Johannes FechnerSPD - Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Am Ende der Debatte will ich doch noch mal darauf hinweisen, dass das Beispiel Thüringen uns vor zwei Wochen sehr eindrücklich gezeigt hat, wie wichtig diese Grundgesetzänderung ist. Wir haben dort das wahre Gesicht der AfD gesehen. Dort, wo sie die Möglichkeit hat, ignoriert und bekämpft sie die demokratischen Spielregeln.
(Enrico Komning [AfD]: So ein Blödsinn! Er hat sich an die Geschäftsordnung gehalten! – Norbert Kleinwächter [AfD]: Wer hat denn die Geschäftsordnung missachtet? Wer hat denn den Alterspräsidenten missachtet? – Gegenruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das scheint Sie ja krass aufzuregen!)
Das haben wir dort gesehen. Gut, dass es einen Thüringer Verfassungsgerichtshof gab, der unabhängig, kompetent und überparteilich besetzt war und diesen Spuk beendet hat. Das zeigt, wie wichtig unabhängige Verfassungsgerichte in Deutschland sind, und genau das sichern wir mit dieser Grundgesetzänderung.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Macht mal so weiter!)
In Osteuropa haben wir gesehen, wie schnell es gehen kann, dass der Rechtsstaat abgebaut wird. Der erste Schritt für die autoritären Machthaber etwa in Polen oder auch Ungarn war,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: … Fernsehsender zu stoppen! Tusk! Ihre Freunde!)
das Verfassungsgericht lahmzulegen, damit bestimmte Gesetze nicht mehr gekippt werden können. Es war das klare Ziel, die Verfassungsgerichte zu stoppen, damit die Gesetze nicht mehr gekippt werden können. Genau das werden wir in Deutschland verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In Polen wurden die Verfassungsrichter mit einfacher Mehrheit gewählt. Durch einfache Mehrheit konnten die Amtszeiten herabgesetzt werden, und ein Disziplinarausschuss konnte eingesetzt werden, der Richter einfach absetzen konnte. Eine weitere Möglichkeit ist, die Verfassungsgerichte nach Eingang von Rechtsmitteln entscheiden zu lassen, sodass sie nicht mehr dazu kommen, die wichtigen Gesetze vorrangig überprüfen zu können – auch ein ganz wichtiger Faktor, den wir hier beachtet haben. Und in Ungarn wurde geregelt, dass das Verfassungsgericht nicht inhaltlich über Verfassungsänderungen entscheiden kann, und die Möglichkeiten der Normenkontrolle wurden erheblich beschnitten.
All das ist für uns Anlass, hier jetzt tätig zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb regeln wir, dass nur mit Zweidrittelmehrheit und nicht, wie bisher, mit einfacher Mehrheit die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts geändert werden können. Wir regeln ganz klar, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bindend sind für Behörden und andere Gerichte. Und wir regeln – es ist schon angesprochen worden – das Wahlverfahren und normieren insbesondere einen Ersatzmechanismus, wenn bei einem Wahlorgan nicht innerhalb einer bestimmten Frist ein Richter oder eine Richterin gewählt wird.
Die Amtszeit der Mitglieder wird zwölf Jahre dauern. Auch das regeln wir mit Blick auf die USA im Grundgesetz. Sie kann dann nicht mehr durch ein einfaches Gesetz herabgesetzt werden. Und das Bundesverfassungsgericht wird sich eine Geschäftsordnung geben können; auch das regeln wir im Grundgesetz. Damit sind die Tricks, die wir in Polen und Ungarn gesehen haben, vom Tisch. Das wird in Deutschland nicht geschehen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir zeigen damit ganz klar: Wir sind ein Rechtsstaat, und wir bleiben auch ein Rechtsstaat. Wir wehren uns gegen Attacken und Angriffe von Verfassungsfeinden. Wir sichern unser bewährtes Bundesverfassungsgericht ab gegen die Attacken von Verfassungsfeinden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Ansgar Heveling [CDU/CSU])
Wir machen zugleich von einer durch die Grundgesetzänderung neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch: Wir schaffen im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ein klares Wahlverfahren, wie die Richter zu wählen sind. Denn es geht nicht, dass wie in den USA Verfassungsrichter auf Lebenszeit ernannt werden und es dabei keinerlei Konsensbestrebungen gibt, sondern eine Partei alleine entscheiden kann; das wollen wir nicht.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
In Deutschland wird wie bisher der Richterwahlausschuss mit Zweidrittelmehrheit über die Wahl der Richterin oder des Richters am Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dadurch ist gesichert, dass es ein ausgewogenes Gremium ist. Ich will ausdrücklich festhalten: Parteipolitik spielt hier überhaupt keine, aber wirklich gar keine Rolle,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Niemals!)
jedenfalls bei uns, bei den demokratischen Fraktionen. Und das wird auf jeden Fall so bleiben.
Mit dem Ersatzwahlmechanismus sichern wir, dass keine Sperrminorität ausgeübt werden kann. Es ist zwar ein äußerst unwahrscheinlicher Fall, dass die Sperrminorität von einem Drittel der destruktiven Kräfte hier im Bundestag erreicht werden wird; da bin ich sehr optimistisch.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Die SPD wird nie mehr auf ein Drittel kommen!)
Dennoch wollen wir vorsorgen, damit ein solches Problem auch nicht in der Theorie entstehen kann. Wir sichern, dass es keine langen Vakanzen gibt. Damit bleibt das Bundesverfassungsgericht auch in solchen Situationen auf jeden Fall handlungsfähig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke ganz herzlich allen Fraktionen, die an diesem wichtigen Gesetz mitgearbeitet haben, der Union, der FDP, den Grünen und auch meinen Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Es ist ein starkes Zeichen und zeigt: Wir Demokraten halten zusammen, wir sichern den Rechtsstaat ab. Wir sind und bleiben eine wehrhafte Demokratie in Deutschland.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616408 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG) |