Christian DürrFDP - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass wir hier regelmäßig die Stimme Moskaus hören, ertragen wir bereits seit einigen Jahren.
(Beifall der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber dass diese Stimme Moskaus gleichzeitig auch die Stimme Teherans ist, ist in der Rede von Herrn Chrupalla gerade deutlich geworden.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Unfassbar! Keine Waffenlieferungen an die Ukraine – das kennen wir. Aber keine Waffenlieferungen mehr an Israel? Deutschland soll die Unterstützung Israels abstellen.
(Zuruf des Abg. Hannes Gnauck [AfD])
Allein der Zusammenhang, der von Herrn Chrupalla gerade verschwiegen worden ist: Wladimir Putin bekommt natürlich massive militärische Unterstützung aus dem Iran. Ein AfD-Abgeordneter, der hier im Interesse von Wladimir Putin spricht, damit der seinen Krieg gegen die Ukraine weiterführen kann, tritt jetzt auch noch an die Seite des Irans, um diese Achse zu stärken. Die Achse Moskau–Teheran sitzt genau dort und bedauerlicherweise auch dort drüben, meine Damen und Herren.
(Der Redner zeigt auf die rechte und auf die linke Seite des Hauses)
Da sitzen die Feinde unseres Landes, um es mal in aller Deutlichkeit auszusprechen,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Steffen Bilger [CDU/CSU] – Martin Reichardt [AfD]: Die FDP sitzt im nächsten Jahr außerhalb des Parlaments!)
die unseren Bündnispartnern und insbesondere – vor dem Hintergrund der deutschen Staatsräson – unseren Freunden in Israel so in den Rücken fallen und dann auch noch davon sprechen, dass sie angeblich in Deutschland Antisemitismus bekämpfen wollen.
(Zuruf des Abg. Gerold Otten [AfD])
Das war mehr als entlarvend, Herr Chrupalla. Das war unverantwortlich.
Herr Merz, ich will Ihnen zu Anfang ein ausdrückliches Dankeschön für Ihre sehr klaren Worte sagen.
(Hannes Gnauck [AfD]: Die finden Sie ja nie in Ihrer Koalition!)
Ich glaube, Sie haben vorhin, als Sie dieses Thema angesprochen haben, nicht nur als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU gesprochen, sondern auch als Parteivorsitzender der CDU Deutschlands. Was diese merkwürdigen Gastbeiträge betrifft, die ich jetzt gelesen habe, insbesondere von Herrn Kretschmer, von Herrn Voigt und von Herrn Woidke: Es war richtig, dass Sie das hier einmal klargestellt haben. Denn eins muss für die demokratische Mitte dieses Hauses immer klar sein: wo wir stehen – im transatlantischen Bündnis – und wen wir unterstützen – Israel und die Ukraine. Deswegen: Lieber Herr Merz, das verdient Respekt. Ich glaube übrigens, es war auch ein sehr deutlicher Hinweis an die derzeit in Koalitionsverhandlungen befindlichen Parteien in den ostdeutschen Bundesländern. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Hannes Gnauck [AfD] – Hannes Gnauck [AfD]: Verzweiflung! Pure Verzweiflung!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundeskanzler hat die Wettbewerbsfähigkeit herausgestellt, die beim Europäischen Rat eine besondere Rolle spielen wird. In dem Zusammenhang will ich eins unterstreichen, nämlich dass unsere geopolitische Stärke insbesondere in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unmittelbar mit unserer ökonomischen Stärke zusammenhängt. Deswegen ist es auch ein Beitrag für Frieden in der Welt und in Europa, wenn Europa und Deutschland ökonomisch stark sind. Dahin müssen wir wieder zurückkommen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist über die Handelspolitik gesprochen worden, und ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, sehr dankbar für die deutlichen Worte. Es ist dieser Bundesregierung und dieser Koalitionsmehrheit am Ende möglich gewesen, das Freihandelsabkommen CETA zu ratifizieren. Ich bin dankbar für die sehr deutlichen Worte in Bezug auf Mercosur. Meine klare Aufforderung in Richtung von Frau von der Leyen lautet, auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika Verhandlungen aufzunehmen. Der Wohlstandsmotor Europas ist mehr Freihandel mit den Demokratien der Welt. Das muss die klare Botschaft auch dieses EU-Gipfels sein.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD] und Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie haben die bürokratische Situation angesprochen. Auch das will ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Die Europäische Union hat sich bereits vor 20 Jahren beim Wachstum von den Vereinigten Staaten von Amerika abhängen lassen. Bereits vor 20 Jahren hat die Europäische Union den Anschluss verloren. Europa ist insgesamt nicht mehr ausreichend wettbewerbsfähig.
