10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Zusatzpunkt 7

Jens TeutrineFDP - Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Pflege ist die soziale Frage der 20er- und 30er-Jahre. Dass die finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung nicht nachhaltig gesichert ist und schon gar nicht auf den noch kommenden demografischen Wandel vorbereitet ist, kann so nicht bleiben.

Die Kollegen haben richtigerweise darauf hingewiesen: Wir stehen jetzt nicht vor einem Finanzkollaps, und niemand muss sich Sorgen um seine Pflegeleistungen machen. Aber wir müssen trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass die Lage der Pflegeversicherung ernst ist. Es ist nicht von heute auf morgen passiert, es war vorhersehbar. Verursacht wurde es durch eine Politik, die sich darin gefällt, mit guten Absichten immer mehr Geld auszugeben, die sich aber nicht um die Gegenfinanzierung kümmert. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Ein Rückblick. Der Kollege Tino Sorge hat ja gerade behauptet, Jens Spahn hätte bei allen seinen Verbesserungen immer für eine Gegenfinanzierung gesorgt. Ich habe mir mal Ihr letztes Gesetz dazu, das Sie 2021, in der vergangenen Legislaturperiode, beschlossen haben, angeschaut. Es enthält Leistungsverbesserungen, die man für richtig halten kann. Ich habe mir dazu die Stellungnahmen der Experten angeguckt. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus. Die Verbraucherzentrale hat zu dem Gesetz von Jens Spahn gesagt:

„Die von der Koalition geplanten Maßnahmen auf der Einnahmenseite alleine sind offenbar unzureichend, um die Verbesserungen bei der Entlohnung der Pflegekräfte und die zaghaften Entlastungen bei den Eigenanteilen zu den Pflegekosten zu finanzieren.“

(Daniel Föst [FDP]: Hört! Hört!)

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände schreibt:

„Die vorgesehene Gegenfinanzierung ist völlig unzureichend.“

(Daniel Föst [FDP]: Na, so was!)

PKV:

„Mit dem Vorhaben werden Leistungen ausgeweitet und zusätzliche Kostenbelastungen für die Pflegebedürftigen und die Beitragszahler begründet. Dabei fehlt eine nachhaltige Finanzierung.“

(Daniel Föst [FDP]: Oha!)

„Es besteht schon jetzt eine Finanzlücke von … 1,8 Milliarden Euro.“

GKV-Spitzenverband:

„Eine umfassende Pflegereform mit einer nachhaltigen Pflegefinanzierung sieht anders aus.“

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Ihr seid doch in der Regierung!)

„Mit den jetzt vorliegenden Änderungsanträgen ist klar, dass die nächste Bundesregierung“

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: … die nichts macht!)

– die jetzige Koalition –

„eine Reformbaustelle gewaltigen Ausmaßes erben wird … Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb im Verlauf der Verhandlungen zu einer Pflegereform die Gegenfinanzierung immer weiter gekürzt wurde.“

Ich könnte meine ganze Rede mit diesen Stellungnahmen weiterführen,

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Was machen Sie jetzt?)

die Sie davor gewarnt haben, dass Sie nicht für eine Gegenfinanzierung gesorgt haben.

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Also Leistungskürzungen? – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Wo ist Ihr Vorschlag? Sagen Sie mal Ihren Vorschlag!)

Sich heute hierhinzustellen und zu sagen, es sei alles gegenfinanziert, das können Sie mit uns machen. Aber gegenüber den Experten ist das respektlos, und noch respektloser ist es gegenüber den Beitragszahlern und den Steuerzahlern. Das lassen die Ihnen so nicht durchgehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Wo ist Ihr Vorschlag? Sie reden drei Minuten schon um den Brei rum!)

Mir geht es dabei nicht darum, den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben. Ich glaube nicht, dass es was bringt, die Verantwortung zwischen den Parteien hin- und herzuschieben.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Wer regiert denn? Wie sich eine Regierung so an der Opposition abarbeiten kann, das ist echt lächerlich! Wo ist denn der eigene Vorschlag?)

Ich kritisiere explizit auch nicht die Leistungsverbesserungen per se, sondern ich kritisiere eine Politik, die nicht für eine nachhaltige Gegenfinanzierung sorgt. Sie ist kurzsichtig. Sie ist nicht fair gegenüber der jungen Generation von Beitragszahlern, die diese Lasten irgendwann tragen muss. Sie schadet am Ende auch dem Anliegen einer guten Pflege, weil die Menschen sich doch darauf verlassen können müssen, dass die Leistungen, die versprochen werden,

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Wo ist Ihr Vorschlag?)

auch gegenfinanziert sind – über Generationen und nicht nur für eine Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wer immer nur mehr Ausgaben fordert, ohne zu sagen, wie diese finanziert werden sollen, ist verantwortungslos. Sie haben das in Ihrem Redebeitrag wiederholt. Sie haben gesagt: Die versicherungsfremden Leistungen müssen raus aus der Pflegeversicherung. – Das steht auch im Koalitionsvertrag.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ja, dann setzen Sie es doch mal um! – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Dann nehmen Sie sie doch heraus!)

Ich finde es auch richtig, sich genau anzugucken, was die versicherungsfremden Leistungen sind. Dann sagen Sie: Das muss aus dem Haushalt finanziert werden.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Herr Teutrine, Sie sind in der Regierung! Woraus denn sonst? – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Wie sonst?)

Sie sagen aber nicht, woher aus dem Haushalt. Sie verschieben die Kosten von den Beitragszahlern zu den Steuerzahlern. Es ist ein Verschiebebahnhof, den Sie wollen. Das führt am Ende aber zu Mehrbelastungen.

(Beifall bei der FDP – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Sie sind unfähig, zu regieren! Das ist der Punkt! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Da hat jemand das System überhaupt nicht verstanden!)

Bevor nach immer höheren Beiträgen gerufen wird, besteht die Pflicht, mit den verfügbaren Beitragsgeldern

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Beitragsgelder, aha! Beitragsgelder sind das!)

zielgerichteter, effizienter und besser umzugehen. Die Expertenkommission der Bundesregierung hat dazu Vorschläge gemacht. Uns geht es darum, dass „Immer weniger Netto vom Brutto“ keine gute Politik ist,

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Schön, dass ihr das auch so seht! – Gegenruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Ja!)

dass es Reformen braucht.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ich finde es gut, dass die FDP Brutto und Netto noch auseinanderhalten kann! Habe ich nämlich so meine Zweifel! – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Nach drei Jahren seid’s drauf! Sehr gut!)

Deswegen sind wir in der Koalition dabei, Reformen umzusetzen, aber solche, die auch über Legislaturperioden halten.

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Beste Reform: Aussteigen aus der Ampel!)

Wir meinen: Der Pflegevorsorgefonds sollte gestärkt

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Ah!)

und in Richtung einer gesetzlichen Aktienpflegevorsorge weiterentwickelt werden.

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: „Gesetzliche Aktienpflegevorsorge“!)

Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in den sozialen Sicherungssystemen. Wer in Zeiten des demografischen Wandels allein auf ein umlagefinanziertes System setzt, der verzockt sich. Das Risiko liegt nicht in der Nutzung der Kapitalmärkte, sondern darin, dies zu unterlassen, so wie es die Vorgängerregierung über Jahre gemacht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir sind auch dafür, die betriebliche Pflegevorsorge –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– mit der Betriebsrente gleichzusetzen. Und es braucht einen Boost für private Vorsorge, weil wir den Einzelnen, der vorsorgen kann, stärken müssen. Wir sind offen für nachhaltige Reformen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind offen, und Sie wollten und Sie werden! Aber es passiert halt nix! Offenheit seit drei Jahren!)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Teutrine.

Ich freue mich, dass wir darüber weiter beraten und diskutieren werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Gerrit Huy für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616443
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung
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