Julia KlöcknerCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Deutsche Wirtschaft in der Rezession - Wirtschaftswende
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer Phase, die historische Dimensionen für unser Land hat. Die Herbstprognose des Bundeswirtschaftsministers reiht sich nicht in die bisherigen Prognosen ein. Wir werden noch an diesen Tag denken; denn eine solche Rezession hat Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, auf Arbeitsplätze, auf die Zukunft von Unternehmen. Sie hat Auswirkungen auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Und an so einem negativ historischen Tag hält es der Bundeswirtschaftsminister nicht für nötig, hier im Parlament zu reden. Er spricht lieber mit der Presse oder schaut jetzt auf sein Handy.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Ich finde, das ist eine Respektlosigkeit gegenüber all denen, die Sorge vor einem Arbeitsplatzverlust haben.
300 000 Industriearbeitsplätze sind in jüngster Zeit in Deutschland verloren gegangen. Es gab 25 Prozent mehr Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr. Investitionen in Höhe von 250 Milliarden Euro sind in den vergangenen drei Jahren aus Deutschland abgeflossen. Das verursacht strukturelle Änderungen. Da werden Ihnen Mantras wie „Wir schieben das auf die EU-Ebene“ oder „Wir beschimpfen die Opposition“ nicht helfen; denn Hoffnung ist keine Lösung. Man muss etwas tun, um diese Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und Impulse zu setzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Da der Bundeswirtschaftsminister hier laut Rednerliste nicht reden will, will ich ihm die Ehre zukommen lassen, zu zitieren, was er zur Wirtschaft und zu seinem Tun gesagt hat – Zitat –:
„Ich glaube, wir haben im Wirtschaftsministerium so viele Gesetze, Verordnungen, europäische Verordnungen usw. umgesetzt, um das ganze Land wieder in Fahrt zu bringen … wie kein anderer Wirtschaftsminister davor.“
Das als Humor zu bezeichnen, wäre schon sehr zynisch.
(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist eine Parallelwelt. Wir befinden uns in einer Rezession, und Sie sagen, Sie haben so viel geleistet wie kein anderer Wirtschaftsminister zuvor. Ja, Ihre „Leistung“ hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Wir hatten zehn Jahre Wirtschaftswachstum in Folge. Jetzt haben wir eine Doppelrezession.
(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht! – Zurufe von der SPD)
Die Wirtschaft schrumpft. Wir sind Schlusslicht bei den Industrienationen. Letztlich ist die Ampelpolitik ein Wohlstandsvernichter.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn Ihre Gegenmaßnahmen? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es geht um Wohlstand, und es geht um Zukunftschancen.
Den Begriff „Parallelwelt“ will ich noch mal erläutern. Sie glauben, dass in Deutschland mit vielen Gesetzen und Verordnungen Wirtschaftspolitik gemacht wird. Dieser politische, dogmatische und vor allem auch ideologische Ansatz ist genau das Problem. Und das setzt sich fort: Gestern ging die Antwort Ihres Ministeriums auf eine Kleine Anfrage von uns im Büro ein. Wäre diese Anfrage vom März gewesen, vom Juli, selbst vom August – geschenkt. Die Beantwortung durch Ihren Staatssekretär erfolgte am 8. Oktober. Da hatten Sie schon mit der „Süddeutschen Zeitung“ über die Rezession gesprochen.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kritisieren Sie, dass der Minister mit den Zeitungen spricht? Sie sprechen doch sonst auch mit jedem!)
Irgendwie fühlen wir uns hier nicht ernst genommen. Oder Sie haben wirklich ein Problem mit dem Wirtschaftsverstand in Ihrem Ministerium. Übrigens, Herr Kellner, zum Thema Wirtschaftsverstand: Wenn die Inflation zurückgeht, werden die Preise nicht sinken. Sie werden nur langsamer steigen, nicht mehr so schnell wie vorher. Aber es wird nicht billiger. Allein diese Grundregel sollte man vor Augen haben. Die Leute wissen beim Einkaufen, was die Waren im Einkaufskorb kosten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD] – Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Regierung hat uns in die Abhängigkeit von russischem Erdgas geführt?)
Ich zitiere mal, wie das aussieht. Auf die Frage 16 der Kleinen Anfrage sagte Ihr Staatssekretär doch allen Ernstes: Die Bundesregierung hält ihre Wirtschaftspolitik für erfolgreich.
(Zuruf von der CDU/CSU: Satire!)
8. Oktober – gestern Abend –: Die Bundesregierung hält diese Wirtschaftspolitik für erfolgreich. – Wir sind in einer Rezession, die Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze, Unternehmer schließen ihre Unternehmen,
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Regierung war das denn? Ich glaube, das war die Regierung, die Sie gestellt haben, Frau Kollegin!)
wir haben ein geringeres Steueraufkommen, was sich auf unseren Sozialstaat auswirken wird – und Sie sagen, die Wirtschaftspolitik sei erfolgreich. Und auf die nächste Frage antworten Sie: Deutschland ist auf dem Weg, klimaneutral zu werden und gleichzeitig ein starkes Industrieland zu bleiben. – Das liest sich wie ein Märchen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)
Als Antwort auf Frage 20 heißt es: Die Bundesregierung arbeitet stetig an der Stärkung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts gemacht! – Zuruf des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auf die Frage, wie Sie das schaffen wollen – Frage 11 –, sagen Sie: Zur Stärkung der Arbeitsanreize im Bürgergeld haben wir die sogenannte Anschubfinanzierung im Kabinett beschlossen. – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Habeck.
(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Bürger in diesem Land sind nicht verunsichert wegen Herrn Merz oder Herrn Linnemann; die sind verunsichert wegen dieser Bundesregierung. Das ist Verunsicherung made in Germany durch diese Ampelregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unternehmen investieren nicht mehr, weil sie nicht wissen, was noch kommt. Sie glauben ja heute schon zu wissen, Herr Habeck, welche Technologie morgen die richtige sein wird. Sie haben dieses Land in einen kollektiven Schock versetzt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn!)
Die Bürger halten sich zurück beim Konsum, die Unternehmen investieren im Ausland, und am Ende schaden Sie diesem Land. Sie haben einen Eid abgelegt, diesem Land zu dienen und Positives zu tun, und nicht, Ihre Ideologie durchzusetzen. Kommen Sie in der Realität an! Es ist echt ernst genug.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD] – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben überhaupt keine Ahnung!)
Das Wort hat Sebastian Roloff für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Esra Limbacher [SPD]: Zurück zum Thema!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Deutsche Wirtschaft in der Rezession - Wirtschaftswende |