10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 10

Jonas GeisslerCDU/CSU - Energieversorgung Deutschlands

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder von uns hat Grundüberzeugungen: Grundüberzeugungen, die uns politisch prägen, die unser politisches Handeln definieren. Grundüberzeugungen, die sich aus unseren eigenen Erfahrungen speisen, die geprägt werden von den Menschen, denen wir begegnet sind, und von der Zeit, in der wir leben. Sie sind Richtschnur, sie sind Kompass, und sie sind für politisches Handeln elementar, weil sie dazu führen, dass wir nicht beliebig sind und nicht beliebig entscheiden.

Grundüberzeugungen sind aber immer dann ein Problem, wenn sie blind machen, wenn sie uns nicht die Freiheit geben, Entscheidungen auf Basis von Fakten zu treffen, wenn sie dazu führen, dass wir uns einschränken, dass wir nicht mehr in der Lage sind, über den Tellerrand hinauszuschauen, und wenn sie uns Ketten anlegen. Wir reden heute über drei Anträge der AfD. Die Redner, die schon gesprochen haben, haben immer wieder in den Raum gestellt, dass es im Energiebereich ganz viel um Ideologie geht. Das sind genau die Grundüberzeugungen, die wir nicht brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kollegen von der AfD, man kann vielen in diesem Haus alles Mögliche vorwerfen; aber wenn wir Ihre Anträge, wenn wir das, was da drinsteht, lesen, dann wird klar: Sie sind die größten Ideologen von allen, die hier sitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie leugnen den menschengemachten Klimawandel.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das stimmt!)

Sie setzen einseitig und fast ausschließlich auf die Kernenergie.

(Karsten Hilse [AfD]: Nein, das machen wir nicht! Wir wollen alle Energiequellen!)

Was Sie noch zulassen, ist Gas und Kohle. Sie stellen in Abrede, dass eine Energiewende funktionieren kann

(Marc Bernhard [AfD]: Funktioniert doch offensichtlich nicht!)

und dass man auch mit Wind und Wasser Strom erzeugen kann. Sie reden die Geothermie schlecht, und Sie wollen keinen Wasserstoff. Was Sie machen, ist Ideologie in Reinkultur. Ideologie in Reinkultur!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich selbst bin in den 1980er- und 1990er-Jahren aufgewachsen. Ich bin geprägt worden von Begriffen wie Waldsterben, Ozonloch, von der Angst vor einem Atomkrieg und auch von den Nachwirkungen von Tschernobyl. Ich bin Teil einer Generation, die sich der Chancen, aber auch der Risiken der Kernenergie bewusst ist. Und ich habe verstanden, dass man für oder gegen Kernenergie sein kann. Beides sind legitime Ansichten. Es ist legitim, dafür oder dagegen zu sein.

Was aber nicht legitim ist, ist, in der Hochphase der Energiekrise, wo es auf jede einzelne Kilowattstunde Strom ankommt, die verbliebenen sechs und später drei Kernkraftwerke in Deutschland abzuschalten; das ist nicht legitim.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Wer hat das denn beschlossen? Sagen Sie doch mal!)

Es ist nicht legitim, von einem Moment auf den anderen 12 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland vom Netz zu nehmen. Deswegen ist es nur gerecht: Nachdem wir über Wochen und Monate immer wieder das Märchen davon gehört haben, dass die Kernenergie nicht sicher ist, dass ein Weiterbetreiben der Kernkraftwerke nicht möglich ist, dass es keine Brennstoffe gibt, dass das alles nicht geht, tagt genau in diesen Minuten ein Untersuchungsausschuss, der herausarbeiten soll, was damals in Ihrer Regierung eigentlich alles falsch gelaufen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Hümpfer [SPD]: Wollen wir mal schauen, was bei Ihnen alles falsch gelaufen ist!)

Wir haben ein Wirtschaftsministerium, in dem Vermerke falsch geschrieben worden sind; das sind Märchenvermerke. Wir haben ein Wirtschaftsministerium, in dem nicht mehr auf Experten gehört worden ist, sondern das eben auch ideologisch unterwegs war. Und wir haben gesehen, dass die Grünen eben am Ende keine Partei sind, die gegen den CO2-Ausstoß ist, sondern nichts anderes als eine Anti-AKW-Partei.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn man das offen anspricht, dann hören wir seitens der Grünen seit Monaten das Gejammer,

(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])

dass alle auf sie draufhauen, dass alle sie nicht wertschätzten würden. Sie brauchen sich doch angesichts der schlechten Politik, die Sie gemacht haben, nicht zu wundern, dass genau das passiert.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Und wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen: Die Kernenergie ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Spitze des Eisbergs!

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben so gut angefangen!)

Wenn der Satz fällt: „Es kommt auf jede Kilowattstunde Strom an“, dann frage ich mich, warum alle Vernünftigen in diesem Haus monatelang für die Weiterförderung der Wasserkraft gekämpft haben – monatelang! –, warum sie monatelang dafür gekämpft haben, dass Biomasse weiter gefördert wird, für die Geothermie, dafür, dass wir eine Stromversorgung haben, die einfach alles in diesem Land umfasst. Heizen mit Holz ist noch so ein Schlagwort.

Wir brauchen im Bereich der Energie endlich offene Diskussionen – ideologiefrei. Wir müssen uns freimachen von allem, was uns in der Vergangenheit beschäftigt hat, von einseitiger Befürwortung der Kernenergie oder der Erneuerbaren. Wir brauchen einen ehrlichen Zugang zum Bereich Energie,

(Zuruf des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])

weil sich die Menschen im Land genau das wünschen, weil sie Angst um die Energieversorgung der Zukunft haben.

Am Ende brauchen wir einen Mix mit Sonnen- und mit Windenergie. Wir brauchen einen Mix mit Geothermie. Wir brauchen einen Mix, worin alle Energieformen, die es gibt, miteinander gebündelt sind.

(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schüren die Angst! Wir machen doch, was Sie beschreiben!)

Wir brauchen natürlich auch die Forschung im Bereich der Kernenergie und die Klärung der Frage, ob Kernenergie ein Stück dazu beitragen kann, wie Energiewende in Zukunft funktioniert. Das sind wir den Menschen in diesem Land schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Und das Endlager machen wir dann dahin, wo Sie herkommen!)

Das Wort hat Harald Ebner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616422
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Energieversorgung Deutschlands
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