Übrigens – weil Sie die Industriepolitik ansprachen, Herr Bundeskanzler –: Deutschland befindet sich bereits seit dem Jahr 2017 in einer Industrierezession. Bereits seit 2017 ist auch unser industrieller Kern nicht mehr ausreichend wettbewerbsfähig. Aber ich will einen Punkt in aller Deutlichkeit ergänzen: Ja, es ist richtig, den industriellen Kern, ein Rückgrat unserer Volkswirtschaft, herauszustellen. Aber zum Rückgrat unserer Volkswirtschaft gehört eben auch der deutsche Mittelstand, gehören die Start-ups, gehören die Handwerksbetriebe. Deswegen ist meine Erwartungshaltung an die Bundesregierung, nicht ausschließlich über Industriepolitik zu sprechen, sondern sehr deutlich zu machen, dass der deutsche Mittelstand unser Wachstums- und Wohlstandsmotor und übrigens auch unser Exportmotor ist. Deswegen: Nicht mehr Gipfel, sondern mehr Handeln, auch in der Bundesregierung! Das ist an dieser Stelle meine klare Erwartungshaltung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sollten jetzt auf dem Gipfel unseren Beitrag dazu leisten. Die Bürokratie ist angesprochen worden. 80 Prozent der Regeln, mit denen wir zu tun haben, kommen direkt aus der Europäischen Union. Bei einem gemeinsamen Binnenmarkt ist das per se nicht schlecht. Das Problem sind die Regeln selber. Und auch in Deutschland sollten wir unseren Beitrag leisten. Man kann jetzt rhetorisch natürlich von „Kettensägen“ und „wegbolzen“ sprechen. Ich sage es ganz offen: In Bezug auf das deutsche Lieferkettengesetz, Herr Bundeskanzler, würde mir „abschaffen“ schon vollkommen reichen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])
Wir müssen gleichermaßen auf europäischer Ebene und auf deutscher Ebene die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften wiederherstellen. Wir sind dramatisch zurückgefallen; ich habe vorhin über die geopolitischen Zusammenhänge hier gesprochen. Wir müssen es national und europäisch endlich schaffen, wieder ausreichend wettbewerbsfähig zu werden.
Frau von der Leyen hat, als sie den Green Deal vorgestellt hat, von einem „Man on the moon“-Moment gesprochen. Das Gegenteil ist eingetreten: Am Ende ist Europa teilweise leider auch ein Bürokratiemuseum geworden. Deswegen ist meine klare Erwartungshaltung auch an die neue Kommission: Stoppen wir diesen Quatsch mit Strafzöllen! Das schadet der Handelspolitik. Weg mit überflüssigen Flottengrenzwerten beispielsweise!
Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie Sie sie erwähnt haben, Herr Bundeskanzler, die lediglich Aktenordner in deutschen Unternehmen füllt, aber nichts dazu beiträgt, die Welt besser zu machen, nein, die die Welt schlechter machen wird, sollte auch infrage gestellt werden. Die Verschiebung bei den Flottengrenzwerten und bei anderen Dingen wie der Entwaldungsverordnung kann nur ein erster Schritt sein.
Ich glaube, dieser Europäische Rat sollte mit deutscher Unterstützung die Kraft haben, in Europa ein echtes Reformprojekt anzustoßen. Von diesem Rat muss das Signal ausgehen: Wir wollen wieder Wettbewerbsfähigkeit, und das heißt eben auch: die komplette Abschaffung von überflüssigen europäischen Regeln.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Lars Klingbeil.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616740 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |