27.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 189 / Tagesordnungspunkt 34

Ann-Veruschka JurischFDP - 3. Jahrestag der Evakuierungsmission in Afghanistan

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Keuter, ich schäme mich wirklich für Ihre Rede.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Keuter [AfD]: Ist nicht nötig!)

Ich frage mich, ob Sie die letzten zwei Jahre bei uns im PUA dabei waren und wovon Sie hier eigentlich reden. Ich bin fassungslos.

(Stefan Keuter [AfD]: Sie sind zum Glück in der nächsten Legislatur nicht mehr hier! – Weiterer Zuruf von der AfD: Splitterpartei!)

Ich versuche, hier wieder zur Debatte zurückzukehren und auch zur Würde, die dieses Thema verdient.

Seit über zwei Jahren, jeden Donnerstag in den Sitzungswochen, inzwischen schon in der 85. Sitzung, tagt in der Regel von 11.30 Uhr mittags bis meist Mitternacht der Untersuchungsausschuss Afghanistan. Es gibt in den Sitzungswochen zwölfstündige Zeugenbefragungen; davor und danach durchleuchten die Mitarbeitenden

(Stefan Keuter [AfD]: Die Mitarbeitenden!)

der Fraktionen und der Abgeordnetenbüros in akribischer Arbeit unzählige Dokumente. Als Freie Demokratin dränge auch ich immer wieder darauf – und gehe, glaube ich, der Bundesregierung damit auf die Nerven –, dass uns auch wirklich alle Dokumente und Dateien zum Untersuchungsgegenstand vorgelegt werden.

Das alles zeigt: Es ist uns wirklich ernst. Es ist uns ernst mit der Aufklärung, wie es zu dem Chaos und dem Leid am Flughafen Kabul kommen konnte. Es ist uns ernst mit der Aufklärung, warum keine oder zumindest keine rechtzeitigen Vorkehrungen getroffen wurden, auch unsere Ortskräfte rechtzeitig aus Afghanistan herauszuholen. Unsere Truppe hat bei der Evakuierung eine großartige Arbeit geleistet. Ich komme nachher auch noch einmal darauf zurück.

Als Freie Demokraten interessieren uns folgende Fragen: Warum wurden unsere Männer und Frauen so kurzfristig in eine derart gefährliche Evakuierungsmission geschickt? Warum haben sich nicht alle Ministerien schon viel früher und entschieden um ihre Ortskräfte gekümmert? Warum war die damalige Bundesregierung nicht besser auf den Lauf der Dinge vorbereitet, und warum hat sie sich nicht entsprechend vorbereitet? Von welchen Entwicklungen ging die Bundesregierung stattdessen aus?

Ich danke Ihnen, die Sie als Soldatin, als Soldat, als Bundespolizist, als Mitarbeitende der Botschaft oder anderer Behörden im August 2021 Ihren Dienst am Flughafen Kabul geleistet haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Tapferkeit im Angesicht höchster Gefahr, extremer Unklarheit und von sehr viel menschlichem Leid berührt mich immer wieder aufs Neue. Ich danke Ihnen von Herzen für Ihren mutigen und selbstlosen Einsatz in diesen chaotischen Tagen. Ich wünsche allen, die heute noch unter der Last ihres Einsatzes leiden, von Herzen alles Gute.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass alle von Ihnen, egal ob militärisch oder nichtmilitärisch, die im August 2021 am Flughafen in Kabul mutig ihren Dienst geleistet haben, von ihren Dienstherren die volle Wertschätzung, Dank und Anerkennung erfahren. Dafür ist es auch heute noch nicht zu spät.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich appelliere da insbesondere an das Auswärtige Amt und an die Bundespolizei.

Zu meinen persönlichen Sternstunden im Untersuchungsausschuss Afghanistan gehören diejenigen Zeugenbefragungen, in denen ich Menschen erleben darf, die in schwierigen Situationen eigenverantwortlich und mutig gehandelt haben und die sich nicht hinter Zuständigkeiten verschanzt haben. Ihnen möchte ich zurufen: Bitte bleiben Sie so. – Wir brauchen in unserem Land mehr Eigenverantwortung, Mut und gesunden Menschenverstand, auch und gerade im staatlichen Handeln.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für uns Freie Demokraten ist klar: So schlimm es sein mag, dass von damals handelnden Personen womöglich falsche Einschätzungen vorgenommen wurden, ist es aber fast noch schlimmer, dass es in der Bundesregierung bis heute keine Strukturen und Prozesse gibt, die ähnliche Entscheidungsfehler verlässlich hinterfragen oder unterschiedliche Lagebilder zusammenführen. Kabul ist ein Menetekel, das alle in Verantwortung angesichts der aktuellen Bedrohungslage endlich ernst nehmen müssen. Uns fehlt bis heute ein ressortübergreifendes Frühwarnsystem, das Signale aus den verschiedenen Häusern eint. Uns fehlt ein stehendes Gremium, das Lagebilder der Ressorts eint, auch langfristige Entwicklungen mitbedenkt und endlich auch die inzwischen völlig künstlich gewordenen Perspektiven innen und außen miteinander vereint.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])

Wir sind es unseren Soldatinnen und Soldaten, unseren zivilen Kräften im Ausland, unseren Ortskräften schuldig, dass Kabul nie wieder passiert. Das Mindeste, das wir tun können, ist, endlich funktionierende, leistungsfähige Strukturen zu schaffen. Deswegen appelliere ich dafür: Wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile das Wort für die Unionsfraktion Thomas Erndl.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615942
Wahlperiode 20
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt 3. Jahrestag der Evakuierungsmission in Afghanistan
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