Maria Klein-SchmeinkDIE GRÜNEN - Reformen in der Privaten Krankenversicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier im Hause! Zum Vorredner möchte ich nur sehr kurz sagen: Wer alle Regeln zum Verbraucherschutz und Versichertenschutz, die gesetzlich niedergelegt sind, mit dem Argument des Bürokratieabbaus schleifen will, weiß nicht, worum es geht. Es geht hier um existenzielle Absicherung, und die muss sowohl für die private wie auch für die gesetzliche Versicherung gegeben sein. Insofern liegen Sie vollkommen falsch mit Blick auf das, was notwendig ist, und schaden dem Interesse der Versicherten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Zum vorliegenden Antrag. Er entspricht in großen Teilen eigentlich dem, was die Deutsche Aktuarvereinigung empfiehlt.
(Johannes Schraps [SPD]: Hört! Hört!)
Es entspricht dem, was die Versicherungsunternehmen fordern. Aber er greift doch sehr zu kurz.
Herr Brodesser, Sie haben gut angefangen; denn Sie haben die Gründe dafür, warum es deutliche Steigerungen bei den Prämien in der PKV und bei den Beiträgen in der GKV gibt, deutlich benannt. Es ist der medizinische Fortschritt, es ist die Alterung der Gesellschaft, und es ist insgesamt die Kostensteigerung in diesem Bereich – alles Faktoren, die für beide Systeme gelten. Und bei beiden Systemen sehen wir, dass es Handlungsbedarf gibt, und zwar auf der Ebene: Wie schaffen wir es, bezahlbare Prämien, Tarife und Beiträge zu haben, und wie schaffen wir gleichzeitig eine Absicherung und Sicherstellung der Versorgung? Das sind die großen Herausforderungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Da muss man ganz klar sagen: 90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich abgesichert, solidarisch, und zwar prozentual entlang der Höhe des Einkommens; das ist sehr gerecht und ausgewogen. Dann haben wir circa 10 Prozent der Bevölkerung, die privat abgesichert sind, davon die Hälfte wiederum Beamte mit zusätzlicher Absicherung durch den Dienstherrn. Und wenn man sich das anschaut, dann muss man sagen: Wer sich dort so absichert, hat Risiken. Er hat nämlich das Risiko, dass seine Tarife entlang seines Gesundheitszustands, seiner Vorerkrankungen und seines Alters bemessen werden. Diese Konstruktion insgesamt ist eine, die auf Dauer ziemlich sicher nicht tragfähig ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen eine Form finden, wie wir gesellschaftliche Solidarität, aber auch Stabilität gewährleisten können. Da ist es aus unserer Sicht sehr, sehr wichtig, dass wir einen Finanzausgleich zwischen beiden Systemen haben, dass wir also die sozialen Risiken, die es gibt, gemeinschaftlich und solidarisch abfedern, ob jetzt in der privaten oder in der gesetzlichen Versicherung. Wir bevorzugen da ein System, das man „Bürgerversicherung“ nennen kann. Man kann es aber auch ein integriertes System nennen, wo der Finanzausgleich nicht nur die gesetzlich Versicherten, sondern auch die Gutverdienenden, die Beamten und uns Abgeordnete umfasst, die alle mit einzahlen. Das ist das eine.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Damit würden wir finanziellen Spielraum schaffen, damit würden wir Stabilität schaffen, und wir würden gleiche Regeln für beide Systeme schaffen. Das ist im Übrigen schon bei der Pflegeversicherung der Fall, und zwar an der Stelle, wo es um die gleichen Leistungen geht. Das ist ein guter Prototyp dafür, wie wir das in Zukunft gestalten können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dann kommen wir zu dem ganzen Bereich: Was ist denn eigentlich die Herausforderung, die zu stemmen ist? Es ist in der Tat nicht besonders schön, Beitragssprünge von mindestens 18 Prozent zu haben, bei manchen sogar 30 Prozent; das ist eine enorme Herausforderung. Wir haben gleichzeitig wenig Möglichkeiten, für die private Krankenversicherung die Versorgung zu gestalten; auch das wäre eine Zukunftsaufgabe.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn der Kostenaufwuchs im Gesundheitswesen ist momentan sehr hoch, und zwar für beide Systeme. Und wir müssen dafür sorgen, dass die große Anzahl der älteren Versicherten tatsächlich im Alter abgesichert ist und sie nicht in eine Situation kommen, wo sie ihre Beiträge überhaupt nicht mehr stemmen können, weil im Alter das zur Verfügung stehende Einkommen sehr viel geringer ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie können wir das erreichen? Wir schlagen auf der einen Seite vor, den Finanzausgleich auszudehnen. Zum anderen wollen wir das, was immer wieder hinsichtlich des Nebeneinanders von PKV und GKV betont wird: Wahlfreiheit. Welche Wahlfreiheit hat denn der Privatversicherte? Er ist eigentlich an das eine Unternehmen gebunden, für das er sich vielleicht schon sehr früh in seinem Leben entschieden hat; denn die Altersrückstellungen kann ich nicht mitnehmen – oder wenn, nur marginal. Da müssen wir besser werden; denn es ist auch unter dem Gesichtspunkt der Wahlfreiheit kein gutes Vorgehen, wenn ich das Unternehmen nicht einmal wechseln kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sehen also: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Ich glaube, da muss es in der nächsten Wahlperiode deutliche Fortschritte geben. Denn die Alterung der Gesellschaft fordert von uns, ein System zu entwickeln, das für alle tragfähig ist und wo alle für alle Risiken gemeinsam solidarisch einstehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort Maximilian Mordhorst.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616684 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 192 |
Tagesordnungspunkt | Reformen in der Privaten Krankenversicherung |