und deutscher Büros abbilden. Darum geht es nämlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir das so auf den Weg bekommen, dann ist das ein sehr selbstbewusstes Statement. Es ist ein selbstbewusstes wirtschaftspolitisches Statement, dass wir wollen, dass dieser Wirtschaftsstandort viel attraktiver wird, auch im Wettbewerb der Systeme. Aber es ist auch ein lautes kunst- und kulturpolitisches Statement, dass wir diese Kunst wollen, dass wir wollen, dass Leute genauer hinsehen und besser verstehen. Es ist ein Bekenntnis zur Medienbildung und ein Bekenntnis zum Film.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Hacker [FDP])

Wer lernt, genau hinzusehen, fein hinzugucken, der ist ohne große Belehrung fähig, nicht in einfachen Kategorien zu denken, und wird nicht so dämlich über Diversitätsbeiräte sprechen, wie manche in diesem Raum das leider getan haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindh. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der fraktionslose Kollege Stefan Seidler vom SSW. Bis Sie da sind, kann ich sagen: Südschleswigscher Wählerverband.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615674
Wahlperiode 20
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Filmförderungsgesetz
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