Dirk HeidenblutSPD - Reform der Notfallversorgung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst mal, glaube ich, kann man festhalten – das ist ja mal was Positives –: Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir eine Notfallreform brauchen und dass wir sie schnell brauchen. Das, glaube ich, ist richtig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb als Erstes der große Dank, dass die Notfallreform jetzt auf dem Weg ist und dass wir es anpacken, so wie wir übrigens viele große Probleme im Gesundheitswesen anpacken.
Da will ich, lieber Kollege Sorge, noch mal auf Sie zu sprechen kommen. Mit Ihrer Reihenfolge – Schritt eins und zwei – haben Sie die Leute vielleicht ein bisschen verwirrt. Also, wir sind uns völlig einig: Die Notfallreform brauchen wir. Sie haben angemerkt: Sie hätte schneller kommen können. – Sie haben aber auch angemerkt: Eigentlich muss vorher die Krankenhausreform kommen. – Richtig, deswegen machen wir die vorher! Das ist nämlich Schritt eins, und dann machen wir die Notfallreform.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Herr Kollege Sorge, Sie haben möglicherweise übersehen, dass wir jetzt in die Reform einsteigen und nicht den Abschluss machen; den Abschluss werden wir hoffentlich in Kürze bei der Krankenhausreform machen. Und dass Sie dann noch bedauern, dass die Notfallreform, die der Kollege Spahn vorher schon auf den Weg gebracht hat, nicht durchgekommen ist, finde ich auch ganz interessant; denn diese Notfallreform sah nun überhaupt keine Krankenhausreform vor. Also, da fehlte der Schritt eins irgendwie komplett.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Tino Sorge?
(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Jetzt entschuldigt er sich!)
Ja, aber bitte; klar. – Jetzt sagt er bestimmt, er meinte nicht Schritt eins.
Vielen Dank, Herr Kollege Heidenblut. Das gibt mir noch mal die Möglichkeit, ein paar Dinge klarzustellen. – Also, Sie haben jetzt hier wieder das Zerrbild erweckt, als sei die Union gegen eine Reform.
(Dirk Heidenblut [SPD]: Nein!)
Wenn Sie vorhin zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass ich gesagt habe: Uns geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie. Bei der Frage Krankenhausreform versus Notfallreform geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern ich habe angemerkt, dass es sinnvoll ist, wenn man so eine Reform macht, dies miteinander zu verzahnen. Die Notfallreform hätte man also bei der Krankenhausreform – hätte man im BMG nicht so lange geschlafen – schon gleich mitstrukturieren können.
(Heike Baehrens [SPD]: Heute Morgen hat er kritisiert, dass es zu schnell geht!)
Denn – das habe ich auch gesagt – es macht ja überhaupt keinen Sinn, Integrierte Notfallzentren, die ja sinnvoll sind, im Rahmen einer Notfallreform auch mit Standorten festzulegen, wenn man in der Krankenhausreform danach ganz andere Strukturen etabliert. Das heißt, Sie bürden den Ländern jetzt auf, festzulegen, wo Integrierte Notfallzentren sein sollen, in dem Wissen, dass mangels Auswirkungsanalyse noch nicht mal feststeht, welche Kliniken, welche Häuser nach der Krankenhausreform bestehen bleiben werden. Das heißt, es ist dann möglicherweise Makulatur. – Punkt eins.
Punkt zwei – das habe ich auch noch mal gesagt –: Es geht darum, dass wir jetzt Parallelstrukturen sinnvoll zusammenführen. Wenn Sie dann aber Anmerkungen und Anregungen aller Akteure nicht ernst nehmen, wenn es zum Beispiel darum geht, die 24/7-Notfallversorgung so zu etablieren, dass zum Schluss nicht die niedergelassenen Ärzte die Leidtragenden sind, weil die natürlich als Lückenbüßer für Ihre unausgegorene Reform herhalten sollen, dann ist das, gelinde gesagt, kurzsichtig oder wie auch immer man das bezeichnen möchte.
Deshalb noch mal mein Appell an Sie: Nehmen Sie doch einfach mal die Anregungen ernst! Stellen Sie sich hier nicht so hin und tun so, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen!
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Das sagt gerade der Richtige!)
Sie müssten jetzt langsam zum Schluss kommen.
Denn wir erleben jetzt seit drei Jahren, dass Sie quasi alle Argumente nicht ernst nehmen und sich dann wundern, wenn alle Akteure sagen: Das geht so nicht.
Herr Kollege Sorge, wahrscheinlich klappen Sie das Mikrofon schon ein, weil das gar keine Frage war, die Sie gestellt haben, sondern nur ein an mich gerichteter Appell. Ich will aber trotzdem das, was Sie darin unterstellt haben, kurz zurückweisen.
Erstens habe ich nicht das Gegenteil behauptet, sondern sogar zum Eingang erklärt, dass ich mich freue, dass wir uns alle einig sind, dass wir eine Notfallreform brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Heike Baehrens [SPD]: So ist es!)
Wenn ich das richtig gehört habe, hat der Kollege Dahmen sehr deutlich erklärt, dass er einige Vorschläge der CDU durchaus für gut hält, dass wir sie berücksichtigen und da weitergehen müssen, woraus Sie schließen, dass wir sie gar nicht berücksichtigen werden, also voreilend bei der Einbringung. Das finde ich ja interessant. Wahrscheinlich stehen Sie selbst nicht so zu Ihren Vorschlägen.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Tino Sorge [CDU/CSU]: Krankenhausreform!)
Aber wissen Sie, was ich die Krönung finde? Sie sagen ja zu Recht: Eine Verzahnung macht Sinn. – Aber wer hat denn da wo im Bundesministerium geschlafen? Ihr Minister hat eine Notfallreform völlig ohne Krankenhausreform vorgelegt. Da war nicht mal eine Verzahnung angedacht oder möglich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir machen eine Krankenhausreform; wir packen das an. Und wir verzahnen und packen eine Notfallreform an. Das ist doch der richtige Weg.
Also schönen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, dies noch mal deutlich zu machen. Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen konnte, in Ihren eigenen Überlegungen ein bisschen weiterzukommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: 16 Prozent!)
Jetzt aber zurück zu dem, was mir noch besonders am Herzen liegt. Der Kollege Dahmen hat einen Punkt angesprochen; er hat das Beispiel der älteren Dame genannt. Ich kann dieses Beispiel vielleicht mal ergänzen um die Menschen, die sich in einer psychischen Krisensituation befinden. Das könnte man nämlich genauso deutlich machen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])
An der Stelle springen wir im Gesetz aus meiner persönlichen Sicht noch ein wenig zu kurz.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum einen könnten wir die Krisendienste, die wir schon im Koalitionsvertrag vorgesehen haben, mit andenken.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn eine Notfallpflege ist im Grunde der Krisendienst, den wir im Bereich der psychiatrischen Hilfen brauchen. Und zum anderen macht es durchaus Sinn, die Frage der psychischen Erkrankungen klar bei den Integrierten Notfallzentren zu verorten und dort eine fachlich klare Ausrichtung vorzusehen. Das sind durchaus viele Notfälle an der Stelle.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will gerne noch einen weiteren Punkt ansprechen, der mir sehr am Herzen liegt. Ich finde, auch die Frage der Barrierefreiheit muss zwingend gerade im Hinblick auf die INZs deutlich und gut geklärt werden, sodass alle Menschen mit Behinderung in der Lage sind, ein INZ aufzusuchen, um dort die notwendige Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Auch da sehe ich durchaus noch ein wenig Nachschärfungsbedarf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Lassen Sie mich zum Schluss einen großen Dank an all diejenigen richten, die unsere Notfallversorgung im Moment aufrechterhalten und sich echt krummlegen. Ich habe über Jahre selbst im Rettungsdienst gearbeitet, und ich weiß, was das für ein Aufwand und für eine Aufgabe ist. Vielen Dank an all die Rettungskräfte, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegekräfte, die die Notfallversorgung sicherstellen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])
Und last, but not least – Kollege Ullmann, ich bin ganz bei Ihnen –: Den Apotheken können wir dafür danken, dass wir da ein gutes Notfallsystem haben. Das ist sicherlich nicht problematisch; das sollte gut in die Reform zu integrieren sein, die wir machen.
(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das machen wir!)
Das ist ein richtiger Weg.
Ich freue mich auf die weiteren Debatten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum Abschluss dieser Debatte erhält das Wort Erich Irlstorfer für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616304 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 190 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Notfallversorgung |