Sebastian RoloffSPD - Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann verstehen, dass die Debatte hitzig geführt wird. Die Autoindustrie und die Lage der deutschen Wirtschaft sind auch für uns Herzensthemen. Ich wäre allerdings froh, wenn wir sie ehrlich führen und endlich mal auf derselben Faktenbasis agieren würden. Stattdessen werden hier Menschen verunsichert und Ängste vor einer äußerst effizienten und funktionierenden Technologie geschürt. Aus politischen Gründen ist das vielleicht nachvollziehbar. Aber es ist doch – und das sieht man, wenn man sich die Zahlen anguckt – unbestreitbar, dass die E-Mobilität die Zukunft ist.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Ach, das ist doch Quatsch! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer legt das fest? Der Herr Roloff, oder wer?)
Das sagt jedes Unternehmen der Branche.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie geben auch noch Gas, wenn Sie in einer Sackgasse sind, oder?)
Man kann für den Moment natürlich überlegen, ob man in Bestandsflotten mittelfristig auch E-Fuels verwendet und in Nischen auch auf Wasserstoff zurückgreift. Aber zum Beispiel in Norwegen sind 50 Prozent der Bestandsflotte jetzt schon elektrisch.
(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Warst du im Sommerloch in Norwegen? – Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Wer schon mal in Norwegen war, weiß, warum!)
Bei Neuzulassungen liegt ihr Anteil dort über 90 Prozent. Die Mythen von Reichweitenproblemen bei niedrigen Temperaturen und Qualitätsmängeln sind längst widerlegt und bestehen nicht mehr, insbesondere bei deutschen Fabrikaten. Das muss man endlich zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dass Sie uns in Ihrem Antrag wie immer vorwerfen, wir seien ideologisch verblendet und würden eine entsprechende Wirtschafts- und Industriepolitik machen, ist geschenkt; das kennen wir ja schon. Sie sagen aber zum Beispiel nichts dazu, wie der Verkehrssektor seinen Beitrag zur CO2-Reduzierung und zu den Einsparzielen leisten soll.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: CCS!)
Das ist aber notwendig. Diese Notwendigkeit ist kein Gespenst der Ampel oder ein rot-grünes Gespenst; sie ergibt sich aus dem Pariser Klimaabkommen, also einer Vereinbarung von über 190 Staaten. Da könnten Sie auch mal einen Vorschlag machen. Das hätte Ihrem Antrag gutgetan.
Sie sagen auch immer, man wüsste nicht, welche Technologie sich am Markt durchsetzt. Gucken Sie sich, wenn Sie es uns nicht glauben, doch bitte die Märkte und die Börsenzahlen an. Tesla, chinesische Fabrikate noch und nöcher: Das zeigt die Erwartungen des Marktes.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: 2 Prozent Elektroautos weltweit!)
Die Richtung ist entschieden, und da müssen wir als deutsche Wirtschaft teilhaben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Natürlich stehen wir und insbesondere unsere Hersteller vor großen Herausforderungen auf politischer und unternehmerischer Ebene. Wir haben eine nicht ausreichende Modellpalette – das diskutieren wir regelmäßig, zum Beispiel auch mit VW –, gerade mit Blick auf den Massenmarkt und die unteren Segmente. Wir haben zu spät ausgebaute Ladeinfrastrukturen, einen verschleppten Netzausbau und – das sage ich auch selbstkritisch – eine Förderpolitik, die nicht in jedem Fall zum Vertrauensaufbau beigetragen hat. Aber mit diesen unsäglichen öffentlichen Debatten steigern wir doch nur Verunsicherung und Kaufzurückhaltung.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir dürfen also über eure Fehler nicht reden!)
Dazu kommt ein krankender Absatzmarkt gerade in China, der für den Moment leider noch relevant ist, gerade weil dort die E-Mobilität boomt. Und das führt zu der Situation, in der wir jetzt sind.
Beim Ausbau der Netze und der Ladeinfrastruktur hat die Ampel große Fortschritte gemacht, und dieses Tempo werden wir beibehalten. Wir brauchen darüber hinaus aber auch kurzfristig helfende Rahmenbedingungen, zum Beispiel Kaufanreize, bessere Abschreibungsmöglichkeiten für E-Leasing-Fahrzeuge und ein Social-Leasing-Programm, beispielsweise nach französischem Modell. Wir brauchen den Zugang zu E-Mobilität für alle. Wir brauchen aber natürlich auch eine weiterhin hohe Geschwindigkeit beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, zum Beispiel für Mieter von Mehrfamilienhäusern und auf gewerblichen Parkplätzen. Da sind Sie in Ihrem Antrag dabei.
Zu einer ganz wesentlichen Frage der Wirtschaftspolitik dieser Tage sagen Sie in Ihrem Antrag aber gar nichts. Sie sagen unter Punkt 6, es brauche „wirkungsvolle Anreize, um den Absatz der deutschen Automobilindustrie zu stärken“. Ja, das ist super; aber bei der Frage, in welche Richtung das gehen könnte, was man da vorschlagen könnte, sind Ihnen offensichtlich die Tinte oder die Ideen ausgegangen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Dementsprechend könnten Sie mit Ihrer Kritik vielleicht auch mal ein bisschen weniger pointiert auftreten.
Ich sage es, wie ich es gestern gesagt habe: Ich danke dem Wirtschaftsminister, dass er den Autogipfel durchgeführt hat, und hoffe, dass es weitere entsprechende Formate gibt. Allerdings brauchen wir auch da schnell konkrete Ergebnisse und eine schnelle Umsetzung. Das ist die klare Erwartung der SPD-Fraktion. Die Lage ist zu ernst, um weiter herumzutun. Aber die Industrie ist genauso in der Verantwortung. Es braucht einen gemeinsamen Kraftakt, und den sollten wir angehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Durchhalteparolen!)
Für die Gruppe Die Linke hat das Wort Jörg Cezanne.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615924 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Automobilindustrie, Wirtschaftsstandort Deutschland |