09.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 190 / Tagesordnungspunkt 6

Fabian FunkeSPD - Abschaffung - Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine neue Sitzungswoche, ein neuer Antrag gegen das Lieferkettengesetz. Immer wieder sind es die gleichen hysterischen und schlicht falschen Aussagen, die hier von der Opposition vorgetragen werden – in diesem Fall auch ganz egal, ob von der AfD oder der CDU/CSU –:

(Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Was denn genau?)

Das Lieferkettengesetz greife in die Souveränität fremder Staaten ein, deutsche Firmen müssten Handelsbeziehungen abbrechen und würden angeblich für Handlungen ihrer Zulieferer haften, Deutschland spiele sich als Wohltäter auf, indem es mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger von anderen Ländern Unleistbares fordere.

(Enrico Komning [AfD]: So ist es!)

Alles falsch, alles Quatsch; denn es gibt gar keinen Widerspruch zwischen Wachstum und Sorgfalt.

Ich möchte einmal klarstellen, worum es hier geht: Es geht darum, die Risiken für schwerste Menschenrechtsverletzungen zu reduzieren und europäische Unternehmen dazu zu verpflichten, a) ihre Lieferbeziehungen überhaupt zu kennen und b) im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihnen bekannte Missstände zu adressieren – ganz einfach. Da geht es nicht um den moralischen Zeigefinger, da geht es nicht um eine vermeintliche Woke-Agenda. Da geht es um Dinge wie Kinderarbeit, da geht es um Brandschutz, da geht es um den Umgang mit giftigen Chemikalien, da geht es um Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da geht es um die unmittelbare Substanz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer das in einer emotionalen Debatte als wokes Nice-to-have wie Sie, Herr Mörseburg, oder als entbehrlich abkanzelt, der braucht sich dann auch nicht darüber zu wundern, dass Menschen aus existenziellen Gründen nach Europa fliehen müssen. Gute Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern sind die beste Prävention auch gegen Armutsmigration.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Vertrauen Sie mal den Unternehmen!)

Kein Zuliefererunternehmen im Globalen Süden wird durch das Lieferkettengesetz verpflichtet, etwas zu leisten, was es nicht kann, und kein deutsches Unternehmen wird dazu gezwungen, Handelsbeziehungen abzubrechen, wenn es einen Vorfall bei dem Zulieferer gab.

Und ja – das stelle ich gar nicht in Abrede –, es gibt Herausforderungen bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Ich selbst bin seit drei Jahren im Austausch mit Unternehmen und Branchenverbänden, und nur in ganz, ganz wenigen Fällen gibt es eine Grundsatzkritik an den Zielen des Lieferkettengesetzes; meistens ist die Kritik sehr präzise und oft auch klug, was die Umsetzung im Detail betrifft. Da sind wir ja offen; da ist die Bundesregierung offen. Denn niemand hat ein Interesse an ineffektiven Bürokratiemonstern.

Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass es auch funktioniert. Das erreichen wir aber nicht durch plumpe Panikmache und Falschbehauptungen, sondern durch gewissenhafte Arbeit. Deshalb müssen wir die europäische Lieferkettenrichtlinie nun schnell in deutsches Recht überführen –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

das ist im Übrigen die Lieferkettenrichtlinie, die auch Sie von der CDU mit Ihrer Kommissionspräsidentin zu verantworten haben –, und das nicht nur, um den Vorgaben der Richtlinie gerecht zu werden, sondern um eben auch das Feedback und die Erfahrungswerte, die wir seit der Einführung des Lieferkettengesetzes im letzten Jahr gewonnen haben, einfließen zu lassen.

Im Übrigen frage ich mich auch – das geht an die AfD –, was jetzt eigentlich Ihr konkreter Vorschlag ist. Der Trilog zur Lieferkettenrichtlinie wurde im Januar abgeschlossen. Die Lieferkettenrichtlinie ist seit Juni in Kraft. Die Bundesregierung ist verpflichtet, diese Richtlinie umzusetzen und in nationales Recht zu überführen. So funktioniert ein Rechtsstaat. Wollen Sie die Lieferkettenrichtlinie wieder abschaffen, brauchen Sie Mehrheiten in Europa. Aber wie wir ja alle wissen: Da wollen ja nicht einmal mehr Ihre rechtsradikalen Freunde mit Ihnen spielen. Also viel Erfolg dabei!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zum Ende auch noch ein Wort in Richtung der Union. Solange Sie sich weiterhin verweigern, sich der Themen „Investitionen in Infrastruktur und Industrie“ sowie „Arbeitskräfteeinwanderung“ irgendwie anzunehmen – da sind ja Ihre MPs mittlerweile stellenweise durchaus auch auf unserer Seite –, brauchen Sie hier auch keine Nebelkerzendebatten zu führen und die fundamentalen Probleme unserer Wirtschaft in Themen wie dem Lieferkettengesetz zu suchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Arbeiten Sie doch konstruktiv mit! Es gibt genügend große Herausforderungen, die wir alle als demokratische Parteien und Fraktionen zusammen angehen müssen – das als vielleicht versöhnliches Angebot zum Ende.

In diesem Sinne bedanke ich mich und wünsche noch einen schönen Abend.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Wissen Sie, was am Ende ist? Die Wirtschaft!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616318
Wahlperiode 20
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Abschaffung - Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
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