09.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 5

Andrew UllmannFDP - Reform der Notfallversorgung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Heute habe ich eine Einladung vom Virchowbund erhalten mit dem Titel „Behandeln wir die Richtigen?“ Es geht um die Steuerung der Patienten durch das Gesundheitssystem. In meinen Augen ist das eine sehr wichtige Fragestellung, und diese Fragestellung können wir auch für uns hier erweitern: Können wir uns in unserem heutigen Gesundheitssystem unkoordinierte Patientenpfade noch leisten? Wohl wissend eine rhetorische Frage, die man hier klar mit Nein beantworten muss.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung greift ein zentrales Problem in unserem Gesundheitswesen auf: die überlasteten Notaufnahmen und Rettungsdienste und ebendiese fehlende Steuerung. Dieser Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, um eine effizientere Steuerung von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten und die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Häufig genug auch durch unverschuldetes Nichtwissen kommen Menschen in die Notaufnahme einer Klinik – das habe ich selbst häufig genug erlebt –, und dort wird häufig genug nur entschieden, ob jemand stationär aufgenommen wird oder nicht. Häufig genug sind die Patientinnen und Patienten enttäuscht, dass sie wieder weggeschickt werden. Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir eine bessere Koordination zwischen den Sektoren im Sinne einer schnelleren und zielgerichteten Versorgung für die Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Gedanke, die Versorgungsbereiche von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Rettungsdiensten besser zu verzahnen, ist absolut sinnvoll und notwendig. Durch Integrierte Notfallzentren, in denen sowohl ambulante als auch stationäre Strukturen zusammenarbeiten werden, wird es künftig einfacher sein, die Patientinnen und Patienten in die für sie richtige Versorgungsebene zu leiten. Eine wichtige Reform für die Menschen in unserem Land!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Blick auf die Zahlen lohnt sich immer wieder. Nach Aussage des Verbandes des Rettungsdienstes sind über 80 Prozent der Rettungsdiensteinsätze nicht gerechtfertigt. Dies verdeutlicht das Ausmaß der Fehlsteuerung im System.

Allein die Kosten für den Einsatz von Rettungswagen sind enorm gestiegen, von 2012 bis 2022 um 163 Prozent, also von rund 1,5 Milliarden Euro auf rund 4 Milliarden Euro. Diese Belastung ist nicht nur für unser Gesundheitssystem, sondern auch für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler inakzeptabel. Hier muss dringendst nachgebessert werden, um eine wirklich integrierte und effiziente Notfallversorgung mit dem Rettungsdienst zusammen sicherzustellen.

Bei aller Sinnhaftigkeit dieser Reform möchte ich hier konstruktiv einige kritische Punkte ansprechen, die wir im Auge behalten müssen und im parlamentarischen Verfahren noch angehen werden. Der Erfolg dieser Reform steht und fällt nämlich mit der Frage, wie die Umsetzung in der Praxis aussehen wird.

Erstens. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte dürfen nicht zusätzlich belastet werden. Viele Praxen arbeiten bereits jetzt am Limit. Es ist wichtig, dass diese Reform nicht zu einer Überforderung im ambulanten Bereich führt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU])

Die Reform der Versorgung darf sich deshalb nicht auf dem Rücken derjenigen abspielen, die das Rückgrat unseres Gesundheitssystems bilden. Wir werden diesen Punkt im parlamentarischen Verfahren genau prüfen.

Zweitens. die Kostenfrage. Der Entwurf sieht geschätzte Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung vor, die langfristig jedoch zu Einsparungen führen sollen. Hier werden wir wachsam bleiben. Die Einsparpotenziale, die durch eine bessere Steuerung und effizientere Notfallversorgung versprochen werden, dürfen nicht durch zusätzliche Ausgaben im Gesundheitswesen zunichtegemacht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Denn unsere Aufgabe ist klar: Wir müssen sicherstellen, dass die Reform ihre Versprechen einhält und tatsächlich zu einer langfristigen Entlastung führt. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Wir müssen die Notfallreform im Zusammenhang mit den weiteren Reformvorhaben sehen. Noch fehlt es an einer ausreichenden Abstimmung zwischen der Notfallversorgung und der ambulanten Versorgung, was gerade in ländlichen Gebieten zu Problemen führen könnte, die wir aber gemeinsam vermeiden werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Die geplante Anbindung von Apotheken an die Integrierten Notfallzentren ist noch nicht zu Ende gedacht. Hier besteht die Gefahr von Doppelstrukturen, die unnötige Parallelangebote zum bestehenden Apothekennotdienst schaffen könnten. Auch hier werden wir genau hinschauen, dass die Versorgung als solche auch besser wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen die angestrebte Reform. Aber wir Freien Demokraten werden darauf achten, dass sie praktisch umsetzbar ist, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nicht überlastet werden, dass die Versicherten nicht mit höheren Beiträgen belastet werden und die betroffenen Patientinnen und Patienten zielgerichtet medizinisch besser versorgt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der nächste Redner ist Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616299
Wahlperiode 20
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Reform der Notfallversorgung
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