Armand ZornSPD - Reformen in der Privaten Krankenversicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Preis-Schock für 2025!“, „ Kostenexplosionen bei der PKV!“, „ Massive Preiserhöhungen – mehr als 18 Prozent!“ – solch schockierende Schlagzeilen haben in den letzten Wochen in mehreren Medien die Runde gemacht. Da wundert es nicht, dass die Union jetzt mit einem Antrag um die Ecke kommt und verspricht, Privatversicherte zu entlasten. Aber schauen wir mal genau hin, was im Antrag steht.
Im Antrag fordert die Union mehrere Punkte: erstens eine Beitragsverstetigung, indem die Schwellenwerte für auslösende Faktoren abgesenkt werden, zweitens sollen bereits Zinsschwankungen ausreichen, damit PKVs ihre Beiträge erhöhen dürfen, und drittens, was ich besonders spannend finde, eine Flexibilisierung des gesetzlichen Zuschlags, was auch immer damit gemeint ist. Das alles soll laut Titel des Antrags dazu führen, dass die Interessen der Versicherten besser gewährleistet werden können; aber das Gegenteil ist der Fall.
Zum ersten Punkt: Im Schnitt sind Privatversicherte deutlich wohlhabender als gesetzlich Versicherte; zumindest darauf können wir uns einigen.
(Kay Gottschalk [AfD]: Das sieht man schon an der Beitragsbemessungsgrenze!)
– Im Schnitt. – Ihre Einkommen und Vermögen sind in der Regel höher. Für sie ist also nicht die Ungleichmäßigkeit der Beitragserhöhungen entscheidend, sondern entscheidend ist die Gesamthöhe der Beiträge. In Ihrem Antrag schreiben Sie selbst, dass es deutlich wichtiger ist, dafür zu sorgen, dass die Beiträge nicht steigen. Und Sie geben ja selbst zu, dass eine Verstetigung nicht dazu führen würde, dass sich die Gesamthöhe der Beiträge ändert.
(Dr. Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: Das steht da gar nicht drin! – Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Sie haben es nicht verstanden!)
Und deswegen erreichen Sie das auf diese Weise nicht.
Herr Zorn, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Antje Tillmann?
Nein. – Doch wenn Versicherte schneller und in kleineren Schritten mehr zahlen sollen, muss man auch festhalten, dass sie dann heute weniger Geld in der Tasche haben. Das führt dazu, dass weniger Geld investiert werden kann, aber auch dazu, dass die Zinserträge, die entstehen könnten, nicht bei den Versicherten landen, sondern bei der Versicherung. Deswegen schaden Sie am Ende eigentlich denjenigen, die Sie unterstützen wollen.
(Dr. Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: So ein Schmarrn! – Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Das ist doch einfach fachlich falsch!)
Ich mache weiter mit dem zweiten Punkt. Bereits bei Zinsschwankungen sollen nach den Vorstellungen der Union die Beitragssätze erhöht werden können. Höhere Zinslagen und damit höhere Erträge aus den Kapitalstöcken der Versicherer sollen zu einer Beitragssenkung führen. In der Theorie kann man das so annehmen; aber in der Praxis ist das relativ naiv. Denn wir wissen aus der Verhaltensökonomik, dass Kostenerhöhungen weitergegeben werden, aber Senkungen in der Regel nicht stattfinden.
(Dr. Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: Hä?)
Das ist also ein weiterer Punkt, der typischerweise dazu führen wird, dass das Ganze zulasten der Versicherten gehen wird.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Schauen Sie doch mal ins Versicherungsvertragsgesetz rein! 90 Prozent müssen weitergegeben werden!)
Das ist ein weiterer Punkt, den wir nicht unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Das ist doch völlige Unkenntnis!)
– Beruhigen Sie sich, Herr Kollege, alles wird gut. Ganz ruhig einatmen, ausatmen. Alles wird gut.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Linken – Karsten Hilse [AfD]: Sie haben einfach keine Ahnung!)
Zum dritten Punkt: Die Union will den gesetzlichen Zuschlag „flexibilisieren“. Sie haben aber nicht genau definiert, was Sie sich eigentlich darunter vorstellen. Der gesetzliche Zuschlag ist ein Schutzmechanismus, für den wir in der Politik lange gekämpft haben – auch Sie haben dazu beigetragen –, um dafür zu sorgen, dass die Beitragssätze am Ende des Lebens nicht disproportional erhöht werden. Dies zu flexibilisieren, könnte also dazu führen, dass die Beitragsätze für junge Leute deutlich sinken würden – das könnte man begrüßen –, könnte aber auch dazu führen, dass im Alter die Beitragssätze entsprechend steigen würden.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Deswegen ja erhöhen!)
Deswegen unterstützen wir das nicht.
Am Ende muss man anhand dieser drei Punkte feststellen: Ihre Vorschläge würden dazu führen, dass nicht die Interessen der Versicherten gewährleistet werden, sondern sie sind eher im Interesse der Versicherer. Deswegen können wir diesen Antrag in dieser Form nicht unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei gibt es durchaus sinnvolle Möglichkeiten, um Versicherten tatsächlich zu helfen. Wir haben einen Vorschlag: die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Das ist die Lösung. Das ist der richtige Weg, wenn wir nach vorne gehen wollen.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Schauen Sie mal nach Großbritannien! Alles schlechter machen! Genau!)
Eine Bürgerversicherung hätte viele Vorteile:
Erstens einen gerechteren Zugang zu einer besseren medizinischen Versorgung für alle.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Würde alles schlechter machen!)
Zweitens könnten wir durch eine breitere Mitgliederbasis dafür sorgen, dass die Beitragssätze für alle sinken,
(Jörn König [AfD]: Sie sind seit drei Jahren in der Regierung! Machen Sie doch einfach!)
sowohl für die gesetzlich Versicherten als auch für die Privatversicherten.
Wer zusätzlich zu der Bürgerversicherung weitere Leistungen in Anspruch nehmen möchte, hätte noch die Möglichkeit, sich über private Zusatzversicherungen abzusichern.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)
Und mit einer einmaligen Wechseloption würden wir dafür sorgen, dass Privatversicherte ihren schmerzhaften Beitragssätzen entkommen können.
Das halten wir für eine gute Lösung. Das ist das, was die SPD fordert. Das ist das, was auch die Grünen fordern. Und das ist es, was die meisten Menschen in diesem Lande sich wünschen:
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
eine bezahlbare medizinische Versorgung, bei der es am Ende keinen Qualitätsunterschied gibt, bei der alle in einen Topf einzahlen, bei der es keinen Unterschied macht, ob man gesetzlich oder privat versichert ist, und alle eine gleich gute medizinische Versorgung bekommen.
(Beifall des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns daran arbeiten! Lassen Sie uns nicht nur für einige wenige eine gute Lösung finden, sondern dafür sorgen, dass am Ende alle Menschen profitieren und es eine gute medizinische Versorgung für alle gibt!
Bezüglich des vorliegenden Antrags muss man leider feststellen, dass er bestenfalls die Interessen der Versicherungen berücksichtigt, nicht aber die der Versicherten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion ist der nächste Redner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616682 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Reformen in der Privaten Krankenversicherung |