Thomas JarzombekCDU/CSU - Sachverhaltsaufklärung der Fördermittel-Affäre
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier heute? Es geht um einen kruden Brief, einen linken kruden Brief, den 100 Wissenschaftler unterschrieben haben, deren Meinung wahrscheinlich die meisten hier in diesem Hause nicht teilen. Aber gerade weil wir die Meinung nicht teilen, ist es so wichtig, dass es Meinungsfreiheit in diesem Land gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was ist anschließend im Ministerium passiert? Auf einer Liste mit allen unterzeichnenden Wissenschaftlern dieses Briefes wurde markiert, wer von denen öffentliche Förderung erhält. Im Raum steht also die Frage: Sollte hier eine Abstrafung erfolgen durch den Entzug von Fördermitteln für Meinungsäußerungen, die missliebig sind? Ein ganz normaler Vorgang – so hat es die Ministerin immer wieder gesagt.
Doch am 16. Juni entlässt Frau Bundesministerin Stark-Watzinger ihre Staatssekretärin Sabine Döring und veröffentlicht auch ein Statement. Sie schreibt:
„Nichtsdestotrotz wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im … (BMBF) erwogen werde …
Der entstandene Eindruck ist geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen.“
– da haben Sie übrigens vollkommen recht, Frau Ministerin – und dass ein personeller Neuanfang notwendig sei. Da haben Sie übrigens auch vollkommen recht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ist jetzt damit alles aufgeklärt? In den letzten drei Monaten gab es immer wieder neue Veröffentlichungen. Whistleblower haben interessante Chats und Dokumente ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Wie wir im Ausschuss herausgearbeitet haben, wurde der Auftrag zur Erstellung der Listen erteilt, als Frau Staatssekretärin a. D. Döring noch im Urlaub war, und auch weiterbetrieben, nachdem der Vorgang vermeintlich ruhend gestellt wurde. Was davor und danach passierte, das bleibt bis heute im Dunkeln. Frau Ministerin, Sie haben dabei immer wieder den Eindruck erweckt, dass wir Dinge vermischen würden. In Wahrheit ist es aber so, dass Sie Dinge vermischt haben, indem Sie versuchen, Frau Döring diesen ganzen Vorgang ans Bein zu binden, die offenbar gar nicht beteiligt war.
(Beifall bei der CDU/CSU, der Linken und dem BSW)
Was haben wir und was hat das Parlament gemacht? Wir haben versucht, Aufklärung zu betreiben; doch Sie haben das systematisch ausgebremst. Auf unsere Kleine Anfrage mit 100 Fragen wurde die Mehrheit der Fragen nicht beantwortet. Kritische Fragen wurden auch im Ausschuss in zwei Sitzungen nicht beantwortet. Die Aussage von Frau Professor Döring wurde verboten; die Aussage des Leiters der Abteilung 4 wurde verboten; aktenrelevante Vorgänge im Kommunikationssystem Wire wurden weder veraktet noch veröffentlicht. Das Verwaltungsgericht Köln musste Sie dazu zwingen, dass Sie nicht weiterhin diese Vorgänge löschen.
Es sind Dinge passiert, die mir für einen Rechtsstaat und eine Rechtsstaatspartei FDP vorher unvorstellbar erschienen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der Linken und dem BSW)
Es steht sogar die Vermutung im Raum, dass hier ein Kreis Vertrauter an allen Regeln des Organigramms vorbeikommuniziert.
Und was war Ihre Reaktion, Frau Ministerin? Angriff statt Aufklärung. Sie haben uns als Union unterstellt, dass wir der Debattenkultur und der Demokratie in diesem Lande schaden würden. Die Kollegin Schröder hat uns – vielleicht in Rücksprache mit Ihnen – sogar vorgeworfen, mit Dreck zu werfen.
Ich möchte an dieser Stelle ein Lob an die Kollegen Kaczmarek und Gehring aussprechen und gleichzeitig auch ein Zitat ausbringen. Oliver Kaczmarek, der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD, hat gesagt, er sei der Meinung, „dass die Union ihren Job als Opposition macht“ und dass Sie, Frau Ministerin, statt sich darüber aufzuregen, „mehr Energie auf die Entkräftung der Vorwürfe“ verwenden sollten. Recht hat er.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kollege Gehring sagt:
„Als Grüner und Ausschussvorsitzender fordere ich, dass die Nachfragen der Opposition ernstgenommen werden … Zugleich müssen fundierte Fragen, die in der Affäre noch offen sind, beantwortet werden.“
Und wer ist jetzt am Ende die Schuldige? Wenn das alles stimmt, was veröffentlicht wurde, dann wurde Frau Professor Döring dazu gedrängt, die belastende E-Mail zu versenden, die sie nicht mal selbst geschrieben hat, um zwei Tage später gefeuert zu werden – eine Frau, die gerade auch in der jüdischen Gemeinschaft wegen ihres Engagements gegen Antisemitismus einen hervorragenden Ruf genießt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gleichzeitig – und das zeigt, Frau Ministerin, wo Sie in der Sache stehen – trafen Sie eine andere Entscheidung. In den gleichen Veröffentlichungen ist zu lesen, dass Ihr bisheriger Abteilungsleiter Roland Philippi von einer informellen Schere im Kopf von Wissenschaftlern fabuliert und von „verwirrten Gestalten“ spricht. Und genau diesen Abteilungsleiter Philippi befördern Sie zum Staatssekretär,
(Zuruf von der Linken: Völlig wahnsinnig!)
und Frau Döring werfen Sie raus. Mehr muss man eigentlich über Ihre Haltung an dieser Stelle gar nicht mehr wissen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der Linken und dem BSW)
Frau Ministerin Stark-Watzinger, als Sie Ministerin wurden und die FDP dieses Ressort besetzt hat, habe ich mich erst mal gefreut und gesagt: Eine Partei, die für Freiheit und Innovation steht, wird hier etwas erreichen.
(Stephan Brandner [AfD]: Wofür steht die? Sagen Sie das noch mal! Das ist aber lange her!)
Doch haben Sie in diesen drei Jahren weder für Innovation noch für die Freiheit etwas erreicht. Wenn wir gerade überlegen, was unser Hauptthema im Wahlkampfprogramm sein wird, dann denken wir an Freiheit, Wissenschaftsfreiheit, weil es offenbar die größtmögliche Differenzierung zu Ihrer Politik ist. Wer hätte sich das am Anfang vorstellen können?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch wenn Ihre eigene Partei bis zum Schluss an Ihnen festhalten wird, müssen Sie alle von der FDP sich die Frage stellen, welchen Beitrag Frau Stark-Watzinger leisten kann, dass Sie bei der Wahl in einem Jahr ein gutes Ergebnis erreichen. Ist sie für Sie ein Asset oder eine Belastung?
Herr Kollege.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615679 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 188 |
Tagesordnungspunkt | Sachverhaltsaufklärung der Fördermittel-Affäre |