Tobias WinklerCDU/CSU - Europäische Zukunft Georgiens, Südkaukasuspolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Georgien ist eines der Länder, das sich entscheiden musste, ob es sich dem Westen oder dem Osten zuwendet, ob es sich den europäischen Werten, dem Frieden, der Freiheit, der Würde des Menschen, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie verpflichten möchte zum Wohle der breiten Bevölkerung oder ob sich das Land an Russland ketten möchte, als Autokratie mit eingeschränkter Meinungsfreiheit, der Abkehr von der regelbasierten internationalen Ordnung, mit Willkür und Oligarchenherrschaft ausschließlich zum Wohle einer kleinen Elite. Diese Entscheidung wurde weder in Berlin noch in Brüssel getroffen, sondern einzig und allein in Tbilissi, im georgischen Parlament. Sie steht heute in der georgischen Verfassung. Leider sehen wir von der gegenwärtigen Regierung, dass der lange verfolgte Annäherungsprozess in Richtung der Europäischen Union ins Stocken gerät. Wenn also jemand diesen Weg verlässt, dann ist es die Regierung und nicht das Volk und nicht das gewählte Parlament.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bei den anstehenden Wahlen wird deutlich, wie stark die Regierung versucht, den Willen der Bevölkerung zu manipulieren und das Wahlergebnis so zu beeinflussen, dass vor allem die eigene Macht gesichert werden kann. Wir begrüßen, dass ODIHR und die OSZE-PV Wahlbeobachter entsenden werden. Allerdings sind die Berichte der im Vorfeld eingesetzten Langzeitbeobachter nicht gerade ermutigend. Es ist bereits jetzt kaum mehr möglich, die anstehenden Wahlen als fair oder frei zu bezeichnen. Die Dominanz der regierenden Partei in den Medien und die Benachteiligung der Kandidaten der Opposition sind massiv. Zu den Instrumenten der Regierung gehört auch das nach russischem Vorbild erlassene Agentengesetz. Es wird zu Recht von EU-Kommission und von der Venedig-Kommission des Europarats kritisiert, da es einzig und allein dazu dient, die freie Entfaltung und Stärkung der Zivilgesellschaft und einer demokratischen Opposition zu verhindern.
Ihr Antrag beschreibt viele der Entwicklungen sehr treffend. Wären wir frühzeitig in den Entwurf eingebunden gewesen, hätten wir sicherlich schnell eine inhaltliche Übereinstimmung gefunden. Vielleicht hätten wir die eine oder andere Priorität anders gesetzt; aber wir hätten ganz sicher einen anderen Zeitpunkt gewählt.
Die Regierungspartei, der Georgische Traum, verbreitet, genau wie vorhin und heute hier die AfD, auch im Wahlkampf das Narrativ, dass die Opposition und die proeuropäische Stimmung durch ausländischen Einfluss gefördert würden. Sie behaupten, dass versucht würde, die Wahlen aus dem Ausland zu beeinflussen.
(Zuruf des Abg. Enrico Komning [AfD])
In so einer Lage ist es doch an uns, dieser perfiden Verschwörungstheorie, auf die nicht nur die Dümmsten hereinfallen,
(Steffen Kotré [AfD]: Vielleicht, weil was dran ist!)
nicht noch unnötig Nahrung zu geben. Es ist der proeuropäischen Opposition jedenfalls nicht damit geholfen, wenn die georgische Regierung darauf verweisen kann, wie heute auch bei uns die AfD, dass sogar der Deutsche Bundestag bis zuletzt versucht, Einfluss auf den Wahlkampf zu nehmen. Das ist falsch; das ist perfide. Aber wir kennen die Mechanismen, und wir sollten dem nicht auch noch verfallen.
(Steffen Kotré [AfD]: Herr Roth war vor Ort!)
Ich wünsche dem georgischen Volk, den vielen Menschen, die ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand in der Europäischen Union anstreben, dass es gelingt, auf friedlichem Weg ein starkes Zeichen zu setzen, auch bei diesen Wahlen; denn – an die Regierung gerichtet –: Wer sich mit Russland ins Bett legt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er in Unfreiheit aufwacht. Spätestens dann erweist sich der Georgische Traum als georgischer Albtraum.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Robin Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Herr Kollege Winkler. – Ich erteile nunmehr das Wort für die Bundesregierung der Frau Staatsministerin im Auswärtigen Amt Dr. Anna Lührmann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616490 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 191 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Zukunft Georgiens, Südkaukasuspolitik |