Tobias B. BacherleDIE GRÜNEN - Afghanistan- und Syrienpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zumindest skurril, vielleicht aber auch vielsagend, dass in der Woche, in der die Strafanzeige im Falle der „Caesar“-Fotos eingereicht wird, hier ein Antrag voller Schönreden über das Assad-Regime von rechts außen präsentiert wird. Vielleicht einmal kurz zur Erinnerung: Die „Caesar“-Fotos sind 55 000 geleakte Fotos, die 11 000 Fälle der einzigartigen Folter- und Tötungsmaschine des Assad-Regimes dokumentieren.
Vielleicht ist das der große Unterschied: Unsere Chefdiplomatin Annalena Baerbock sorgt dafür, dass Deutschland bei der Verfolgung dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien am aktivsten ist.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Die sorgt für alles Mögliche! Meistens für Heiterkeit!)
Für uns ist es wichtig, dass diese Verbrechen nicht ungesühnt bleiben. Aber vor allem dürfen sie auch nicht vergessen werden. Es darf nicht vergessen werden, warum die Menschen aus Syrien geflohen sind, warum sie sich auf die Flucht begeben mussten. Das scheinen Sie zu verkennen – nicht überraschend: Vielleicht haben Sie es verdrängt, vielleicht aber auch einfach vergessen.
Deswegen ein kurzer Recap: Was ist passiert? Ende März 2011 gab es mindestens 55 Todesopfer in Daraa bei verschiedenen Demonstrationen innerhalb einer Woche. Assad lässt auf einen Trauerzug schießen. Die Grausamkeit kriecht aus den dunklen Ecken der Folterkeller, und sie verschwindet in den letzten 13 Jahren nicht mehr.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist in allen islamischen Ländern so!)
– Es ist nicht überraschend, dass Sie dieses Regime Assad jetzt hier per Zwischenruf zu verteidigen und reinzuwaschen versuchen. Aber es ändert nichts daran, dass Sie die Realität verkennen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist in allen islamischen Ländern so! Es wird überall gefoltert! In allen Ländern! Selbst in Tunesien! – Gegenruf des Abg. Peter Heidt [FDP]: Das stimmt ja gar nicht! – Weiterer Gegenruf des Abg. Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP]: Quatsch!)
Wir dürfen aber die Natur dieses Assad-Regimes nicht verkennen, sondern müssen genau hinschauen, wie es anderen ergeht, die das gemacht haben, was Sie fordern.
Die Arabische Liga hat ja diese Normalisierung auf den Weg gebracht. Sie hat Syrien wieder aufgenommen. Und was ist passiert? Sie wollen hier ja so realitätsorientiert argumentieren – was für ein Quatsch. Nichts ist passiert. Der Captagon-Handel wurde nicht gestoppt. Beteiligt sich Assad ernsthaft am Syrienprozess? Kein bisschen mehr als vorher. Weiterhin können Flüchtlinge nicht sicher zurückkehren. Und die Menschenrechtslage – darüber haben wir heute genug gesprochen – hat sich überhaupt nicht verbessert. Ihr scheinbar realitätsorientierter Ansatz ist ein Träumeransatz. Er wurde vorgemacht. Er ist gescheitert!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Sie sind aber so damit beschäftigt, Putins Positionen reinzuwaschen, die Worte seiner Freunde wie die des Schlächters Assad hier in diesem Hohen Haus zu überbringen, dass Sie die Interessen unseres Landes, unseres Deutschlands, offensichtlich vollkommen vergessen oder absichtlich hintenanstellen. Das ist doch peinlich!
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Nils Schmid [SPD] – Stephan Brandner [AfD]: Das ist nicht Ihr Deutschland!)
Sie zwängen uns nicht nur bei der Syrienfrage eine verquere innenpolitische Debatte auf, die am Schluss kein bisschen zur Stabilität unserer europäischen Nachbarschaft und damit auch kein bisschen zu unserer Sicherheit hier beiträgt, nein, Sie vernachlässigen auch sträflich, was dieses Land ausmacht, die große Leistung der letzten Jahre seit 2015,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Welche Leistung?)
und Sie vernachlässigen, was dieses Land braucht. Wir sollten uns lieber der Frage widmen, wie Menschen, die hier arbeiten wollen, hier auch arbeiten können, hier zum Arbeiten herkommen können,
(Stephan Brandner [AfD]: Sie klingen so aggressiv! Um Gottes willen!)
statt unsere Zeit zu verschwenden mit krudem Geschichtsrevisionismus straight aus Damaskus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Was war das denn für ein Auftritt? Ein Theaterwissenschaftler! „Lange Haare, kurzer Verstand“, sagte man früher!)
Sevim Dağdelen hat jetzt das Wort für das BSW.
(Beifall beim BSW)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7615965 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 189 |
Tagesordnungspunkt | Afghanistan- und Syrienpolitik |