10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Zusatzpunkt 7

Heike BaehrensSPD - Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Pflegeversicherung vor großen Herausforderungen steht. Die Fakten sind ernst zu nehmen und erfordern politisches Handeln: Die Zahl der Pflegebedürftigen ist stark gestiegen und wird weiter steigen, die Kosten für gute Pflege haben inflationsbedingt zugenommen, und die Pflegenden müssen so bezahlt werden, dass es attraktiv ist, in der Pflege zu arbeiten.

Aber es gibt keinen Grund, Herr Sichert, für Kassandrarufe, und es gibt schon gar keinen Grund, so zu reden, wie Sie es gerade getan haben. Es ist unverantwortlich, in welcher Weise Sie die Menschen verunsichern

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und Ängste schüren, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Keine einzige konkrete Maßnahme, wie die Zukunft der Pflege in unserem Land verantwortungsvoll gestaltet und finanziert werden kann!

(Stephan Brandner [AfD]: Die Pflege wird keine Zukunft haben, wenn Sie weiter regieren! Dann ist die Zukunft der Pflege nämlich gar nicht mehr da! So einfach ist das!)

Nur blanke Panikmache: Das ist Ihr politisches Geschäftsmodell.

(Beifall des Abg. Matthias David Mieves [SPD] – Dr. Jens Zimmermann [SPD], an die AfD gewandt: Dafür, dass es Ihre Aktuelle Stunde ist, interessiert es anscheinend niemanden bei Ihnen!)

Demgegenüber sagen wir den Bürgerinnen und Bürgern im Land: Die Pflegeversicherung wird auch im kommenden Jahr ihre Aufgaben in vollem Umfang erfüllen, und es wird keine Einschränkung der Leistungen für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen geben. Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach haben zugesagt, zeitnah ein Finanzierungskonzept vorzulegen. Und auch mit dem Pflegekompetenzgesetz und dem Pflegeassistenzgesetz sind wichtige Reformbausteine schon auf dem Weg. Darüber werden wir in Kürze hier in diesem Haus beraten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Da bin ich gespannt!)

Uns als SPD – und daran arbeiten wir mit aller Kraft – ist es wichtig, zeitnah die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um die Pflege in unserem Land zukunftsfest zu machen. Darauf können sich alle verlassen.

Angesichts der außerordentlichen Ausgabenentwicklung braucht es aber konkrete Maßnahmen:

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

einerseits Sofortmaßnahmen, um die Finanzlage der Kassen kurzfristig zu entlasten, und andererseits eine Reform, die die Finanzierung der Pflege langfristig auf ein sicheres Fundament stellt. Das wird nicht allein durch weitere Beitragserhöhungen zu stemmen sein.

Vielmehr ist es nötig, dass die Lasten in Zukunft noch gerechter verteilt werden als heute. Es ist eben nicht gerecht, dass in den Kassen der privaten Pflegeversicherung über 45 Milliarden Euro auf der hohen Kante liegen, was Jahr für Jahr mehr wird,

(Stephan Brandner [AfD]: Die haben eingezahlt!)

während die soziale Pflegeversicherung knapp bei Kasse ist. Da braucht es eine Korrektur.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Eine Rückzahlung an die Einzahler!)

Es muss ernsthaft darüber beraten werden, wie es gelingen kann, die Solidarität in unserem Land zu stärken.

Wer auf Dauer ein stabiles Fundament für die Pflegeversicherung schaffen will, muss dafür sorgen, dass die Pflegeversicherung auf den Kern ihres Auftrags zurückgeführt wird. Und das heißt: Alles, was nicht originär Aufgabe der Pflegeversicherung ist, muss aus anderen Quellen finanziert werden.

(Beifall der Abg. Tino Sorge [CDU/CSU] und Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Tino Sorge [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Pandemiekosten. Wären alle Tests, Schutzmaterialien und Vorsorgemaßnahmen – auch in der Regierungszeit von Spahn –

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Und Lauterbach!)

wie in anderen Politikfeldern aus dem Steuertopf finanziert worden, hätte die Pflegeversicherung heute 5,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.

Versicherungsfremde Leistungen. Allein die Finanzierung der Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen würde die Pflegeversicherung um mehr als 3,6 Milliarden Euro entlasten.

Bei der medizinischen Behandlungspflege – ein Dauerthema; selbstverständlich eine Leistung der Krankenversicherung – klafft eine Lücke von rund 3 Milliarden Euro.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und müssten nicht die Kosten der Pflegeausbildung aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, anstatt sie den pflegebedürftigen Menschen in Rechnung zu stellen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Müssten nicht die Länder die Pflegeinfrastruktur finanzieren, anstatt die Investitionskosten in vollem Umfang den Pflegebedürftigen anzulasten? Und müssten nicht die Kommunen und Landkreise endlich ihren gesetzlich verbürgten Auftrag umsetzen und für gute Rahmenbedingungen im Vorfeld von Pflege sorgen?

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gute Beratung, Entwicklung von Quartierskonzepten, Betreuungsangebote, Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements, demenzsensible Stadtentwicklung: Es gibt vieles, das zur Verminderung von Pflegebedarf in der alternden Gesellschaft beitragen kann. Denn es geht neben allen Kosten- und Finanzierungsfragen auch um Teilhabe an der Gesellschaft und um den Erhalt von Lebensqualität für Menschen, die auf Unterstützung und Pflege im Alter angewiesen sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. – Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden wir alles dafür tun, dass die Menschen sich auch in Zukunft auf eine gute und würdevolle Pflege in unserem Land verlassen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und der nächste Redner ist Tino Sorge für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616440
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta