11.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 192 / Zusatzpunkt 5

Carsten BrodesserCDU/CSU - Reformen in der Privaten Krankenversicherung

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schlechten Nachrichten für die Ampel reißen leider nicht ab. Neben den rezessiven wirtschaftlichen Daten, die wir diese Woche vernehmen mussten, mit einem sinkenden Bruttoinlandsprodukt im zweiten Jahr in Folge, versuchen Sie, den Bürgerinnen und Bürgern mit der Wachstumsinitiative und dem Jahressteuerpaket die trüben Aussichten mit vermeintlichen Steuererleichterungen zu versüßen. Spätestens Anfang des neuen Jahres werden aber die meisten Menschen auf ihren Gehaltsabrechnungen schockiert feststellen müssen, dass die vermeintlichen Erleichterungen durch massiv steigende Sozialbeiträge wieder aufgefressen werden. So werden voraussichtlich auch zwei Drittel der privat Krankenversicherten mit einem Anstieg von 18 Prozent ihrer Prämien zum 1. Januar 2025 rechnen müssen. Im Schnitt müssen dann Privatversicherte mit monatlichen Beiträgen von rund 623 Euro rechnen.

Als Hauptursachen sind die gestiegenen Leistungsausgaben im Krankenhausbereich und die gestiegenen Personalkosten durch die gesetzlichen Vorgaben für Pflegekräfte zu nennen. Allerdings, und darauf zielt unser Antrag, steht die Tarifstruktur der privaten Krankenversicherung seit mehr als 15 Jahren still. Sie wurde gesetzlich kaum verändert.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Wer hat denn da regiert?)

Was sind die Gründe dafür? Die politischen Ziele der damaligen Koalitionspartner in der Großen Koalition waren so unterschiedlich, dass man sich lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen konnte. Und die Folge? Die notwendigen Reformen der PKV blieben auf der Strecke – und das zulasten der Versicherten.

Heute erleben Millionen privat Krankenversicherte unregelmäßige Beitragsanpassungen. In einzelnen Jahren gibt es kaum Veränderungen, doch dann kommt der Schock: Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich, die vor allem diejenigen belasten, die nicht beihilfeberechtigt sind. Diese sprunghaften Anpassungen sind für die Versicherten nur schwer kalkulierbar und machen eine verlässliche Finanzplanung für die Menschen nahezu unmöglich. Daher sind wir alle gefordert, für die Versicherten Verlässlichkeit und Vertrauen in die Bezahlbarkeit der Krankenversicherung sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum erleben wir diese extremen Beitragssprünge? Der Grund dafür sind die sogenannten auslösenden Faktoren im Versicherungsvertrags- und im Versicherungsaufsichtsgesetz. Beitragsanpassungen dürfen demnach nur erfolgen, wenn festgelegte Schwellenwerte überschritten werden, etwa bei Abweichungen bei der Sterbewahrscheinlichkeit oder steigenden Kosten für Versicherungsleistungen. Das führt dazu, dass Kosten über Jahre hinweg aufgestaut werden, bis dann plötzlich eine massive Beitragsanpassung erfolgen muss, die die Versicherten hart trifft.

Hinzu kommt, dass der Faktor „Zins“, also die Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, derzeit keinen Einfluss auf die Beitragsanpassungen hat. In Zeiten niedriger Zinsen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, verschärft das die Problematik nur weiter.

Auch beim Thema Alterungsrückstellungen sehen wir große Defizite. Bei einem Tarifwechsel innerhalb eines Versicherungsunternehmens werden die Alterungsrückstellungen nicht vollständig angerechnet, sondern oft zur Beitragsminderung aufgebraucht. Was auf den ersten Blick nach einer Entlastung aussieht, führt langfristig zu massiven Beitragsanpassungen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der gesetzliche Zuschlag auf PKV-Beiträge. Dieser Zuschlag, eingeführt im Jahr 2000, soll helfen, Beitragsanpassungen ab dem 65. Lebensjahr zu reduzieren. Doch seit 23 Jahren wurde dieser Zuschlag nicht mehr an die gestiegene Lebenserwartung und das höhere Renteneintrittsalter angepasst. Hier gibt es dringenden Reformbedarf, um die Versicherten langfristig zu entlasten.

Und schließlich gibt es auch im Bereich der Sozialtarife erheblichen Nachholbedarf. Der Standardtarif, der älteren Versicherten Entlastung bietet, ist nur für diejenigen zugänglich, die vor dem 1. Januar 2009 in die PKV eingetreten sind. Jüngere Versicherte, die in finanzielle Not geraten, müssen stattdessen den Basistarif wählen, der oft teurer ist und für sie keine echte wirtschaftliche Entlastung darstellt.

Manchen Vorurteilen zum Trotz möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich bei den Versicherten in der PKV keineswegs nur um besserverdienende Angestellte handelt. Man denke beispielsweise an die Gruppe der Selbstständigen oder der Rentenbezieher. Denn auch die haben einen Anspruch darauf, dass man ihre sozialen Belange im Blick behält.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeit für Reformen in der privaten Krankenversicherung ist überfällig. Wir brauchen eine Beitragsverstetigung für die fast 9 Millionen Privatversicherten und damit eine verlässliche und planbare Kostenentwicklung. Wir brauchen Reformen bei den Sozialtarifen, damit Menschen in Notlagen besser geschützt werden. Und wir brauchen eine Anpassung des gesetzlichen Zuschlags, um den demografischen Wandel adäquat zu berücksichtigen.

Die Umsetzung dieser Vorschläge kostet den Staat keinen Cent und macht das Gesundheitssystem ein Stück weit stabiler und stärker. Es gibt daher eigentlich keinen erkennbaren Grund, warum sie von der Regierung nicht aufgegriffen und umgesetzt werden.

Es ist an der Zeit, die PKV krisenfest und zukunftssicher zu machen – für alle Versicherten. Darum bitten wir um Unterstützung für unseren Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Armand Zorn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616681
Wahlperiode 20
Sitzung 192
Tagesordnungspunkt Reformen in der Privaten Krankenversicherung
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