Luiza Licina-BodeSPD - Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Recht zu haben, heißt nicht immer, recht zu bekommen. Meistens bekommt man auch kein Recht, sondern ein Urteil. Dieses Sprichwort ist ein Running Gag unter Juristen.
Geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern wird der Zugang zum Recht oftmals erschwert. Dafür gibt es viele Gründe: Eine Klage ist zu riskant oder zu teuer, der Gegner zu groß, oder es besteht keine Rechtsschutzversicherung und das Kostenrisiko droht. Die Betroffenen fragen sich aber auch: Soll ich mir den Stress überhaupt antun? – Deshalb handeln wir. Wir schaffen neues Prozessrecht und neue Klagearten, die die Instanzgerichte entlasten und Geschädigten den Zugang zum Recht erleichtern sollen. Das Leitentscheidungsverfahren, das wir jetzt hier in der Debatte ausführlich erörtert haben, wird dazu im Hinblick auf die Massenverfahren seinen Beitrag leisten.
Ich möchte gerne noch auf den gestrigen Verbrauchertag 2024 zu sprechen kommen, den ich auf Einladung des Verbraucherzentrale Bundesverbands besucht habe. Diskutiert wurde dort gestern nämlich auch der Zugang von Verbrauchern zum Recht. Der Bundesverband hat gestern die im Oktober 2023 eingeführte Sammelklage ausdrücklich gelobt,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
mit der nun für zahlreiche Geschädigte in einem Verfahren Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Wir entlasten damit die Justiz und haben den Rechtsweg für Verbraucher vereinfacht.
Die Verbraucherzentrale hat seit Oktober 2023 bereits in sechs Fällen die Sammelklage erfolgreich gegen Unternehmen auf den Weg gebracht. Hierbei handelte es sich um Mobilfunkanbieter, Energieversorger, Streaminganbieter, aber auch die Plattform Amazon gehört zu den Unternehmen, gegen die Verfahren betrieben werden.
Aktuell führt die Verbraucherzentrale eine Sammelklage gegen die Vodafone GmbH. Das fand ich gestern auf der einen Seite nicht wirklich überraschend. Wenn sich bisher jedoch nur 90 000 Vodafone-Kunden in das Klageregister eingetragen haben, die Verbraucherzentrale aber von 10 Millionen betroffenen Kunden ausgeht, dann frage ich mich andererseits, was wir besser machen können, damit wir allen Geschädigten auch zu ihrem Recht verhelfen können. Genau das ist mir aufgestoßen: Lediglich 1 Prozent der betroffenen Verbraucher/-innen sind letztlich von dieser Sammelklage erfasst worden.
Ich habe die ganze Zeit dafür plädiert, dass wir die Verbandsklage noch mal anpassen – und das sollten wir in Zukunft auch tun –, um die Hürde des Klageregisters zu beseitigen, damit alle geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher zu ihrem Recht kommen. Denn wer im Klageregister nicht eingetragen ist, an dem geht das alles vorbei. Derzeit kann man sich noch in dieses Klageregister eintragen, und dann wird das Ganze seinen Weg nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann aber nicht alles sein. Auch die Tatsache, dass bei den Verbraucherzentralen nur begrenzte Kapazitäten bestehen, um Sammelklagen zu führen, ist ein Umstand, den wir berücksichtigen müssen. Viele Unternehmen, die – in Anführungsstrichen – Verbraucher/-innen über den Tisch ziehen, landen gar nicht vor Gericht. Deshalb – und das ist auch hier in der Opposition erkannt worden –: Wir haben ein Problem mit Massenverfahren. Lassen Sie uns doch bitte alle zusammen zeitnah die Gruppenklage auf den Weg bringen! Dann kann die Anwaltschaft entsprechende Massenverfahren führen, damit die Justiz entlasten und Verbraucherinnen und Verbraucher zügiger zu ihrem Recht verhelfen.
An dieser Stelle bedanke ich mich noch mal bei der Verbraucherzentrale für das außerordentliche Engagement im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Verbraucherrechten und schließe gleichzeitig mit Dank für die Aufmerksamkeit.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Könnten Sie noch einen Satz zum Leitentscheidungsverfahren sagen, bitte?)
– Ja, habe ich.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615741 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 188 |
Tagesordnungspunkt | Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH |