10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Zusatzpunkt 7

Kristine LütkeFDP - Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Geschäftsführerin eines Pflegeheims im Nürnberger Land erlebe ich jeden Tag, wie sich gesetzliche Vorgaben auf die Bewohnerinnen und Bewohner, auf deren Familien und natürlich auch auf das Pflegepersonal auswirken. Wir können dem Pflegepersonal nicht genug dankbar sein. Das gilt für die Pflegekräfte in den stationären und ambulanten Einrichtungen. Das gilt aber ganz besonders auch denen, die meist unter dem Radar fliegen. Ich meine damit den größten Pflegedienst der Republik: die Angehörigen. Sie leisten mit viel Engagement und Kraft einen unverzichtbaren Dienst für ihre pflegebedürftigen Eltern, Ehepartner oder Kinder.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und des Abg. Jürgen Kretz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Danke, dass Sie das für unsere Gesellschaft tun!

Ich sage Ihnen jetzt, wie es ist: Der demografische Wandel kommt nicht in ein paar Jahren, er ist schon da. Mit ihm stoßen wir an unsere Grenzen, an die Grenzen der umlagebasierten sozialen Sicherungssysteme. Das gilt auch und insbesondere für die soziale Pflegeversicherung. Die Startchancen der nachfolgenden Generationen sind in Deutschland maßgeblich auch durch den demografischen Wandel geprägt. Niedrige Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung lassen die Gesellschaft altern. Das ist ja zunächst erst mal eine gute Nachricht: Wir leben länger, und wir werden älter. Aber viele der sogenannten Babyboomer werden eben auch pflegebedürftig; teilweise sind sie es jetzt schon. Damit gerät die Pflegeversicherung zunehmend in eine finanzielle Schieflage.

Wenn wir nun mal auf die vergangenen Wahlperioden zurückblicken und uns anschauen, was da unter den CDU-Gesundheitsministern Gröhe und Spahn passiert ist, beispielsweise die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der demenzielle Erkrankungen wie Alzheimer besser berücksichtigt, höhere Löhne und eine bessere personelle Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, sehen wir: Viele dieser Maßnahmen – so ehrlich bin ich an dieser Stelle – waren überfällig und dringend notwendig.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Allerdings wurden diese Leistungsausweitungen ohne nachhaltige Finanzierungsperspektive eingeführt. Über die langfristige Refinanzierung der Maßnahmen hat man sich schlichtweg kaum oder keine Gedanken gemacht. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel ist es aber doch unsere Pflicht, nicht nur die ältere Generation in den Blick zu nehmen, sondern auch diejenigen, die diese Leistungen in der Zukunft erwirtschaften müssen.

(Beifall bei der FDP)

Vor allem die Belastbarkeit der Erwerbstätigen durch immer höhere Beitragssätze ist heute schon ausgereizt. Die stetig steigenden Sozialversicherungsbeiträge sind darüber hinaus auch ein Standortrisiko für unsere Unternehmen. Diese sorgen ja mit ihren Arbeitsplätzen überhaupt erst dafür, dass die Kassen gefüllt werden.

Die Lösung kann also nicht sein, immer weiter an der Beitragsschraube zu drehen. Gleichzeitig kann die Lösung aber auch nicht sein, dass wir immer mehr Steuergeld in die Pflegeversicherung pumpen. Die sogenannte Dynamisierung entzieht dem Haushalt Mittel, die an anderer Stelle für Zukunftsprojekte essenziell wichtig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoversicherung. Sie ist darauf ausgerichtet, dass sie den Menschen einen Teil der Pflegekosten abnimmt. Gleichzeitig traut sie den Menschen Eigenverantwortung zu. Diejenigen, die es sich leisten können, zahlen die restlichen Kosten selbst. Diejenigen, die das eben nicht können, für die ist der Staat da und unterstützt sie. Dieses Prinzip muss beibehalten werden. Das habe ich auch mit Freude vom Kollegen Irlstorfer vernommen. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob der Rest der CSU das auch so sieht; die Landtagsfraktion hat nämlich neulich einen anderen Beschluss gefasst.

Gleichzeitig müssen wir das Fundament der Pflegeversicherung neu aufbauen, und das geht nicht ohne zusätzliche kapitalgedeckte Elemente.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Richtig!)

Sie machen das Umlagesystem unabhängiger von der abnehmenden Zahl der Beitragszahler. Der Generationenvertrag muss fair bleiben, das heißt, für jede Generation ergibt sich dasselbe Verhältnis von Ertrag zu Kosten.

Als Alterswissenschaftlerin weiß ich, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen wir stehen. Es ist an der Zeit für einen New Deal in der Pflege. Wir als Freie Demokraten erwarten deswegen gespannt die Vorschläge von Minister Lauterbach und des Bundeskanzlers. Wir jedenfalls sind bereit für einen New Deal und tragen diesen dann auch gerne mit.

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Redner ist Sepp Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616449
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Drohender Finanzkollaps der Pfegeversicherung
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