27.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 189 / Zusatzpunkt 9

Michael Kellner - Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in einer wirtschaftlich schwierigen Lage.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist eindeutig!)

Das hat viele Ursachen. Unsere Infrastruktur zerbröselt. Man muss sich nur die Bahn anschauen oder sich die Bilder der Brücke in Dresden vor Augen führen. Wir haben eine große Bürokratiebelastung in diesem Land.

(Zuruf von der AfD: Der Wirtschaftsminister ist heute nicht da!)

Wir sind als Land zu kompliziert geworden.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das Land ist nicht kompliziert! Die Politik ist kompliziert!)

Deshalb ist es wichtig, dass wir gestern das Bürokratieentlastungsgesetz IV beschlossen haben und an diesem Thema auch weiterarbeiten werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Energiewende wurde verschlafen. Stattdessen gab es eine einseitige Abhängigkeit von Russland. Das ist nun wahrlich nicht allein die Verantwortung der Ampel,

(Beatrix von Storch [AfD]: Doch!)

wenn auch die ständigen Streitereien in der Regierung, die jede Reform begleiten, nicht helfen. Hinzu kommt: Es gibt wieder Krieg in Europa. In China, dem Exportmarkt Deutschlands, gibt es eine Absatzschwäche. Das macht die wirtschaftliche Lage so schwierig.

Doch wir sehen auch positive Entwicklungen. Die Inflation geht zurück, die Energiepreise fallen, die Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten steigt. Das haben wir geschafft. Das ist nicht wenig. Das allein wird aber nicht ausreichen. Deswegen hat die Ampel sich darauf verständigt, eine Wachstumsinitiative vorzulegen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, wann geht’s los?)

die bis zu 0,5 Prozent Wachstum bringen kann. Mit 120 Einzelmaßnahmen verbessern wir die Angebotsbedingungen für den Standort Deutschland im Bereich Investitionen, im Bereich Fachkräfte – dafür müssen wir übrigens ein offenes Land bleiben und Menschen willkommen heißen – und im Bereich Bürokratieabbau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich freue mich, dass jetzt alle – alle! – Ministerien Praxischecks machen, nicht nur das Wirtschaftsministerium.

Liebe Frau Klöckner, ich habe mir Ihre Rede angehört. Ich habe zugehört und gewartet. Ich dachte: Ja, das ist der übliche Text, schon klar. Aber, Mensch, kommt da ein Vorschlag? – Es kam nicht ein einziger Vorschlag in Ihrer Rede, wie wir die Wachstumsschwäche in diesem Land bekämpfen können. Es kam kein einziger Vorschlag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Seit zehn Wochen! Zehn Wochen lang!)

Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag, weil es mir um die Wirtschaft in diesem Land geht: Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir die Wachstumsinitiative durch den Bundesrat bekommen!

(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da macht sich die CDU wieder vom Acker!)

Lassen Sie uns gemeinsam für bessere Abschreibungen für die Unternehmen einsetzen – die warten darauf, dass das beschlossen wird – und daran arbeiten, eine bessere Forschungsförderung durchzubekommen! Lassen Sie uns das gemeinsam machen! Wir haben ja erlebt, wie die Union im Bundesrat ein Wachstumspaket eingeschrumpft hat, zum Schaden unserer Wirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir das gemeinsam, Bund und Länder, schnell umsetzen.

Herr Kellner, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau Klöckner?

Bitte.

Frau Klöckner, Sie haben das Wort.

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Kellner. – Es ist nicht so, dass wir uns erst jetzt in dieser Woche sehen. Sie sind ja regelmäßig im Wirtschaftsausschuss, vertreten dort Ihren Minister. Ist Ihnen entgangen – ich frage einfach noch mal nach, weil Sie sagten, es gebe keine Vorschläge der Union –, dass Ihre Fraktion dort seit zehn Wochen, seit Monaten mehrere Anträge von uns, von der Union, die mit sehr konkreten Vorschlägen unterlegt sind, abgelehnt hat?

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Welche denn? – Gegenruf des Abg. Tilman Kuban [CDU/CSU]: Haben Sie die Anträge wieder nicht gelesen!)

– Es ist nett, dass Sie dazwischenrufen: „Welche denn?“ Wenn man lesen kann, ist das sehr von Vorteil.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP)

– Es wird jetzt unruhig, weil es konkret wird

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und weil das eben nicht stimmt.

Aber Sie hatten schon Redezeit, Frau Klöckner.

Haben Sie wahrgenommen, dass wir sehr klar vorgeschlagen haben, dass wir eine Arbeitszeitflexibilisierung von der Tages- zu einer Wochenhöchstarbeitszeit brauchen, dass wir eine Superabschreibung brauchen? Haben Sie wahrgenommen, dass wir die Energiekosten wieder nach unten bringen müssen? Sie haben nämlich die Netzentgelte verdoppelt, und Sie haben die Pkw-Maut verdoppelt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)

Haben Sie wahrgenommen, dass wir ein Belastungsmoratorium vorgeschlagen haben, sehr konkret mit Beispielen, etwa der Abschaffung der A1-Regelung und vielem anderen mehr?

Haben Sie wahrgenommen, dass wir seit vielen Monaten ganz konkrete Vorschläge gemacht haben und Sie vonseiten der Grünen noch nicht mal bereit waren, über Vorschläge der Union überhaupt zu reden oder zu diskutieren?

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ist das Ihre Vorstellung von Demokratie und Austausch?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos])

Ich finde es total super, dass Sie diese Debatte jetzt genutzt haben, um ein paar Vorschläge zu unterbreiten.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die stehen im Antrag! – Florian Müller [CDU/CSU]: Haben Sie den überhaupt gelesen? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das finde ich gut. Ich habe vorhin in der öffentlichen Debatte – hier im Parlament, wo Menschen zuhören und auch Zuschauer dabei sind – gesagt: Mensch, ich habe in dieser Debatte keinen einzigen Vorschlag von Ihnen gehört. – Das kann man gerne nachlesen.

(Florian Müller [CDU/CSU]: So eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es war kein einziger Vorschlag dabei. Sie haben Ihre Redezeit nur dazu genutzt, zu sagen, wie blöd alle anderen sind.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn ich die Wirtschaft so in den Schlamassel gebracht hätte, würde ich eine weniger große Klappe haben! Zwei Jahre Rezession, das muss man erst mal schaffen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich bin froh, Frau Klöckner, dass Sie jetzt Vorschläge machen. Lassen Sie uns im geregelten Verfahren zwischen Bundestag und Bundesrat – ich bin gerne dazu bereit – über Vorschläge reden, wie wir das Wachstumschancengesetz, wie wir die Wachstumsinitiative größer und nicht kleiner machen! Darauf freue ich mich. – Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Tilman Kuban [CDU/CSU]: 20. Februar!)

Ich würde auch gern noch etwas zum Thema Planungssicherheit sagen; denn Planungssicherheit wird ja zu Recht immer wieder von Unternehmerinnen und Unternehmern eingefordert. Ehrlicherweise gibt das Ziel „2035 als Ende des fossilen Verbrennungsmotors“ Planungssicherheit. Wissen Sie, ich war selber in Zwickau, in dem Werk, wo VW E-Autos

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: ... gebaut hat!)

baut. Ich sehe die Sorgen dort. Deswegen ist es so wichtig, dass wir klar sagen: E-Mobilität hat hier, am Produktionsstandort Deutschland, eine Zukunft, in Zwickau und anderswo.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und es ist richtig, dieses Ziel einzuhalten und auch zu verteidigen.

(Zuruf des Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU])

Übrigens dürfen Unternehmen, die sich auf den Weg gemacht haben, die Flottengrenzwerte zu erfüllen, nicht bestraft werden; es gibt sie auch in Deutschland. Dieses „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln!“ verunsichert und führt dazu, dass wir den Anschluss verlieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: E-Auto-Förderprämie, das war Unsinn!)

Ja, wir haben eine Aufgabe. Wir als Bundesregierung haben die Aufgabe, an verlässlicher Infrastruktur zu arbeiten,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, dann fangt mal an!)

die Infrastruktur von Ladesäulen zu verbessern, Verbraucherschutz an Ladesäulen zu stärken. Und ja, wir sollten Social Leasing für Menschen mit geringem Einkommen ermöglichen, gerade auf dem Land, wo die Menschen auf Autos angewiesen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

An all diese Punkte müssen wir ran.

Aber wenn Sie sich fragen, woraus die schwere Krise in der Automobilindustrie resultiert, dann lohnt sich der Blick nach China. Deutsche Hersteller hatten mit Verbrennern zuletzt einen Marktanteil von 16 Prozent. Während in China die E-Mobilität massiv hochläuft, bleiben die deutschen Hersteller auf ihren Verbrennern sitzen.

(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Nein! Das stimmt doch gar nicht! Sie haben ja keine Ahnung!)

Dieser Leitmarkt zeigt den immer schneller werdenden Bedeutungsverlust dieser Technologie. Der Absatz der Verbrenner brach um 12 Prozent ein. Der Verkauf von hybriden Fahrzeugen in China legte dagegen um 38 Prozent zu. Davon profitieren die deutschen Hersteller nicht; sie verlieren Marktanteile in China.

Übrigens: Um zu sehen, was möglich ist, muss man nur mal nach Grünheide schauen. Das meistgebaute Auto der Welt ist heutzutage ein E-Auto, und das wird auch in Grünheide gebaut. Ich würde mir wünschen, dass diese Autos, die den Markt erobern, künftig auch in Zwickau, Süddeutschland und anderswo gebaut werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir fallen also im Wettbewerb zurück. Deswegen ist es wichtig, dass die Unternehmen etwas unternehmen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die entsprechenden Modelle zu entwickeln und zu bauen. Aber ich bin überzeugt: Wenn wir uns weiter Debatten liefern und den Verbrennungsmotor, auch den Dieselmotor, für heilig erklären, dann gefährden wir die deutsche Automobilindustrie. Klammern Sie sich nicht am Alten fest! Lassen Sie uns zusammen an einer Erneuerung unserer Wirtschaft arbeiten!

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die Erneuerung ist Ihnen ja besonders heilig! Super Erneuerung: nur noch minus!)

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Lukas Köhler.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615913
Wahlperiode 20
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland
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