10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 16

Simone BorchardtCDU/CSU - Med. Versorgung von Kindern u. Jugendlichen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was Sie hier alles erzählen, finde ich ganz schön und nett, aber es wäre gut, wenn Sie in die Wahlkreise gehen und einfach mal schauen würden, was von Ihren Wünschen in der Praxis wirklich ankommt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist nämlich relativ wenig. Da können Sie noch so sehr wünschen und erzählen, aber es ist nicht viel, was ankommt.

Es ist – lassen Sie mich das sagen – ein wichtiges Ereignis, wenn ein Kind zur Welt kommt. Es ist ein wichtiges Ereignis für die Familie, für die Frau. Eine Geburt ist wirklich prägend. Das sollte uns noch mal sehr deutlich ins Gedächtnis gerufen werden. Ein guter Start ins Leben ist wichtig für eine positive Entwicklung, für die Gesundheit von Mutter und Kind. Dazu müssen die Rahmenbedingungen bei einer Geburt stimmen.

Das langfristige Ziel muss es also sein, eine angemessene medizinische Versorgung besonders in den ersten Lebensmonaten sicherzustellen – und das flächendeckend und für alle, egal ob die Menschen auf dem Land wohnen oder in der Stadt. Nur so kann ein gesundes Heranwachsen gelingen, und nur so kann im ganzen Land die Entstehung starker familiärer Bindungen zielgerichtet und konsequent gefördert werden. Leider zeichnet sich zurzeit eine völlig andere Situation ab, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Wir haben die Situation, dass Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Pflegefachkräfte heute fast doppelt so viele Frauen betreuen wie vor 30 Jahren.

Und, meine Damen und Herren, wir haben noch mehr Verwerfungen in diesem System, die Sie nicht angehen, auch wenn Sie darüber berichten. Es häufen sich die Berichte, dass Kaiserschnitte wegen Personalmangels und besserer Finanzierung in den Kliniken verstärkt forciert werden. Was tun Sie dagegen? Ich kann mich nicht daran erinnern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Erkenntnisse haben wir schon relativ lange. So eine Lage ist nicht hinnehmbar, und wir müssen aktiv gegensteuern – Sie müssen aktiv gegensteuern.

Und da offensichtlich ist, dass es schlichtweg an Fachkräften mangelt, können wir sagen: Praktizierende Hebammen stoßen schon jetzt an ihre physischen und psychischen Belastungsgrenzen. Immer mehr Hebammen legen ihren Beruf nieder, oder dieser wundervolle Beruf wird schon gar nicht mehr erlernt.

Da geht es auch um Themen wie Versicherung. Es nützt uns nicht, dass Sie da kein Erkenntnisproblem haben. Wo setzen Sie die Erkenntnisse in die Tat um, damit es für die Hebammen besser wird?

(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])

Und was ist mit der Vergütung für die Hebammen? Wird sie dynamisiert, wird sie angepasst? Oder was ist, wenn wir weiterdenken, mit der Wertschätzung für die Hebammen? Was ist mit der Heilkundeübertragung? Das sind alles Themen, die fehlen und die Sie nicht angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen. Wir haben dringenden Handlungsbedarf. Da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen: Es ist auch mal gut, den Finger in die Wunde zu legen.

(Zuruf der Abg. Saskia Weishaupt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Umso entsetzlicher ist es, dass die Geburtshilfe sowie die Kinder- und Jugendmedizin in den aktuellen Gesetzentwürfen zwar Thema ist, aber dass man hier noch längst nicht die Qualität erreicht hat, die wir uns wünschen.

Schlimmer noch ist Ihre vielgepriesene Krankenhausreform. In dieser Krankhausreform fällt der ländliche Bereich komplett hintenüber.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So kann ich sagen, dass es zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern – ich komme von dort – einige Behandlungen nicht mehr geben wird. Und wie sieht es mit einer Übergangsfinanzierung für die Krankenhäuser aus? Dazu haben Sie nicht mal einen Plan, Sie wissen nicht mal, wie es funktionieren soll. Und dann preisen Sie uns hier solche Dinge an.

Was wir brauchen, sind pragmatische und ganzheitliche Lösungsansätze, vor allen Dingen für den ländlichen Raum. Sie können in Deutschland nicht immer alles über einen Kamm scheren, sondern Sie müssen auch berücksichtigen, dass Deutschland eben sowohl aus Mecklenburg-Vorpommern und dem ländlichen Raum besteht wie auch aus den städtischen Bereichen. Aber von einer ganzheitlichen Denkweise sind Sie ganz, ganz weit entfernt.

Sinnbildlich für Ihre Herangehensweise ist die Mindestmengenregelung zur Versorgung von extremen Frühchen an Perinatalzentren. Hier kann ich nur sagen: Eine Mindestmengenregelung ist zwar gut und schön, aber wenn die Mütter oder die Eltern 90 Kilometer oder noch weiter fahren müssen, um das Kind versorgen zu können, halte ich das für sehr gefährlich und fahrlässig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der Linken)

Das darf es in unserem Land nicht geben.

Meine Damen und Herren, damit nicht genug, auch die Babylotsen in den Geburtskliniken, welche vulnerablen Familien psychosoziale Unterstützung anbieten, geraten durch Sie immer mehr ins Abseits. Sie sind erst gar nicht im Fokus, obwohl sie eine wichtige Steuerungsfunktion im Gesundheitssystem übernehmen.

Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel: Wir sind sehr glücklich, dass Sie unsere Idee mit den hebammengeleiteten Kreißsälen übernommen haben. Das haben Sie sehr gut abgeschrieben. Hervorragend! Nehmen Sie sich doch ein Beispiel daran und bauen Sie noch das eine oder andere aus unserem Antrag in Ihre Vorlagen ein.

Vor allen Dingen: Vergessen Sie den ländlichen Raum nicht, wenn Sie beim Thema Geburtshilfe sind.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort geht an Ates Gürpinar für die Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616507
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Med. Versorgung von Kindern u. Jugendlichen
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