10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 8

Sabine GrützmacherDIE GRÜNEN - Geldwäsche, Terrorismus- u. Extremismusfinanzierung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! „ In der Innenstadt können Sie weder Pizza noch Eis essen gehen, zumindest nicht guten Gewissens“, das sagte die ehemalige Vizepräsidentin des Thüringer Landtages Madeleine Henfling, die Mitglied des Mafiauntersuchungsausschusses war, über die eigene Landeshauptstadt in Erfurt. „ Nicht guten Gewissens“, weil diese Betriebe in der Hand der ’Ndrangheta seien, für die Deutschland zum zweiten Wohnzimmer geworden ist.

Dieses zweite Wohnzimmer hat sich nicht aufgebaut, als die CDU/CSU aus der Regierung rausgegangen ist. Laut Zahlen vom BMI aus 2022 gibt es 1 003 in Deutschland lebende Mafiamitglieder.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Herr Scholz als Finanzminister hat da nichts gemacht! Das war schlecht!)

Und das passierte nicht zufällig. Die bestens Organisierte Kriminalität traf auf eine unorganisierte Finanzkriminalitäts- und Geldwäschebekämpfung. So konnte die Organisierte Kriminalität hier jahrzehntelang mit dem Koffer voller Bargeld nicht nur ganze Häuserreihen, sondern auch Gewerbeimmobilien aufkaufen, alles unter Ihrer Regierungsverantwortung.

Die ’Ndrangheta ist nur ein Beispiel für Geldwäsche. Viele weitere Beispiele, vor allem aus dem Risikobereich Immobilien, in dem Geldwäsche auch den Wohnungsmarkt und damit die Mietpreise mit angeheizt hat, zeigen, dass Geldwäschebekämpfung auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und nur um das festzuhalten: Sie haben gerade gesagt, da wird weiter gewaschen. Im Bereich Immobilien mit Bargeld wird zum Beispiel nicht weiter gewaschen. Das haben wir abgeschafft. Darauf hat man jahrzehntelang gewartet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Finanzkriminalität ist ein zentrales Sicherheits-, aber auch ein enormes Gerechtigkeitsproblem. Es ist für jeden gut beobachtbar, was für einen medialen und öffentlichen Überbietungswettbewerb wir teilweise in Bezug auf Sanktionen von Bürgergeldempfängern und -empfängerinnen sehen, während jährlich 100 Milliarden Euro an schmutzigem Geld in Deutschland gewaschen werden, und das leider immer noch ziemlich geräuschlos. Deswegen bringen wir das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität auf den Weg.

Im Gegensatz zu unserem Ansatz will Ihr Vorschlag aber diese immensen Finanzkriminalitäts- und Geldwäscheaktivitäten in Deutschland mithilfe einer Zollpolizei bekämpfen. Aber ähnlich wie bei dem Antrag zur Vermögensabschöpfung kurz vor der sitzungsfreien Zeit machen Sie es sich damit ein bisschen leicht.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir hören auf die Experten!)

Denn anstatt die Rezeptur zu überdenken, bleiben Sie bei der altbekannten Strategie: die Erhöhung der Dosis. Aber mehr vom Gleichen ist nicht unbedingt hilfreich. Bestehende Strukturen einfach zu stärken, nimmt die FATF-Kritik der zersplitterten Zuständigkeiten unserer Ansicht nach nicht ernst genug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir fordern ja eine Bündelung bei der Zollpolizei!)

Das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz der Ampel, welches die drei Säulen der Geldwäschebekämpfung, nämlich die Analyse, die Ermittlung und die Aufsicht, bündelt und in einem Bundesamt unter ein Dach bringt, macht genau das: Es macht Schluss mit der zersplitterten Zuständigkeit

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Müssen Sie mal vorlegen, das Gesetz! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wann wird das denn beschlossen?)

– so schnell wie möglich –,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und es verbessert auch den Datenaustausch deutlich. Der Datenaustausch ist übrigens auch ein Punkt; das ist ziemlich komplex, man muss sich lange damit beschäftigen. Er ist aber unglaublich notwendig, um dann zum Beispiel ein besseres Transparenzregister zu haben, mit dem zum Beispiel auch NGOs und Journalisten arbeiten können, die auch zur Aufklärung beitragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch wenn wir uns sicherlich noch die eine oder andere Befugnis mehr gewünscht hätten, die Mehrheit des Echos der Fachwelt ist eindeutig: Es ist gut, dass eine neue Bundesbehörde kommen wird, und es ist gut, dass professionelle Geldwäsche endlich gebührend bekämpft wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zur effektiven Bekämpfung gehört evidenzbasiertes Vorgehen. Sie haben ja sinnvolle Themenfelder angesprochen wie die Regulierung von Kryptowerten. Aber wir brauchen auch moderne Kriminalitätsforschung, um das Dunkelfeld zu erleuchten. Deshalb wird das Ermittlungszentrum Geldwäsche auch für wissenschaftliche Forschung Daten verarbeiten können, damit wir Geldwäsche auch kontinuierlich nach State of the Art bekämpfen können.

Zu guter Letzt: Bessere Ermittlungen und eine bessere Datenlage werden in Verbindung mit dem Follow-the-Money-Ansatz auch erwartungsgemäß zu einer größeren Zahl von Fällen mit verdächtigem Vermögen führen. Als Grüne erwarten wir beim baldigen Regierungsentwurf des Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetzes auch wesentliche Verbesserungen bei der Vermögensermittlung und bei der Vermögensabschöpfung; denn wir brauchen beide Bausteine für effektive Schlagkraft.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mechthilde Wittmann für die Unionsfraktion ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616374
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Geldwäsche, Terrorismus- u. Extremismusfinanzierung
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