09.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 190 / Zusatzpunkt 1

Bengt BergtSPD - Aktuelle Stunde: Deutsche Wirtschaft in der Rezession - Wirtschaftswende

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Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Unsere Wirtschaft hat Probleme, und es wäre fahrlässig, das wegzudiskutieren. Aber, Frau Klöckner, bei Ihren Annahmen – Analyse kann man es nicht nennen, weil es ja nur eine Fehlerbeschreibung war –

(Maja Wallstein [SPD]: Richtig!)

blenden Sie aus, dass Corona massiv in die deutsche Wirtschaft eingeschlagen ist und die Firmen die Produktion ausgedünnt haben, damit die Menschen sich nicht anstecken.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die anderen hatten auch Corona, und die wachsen!)

Sie blenden aus, dass dieses Land massiv Mittel in die Hand nehmen musste, um die größte Krise des Warenverkehrs auszugleichen; weil China die Häfen zugemacht hatte, was sich übrigens immer noch in den Lieferketten abbildet. Sie blenden aus, dass wir aus der massivsten Energiekrise kommen, die dieses Land seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen hat; weil Putin uns das Gas abgedreht hat – und nicht, weil wir, wie das BSW es behauptet, irgendeinen komischen Krieg angefangen hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie blenden aus, dass Deutschland die Exportnation der Welt ist. Gerade gestern hat China ein Konjunkturpaket angekündigt. Warum wohl? Weil auch in China die Wirtschaft lahmt. Und wissen Sie, wer Deutschlands wichtigster Handelspartner ist? Dreimal dürfen Sie raten: China. Wir sind doch nicht alleine auf der Welt!

Deswegen tun wir das, was eine Wirtschaftsmacht jetzt tun muss: Wir erneuern das Land, wir reformieren es und stellen es für den sechsten Innovationszyklus der Menschheit auf,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie ruinieren das Land, Herr Bergt!)

nämlich künstliche Intelligenz, Clean Tech und autonome Robotik. Nach Digitalisierung, Petrochemie, Elektrifizierung und Dampfkraft ist das jetzt der richtige Weg, genau das, was es jetzt braucht. Um das Land zu renovieren, brauchen wir jetzt massive Investitionen und genau die Impulse, die wir setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Sechstel des Bundeshaushalts sind Investitionen in unsere Zukunft; das ist schon ein Rekord.

Ein Gesetz zum Bürokratieabbau haben wir vor zwei Wochen beschlossen, übrigens auch mit Stimmen der Union. Es zeigt sich: Sie können auch konstruktiv sein. Das Problem ist: Meistens wollen Sie nicht. Bestes Beispiel ist das Wachstumschancengesetz. Eine Partei, die sich angeblich um die Situation unserer Wirtschaft sorgt, forderte Sofortmaßnahmen. Doch genau diese Partei ist es komischerweise, die die wichtige Unterstützung für unsere Betriebe monatelang verhindert hat und sie bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen hat.

(Maja Wallstein [SPD]: Hört! Hört! – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch!)

„CDU und CSU blockieren Stärkung des Wirtschaftsstandorts“, so könnte man es zusammenfassen. Das ist übrigens kein Satz von mir, sondern von der Website der FDP; mit denen flirten Sie ja regelmäßig, ganz notorisch. Und jetzt fordert die Union eine Aktuelle Stunde zum Thema „Stärkung der Wirtschaft“. Das finde ich ziemlich mutig, liebe Union, richtig mutig. An Ihrer Stelle wäre ich da wirklich ein bisschen zurückhaltender. Denn wir schieben einen massiven Investitionsrückstand aus den Merkel-Jahren vor uns her.

(Stephan Brandner [AfD]: Wer war denn da Finanzminister? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Da war es wieder: 16 Jahre SPD!)

600 Milliarden Euro müssten laut Institut der deutschen Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren investiert werden. Von den 130 000 Brücken sind mehrere Zehntausend akut sanierungsbedürftig. Eine, in Dresden, ist gerade zusammengestürzt. Das ist peinlich!

(Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD] – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das ist peinlich für einen grünen Verkehrsdezernenten in Dresden!)

