27.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 189 / Tagesordnungspunkt 35

Thomas SilberhornCDU/CSU - Afghanistan- und Syrienpolitik

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Sie von der AfD uns heute vorschlagen, ist eine weitgehende Normalisierung der Beziehungen zum Talibanregime in Afghanistan und zum Assad-Regime in Syrien. Sie wähnen sich damit allen anderen weit voraus. Und in der Tat unterhalten Sie ja bereits vertrauensvolle Kontakte nach Russland und China. Jetzt also sollen Afghanistan und Syrien folgen. Mit ihrer Nähe zu Autokraten und Diktatoren aller Art spielt die AfD ihre Kernkompetenzen hier voll aus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie wollen die „realpolitischen Verhältnisse“ anerkennen, schreiben Sie in der Begründung. Zu diesen Realitäten zählen aber vor allem schwere Menschenrechtsverletzungen. In Syrien sind willkürliche Verhaftungen und Folter an der Tagesordnung,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist in allen islamischen Ländern so!)

in Afghanistan auch außergerichtliche Tötungen und Verschwindenlassen. Doch dazu findet sich in Ihren Anträgen kein einziges Wort. Sie sind völlig blind für diese Realität in Afghanistan und Syrien.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist in anderen islamischen Ländern genauso! Da haben Sie auch Kontakte!)

Man kann nicht gleichzeitig die Machtrealitäten dieser Regime anerkennen wollen und dabei die Lebensrealitäten der Menschen völlig ignorieren und ausblenden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Was folgt daraus?)

Die AfD ist offenbar der Auffassung, dass wir jetzt vor allem die Wirtschaftsbeziehungen zu Afghanistan und Syrien ausbauen sollten. In Syrien wollen Sie sich mit der deutschen Wirtschaft am Wiederaufbau beteiligen. Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Der Wiederaufbau Syriens liegt in erster Linie in der Verantwortung von Syrien und von Russland,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aha! – Beatrix von Storch [AfD]: Interessanter Punkt!)

das für humanitäre Hilfe in Syrien noch keinen Rubel bereitgestellt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Daneben ist vor allem die arabische Welt gefragt, deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir sind nicht die erste Adresse für den Wiederaufbau der sozialistisch orientierten Wirtschaftsordnung in Syrien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu Afghanistan verweisen Sie ausdrücklich auf einen Wettbewerbsvorteil, den Pakistan, Katar und China etwa beim Zugang zu Bodenschätzen hätten. Gleichzeitig wollen Sie die humanitäre Hilfe in Afghanistan einstellen, auf die 60 Prozent der Bevölkerung angewiesen sind. Den Menschen in Afghanistan die Unterstützung zur Ernährungs- und Existenzsicherung entziehen und gleichzeitig mit dem Talibanregime Geschäfte machen wollen, das seiner Bevölkerung nicht einmal eine Basisversorgung liefern kann, das ist zynisch und schäbig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Auch in Afghanistan liegt die Verantwortung für wirtschaftliche Erholung in erster Linie vor Ort und in der Region. Deutschland hat zwischen 2001 und 2021 mit vielen Partnern zur politischen und auch wirtschaftlichen Stabilisierung in Afghanistan beigetragen. Daran haben viele Ortskräfte mitgewirkt, die für Deutschland oder internationale Organisationen gearbeitet haben. Sie haben sich für die Entwicklung ihres Landes engagiert und werden dafür bis heute von den Taliban verfolgt. Das können wir nicht hinnehmen; das ist keine Grundlage für Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Keuter [AfD]: Das ist falsch! Fake News! Das ist unwahr!)

Es gibt durchaus Gesprächsformate mit der De-facto-Regierung in Afghanistan, und die wird man zu gegebener Zeit weiterentwickeln können. Aber dazu haben wir eine klare Erwartungshaltung gegenüber den Taliban, was den Umgang mit der eigenen Bevölkerung und den Schutz elementarer Menschenrechte angeht.

(Abg. Stefan Keuter [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das gilt auch für die Rückübernahme von abzuschiebenden Asylbewerbern. Im Übrigen bleibt ein koordiniertes Vorgehen der westlichen Staaten hier unerlässlich.

Herr Kollege Silberhorn, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Ich würde angesichts der fortgeschrittenen Zeit heute gerne fortfahren.

(Beatrix von Storch [AfD]: Es ist zehn vor eins! Mittags!)

Ja.

Syrien ist heute tief gespalten. Das Assad-Regime kontrolliert rund 60 Prozent des Territoriums, unter anderem die Hauptstadt Damaskus. Und zur Wahrheit gehört auch: Es ist nicht überall Krieg. In einigen Gebieten ist eine Rückkehr für Flüchtlinge durchaus möglich. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung ein differenziertes Lagebild zu Syrien. Aber eine Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Damaskus steht jetzt nicht an. Einseitige Schritte von einzelnen EU- Mitgliedstaaten liegen nicht in unserem Interesse. Ich plädiere auch hier für ein koordiniertes Vorgehen der Europäischen Union.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die außenpolitischen Gehversuche der AfD führen Deutschland in eine Sackgasse. Verantwortungsvolles Handeln erfordert die enge Abstimmung mit unseren Partnern statt deutscher Alleingänge, und es erfordert eine klare Haltung zur Menschenrechtslage anstatt Kuscheln mit Autokraten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Stefan Keuter.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615954
Wahlperiode 20
Sitzung 189
Tagesordnungspunkt Afghanistan- und Syrienpolitik
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