10.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 191 / Tagesordnungspunkt 17

Verena HubertzSPD - Bericht des Beauftragten für Ostdeutschland 2024

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatsminister Schneider! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht trägt den Titel: „Ost und West. Frei, vereint und unvollkommen.“ Dabei ist mir ein Wort besonders im Kopf hängen geblieben:

(Stephan Brandner [AfD]: „Und“! – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

unvollkommen.

(Stephan Brandner [AfD]: Ah!)

Ich habe darüber nachgedacht, was „unvollkommen“ für mich eigentlich bedeutet. Ich finde, Unvollkommenheit muss kein Defizit sein, sondern kann auch als Antrieb dienen. Perfektion ist eine Illusion, die oft träge und selbstzufrieden macht. Vielmehr sollten wir doch als Gesellschaft immer nach der besten Version der Zukunft streben. Das soll uns motivieren zu Innovation, aber auch zu sozialem Fortschritt.

Sozialer Fortschritt bedeutet für mich als Sozialdemokratin gleiche Chancen, egal ob man in Dresden oder Trier geboren ist, egal was die Eltern beruflich machen oder welches Geschlecht jemand hat. Ich finde es eigentlich ganz schön, in einem Land zu leben, das in Unvollkommenheit in die Zukunft strebt; denn Unvollkommenheit ist auch das Gegenteil von Sättigung.

Deswegen ist die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland auch kein Zufall für mich. Ostdeutsche haben in den 90er-Jahren bewiesen, dass sie in der Lage sind, sich auf radikale Umbrüche einzustellen. Ein wenig brauchen wir vielleicht die gleiche Lernbereitschaft gerade in der heutigen Zeit.

Die ostdeutsche Wirtschaft – wir haben es eben gehört – wächst seit Jahren stärker und schneller als die im Westen. Sie erholt sich auch schneller von Krisen, von denen es mehr als genug gibt. Es entstehen gerade in Ostdeutschland Zukunftsindustrien im Bereich Mikroelektronik und E-Mobilität.

(Stephan Brandner [AfD]: In Magdeburg zum Beispiel! Oder nee, doch nicht!)

Ich bin überzeugt: Es gibt einen Aufschwung Ost, und der kann auch einen Aufschwung im ganzen Land antreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Unvollkommenheit darf aber nicht heißen, dass es keine gleichen Chancen gibt. Wir dürfen bei Themen wie ungleicher Vermögensverteilung und der Besetzung von Führungspositionen nicht nachgeben; denn dort ist Ostdeutschland noch stark unterrepräsentiert. Hier muss doch unser Ziel sein: dieselben Chancen für alle, unabhängig vom Geburtsort.

Unvollkommenheit bedeutet auch, dass wir noch Raum haben, zusammenzuwachsen, zu gestalten und auch zu lernen. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Staatsminister, dass Sie in Ihrem Bericht nicht nur die Wirtschaftslage beleuchten, sondern auch mal die Gefühlslage der Nation abklopfen.

Und die Daten bestätigen, was wir alle spüren: Es fehlt ein starkes Wirgefühl. Nur ein Viertel der Befragten glaubt, dass sich die Mitmenschen gegenseitig unterstützen. Da frage ich mich schon: Wo ist eigentlich unser Wirgefühl? Gibt es das nur noch bei der Fußballeuropameisterschaft oder als Autonation?

Deswegen sehe ich den vorgelegten Bericht auch ein wenig als Auftrag an mich, aber auch an uns alle, daran wieder zu arbeiten. Denn wenn ich im Land unterwegs bin, dann sehe ich auch viel Engagement und viel Ehrenamt – ob bei der Feuerwehr, in der Nachbarschaft oder in der Kita um die Ecke.

Aber worüber ich mir ernsthaft Sorgen mache, ist das Unversöhnliche, das „schwarz oder weiß“, das „eins oder null“. Wir sollten mehr aufeinander zugehen und uns nicht voneinander wegbewegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Also lassen Sie uns doch Brücken bauen –

(Stephan Brandner [AfD]: Sie bauen doch Mauern! – Weiterer Zuruf von der AfD: Die stürzen ja ein!)

zueinander, miteinander, aber auch in die Zukunft. Denn ich bin überzeugt: Das Beste für dieses Land kommt noch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Sepp Müller [CDU/CSU]: War das jetzt eine Drohung, Frau Hubertz?)

Wahrscheinlich nach der nächsten Wahl. – Vielen Dank, Frau Hubertz.

Nächster Redner ist der Kollege Sören Pellmann aus der Gruppe Die Linke.

(Beifall bei der Linken – Stephan Brandner [AfD]: Eigentlich vom BSW keiner da bei dieser wichtigen Debatte?)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616523
Wahlperiode 20
Sitzung 191
Tagesordnungspunkt Bericht des Beauftragten für Ostdeutschland 2024
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