Hunderte Kilometer Schienen müssen erneuert werden. Die Bahn kann den Fahrplan nur noch schätzen. Das ist peinlich! Unser Stromnetz hinkt nach dem Ausbau der Erneuerbaren hinterher, weil Sie selbst zwischen 2010 und 2020 auf 25 Prozent Erneuerbare ausgebaut haben, aber vergessen haben, dass da ja noch ein Stromnetz ist, das man vielleicht nachziehen müsste; das haben Sie nicht gemacht.

Bei uns im Norden macht man das anders, da sagt man: Nicht schnacken, sondern machen!

(Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])

Und diese Regierung hat bei den Erneuerbaren ernst gemacht:

(Beifall des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

2020 lag der Anteil der Erneuerbaren beim Strom bei 42 Prozent, 2023 bei 57 Prozent, jetzt sind wir schon bei 62 Prozent – weiter steigend. Die Erneuerbaren bleiben die günstigste Energieform. Und ja, die Netzentgelte sind ein Problem. Aber da gehen wir ran. Wir haben gerade schon gehört,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Kraftvoll!)

im Norden werden die Netzentgelte jetzt endlich angeglichen, damit der Norden nicht immer bluten muss, weil im Süden nichts ausgebaut wird.

Die Erfolge bei den Erneuerbaren lasse ich mir nicht schlechtreden, auch wenn sie noch kein Erfolg für die Gesamtwirtschaft sind. Denn wir sind ja nicht am Ende der Energiewende, wir sind mitten in der Erneuerung des Energiesystems. Das ist wie beim Kraftsport: Das kostet Körner, aber die Muckis wachsen.

(Lachen des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Dass Sie da – natürlich – nicht applaudieren, das werfe ich Ihnen gar nicht vor.

(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Sie lassen ja sowieso immer andere die Reformarbeit machen und stehen dann als Lautsprecher – nicht als Trainer – an der Seitenlinie, als Opa Hannes, der nach dem dritten Bier den Schiri anpöbelt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Und irgendwann heben Sie die Hand und sagen: Das haben wir aber super gemacht! – Kann man so machen, ist halt nur nicht seriös.

Als Energiepolitiker kann ich Ihnen sagen: Die Energiewende ist das wichtigste Wirtschaftsprogramm seit 100 Jahren. Eine Studie zeigt: 45 000 neue Jobs bis 2040 dank der Erneuerbaren allein in Brandenburg.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was sagt denn Sigmar Gabriel dazu?)

Allein die Offshorebranche hat in den letzten zwei Jahren 9 000 Jobs, gute Tarifjobs, geschaffen. Wir brauchen also mehr Energie aus Wind und Sonne, nicht weniger. Das hat mittlerweile die ganze Welt begriffen – nicht die ganze Welt, hier gibt es noch ein kleines gallisches Grüppchen, das andere Ideen hat.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das heißt „Ampel“, ne?)

Denn Ihr Motto ist ja: Verbrenner und Atom, dann läuft die Wirtschaft schon. – Aber so ist es nicht, Pustekuchen! Gerade die Union redet immer von verlässlichen Entscheidungen für die Wirtschaft. Und dann wollen Sie ein Verbrenner-Revival – entgegen der Aussagen aller CEOs und Finanzchefs der Automobilindustrie. Da muss man sich ja an den Kopf fassen, dass Sie das immer noch wollen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Klimawende schaffen oder zurück in die 80er-Jahre und den Laden richtig an die Wand fahren? Am Beispiel VW sieht man, wie teuer Unentschlossenheit sein kann.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Da sitzt Herr Weil im Aufsichtsrat! Das ist doch peinlich!)

Das brauchen wir definitiv nicht. Was wir nicht brauchen, ist eine Flucht in die Vergangenheit à la Merz.

Ich rate uns allen: Lassen Sie uns den Weg in die Zukunft gehen! Das kostet manchmal Körner. Mittelfristig ist die Energiewende aber das beste Fitnessprogramm

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: … und der Muskel wächst!)

und gibt ordentlich Muskeln für unsere Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Das war „heute-show“, aber ganz schlecht!)

Das Wort hat der Abgeordnete Robert Farle.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616257
Wahlperiode 20
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Deutsche Wirtschaft in der Rezession - Wirtschaftswende
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